Wenn Schalensteine plötzlich reden und Hexen lebendig werden
Publiziert in 14 / 2005 - Erschienen am 21. Juli 2005
Schalensteine, vorgeschichtliche Kultstätten, rätselhafte Zeichen, uralte Mauerreste und Symbole, die niemand erklären kann: Auf diese und viele weitere Zeugnisse aus der vorgeschichtlichen Zeit stoßen die Wanderer, die in Partschins den neu angelegten Sagenweg begehen. Zur Eröffnung und offiziellen Erstbegehung des Weges hatten sich am 14. Juli über 50 Einheimische und Gäste eingefunden. Der Sagenweg ist ein Projekt des Tourismusvereines Partschins, Rabland und Töll. Kulturreferent Ewald Lassnig, der zur Eröffnung unter anderem auch Bürgermeister Robert Tappeiner und die Präsidentin des Tourismusvereins, Annemarie Laimer Trogmann, begrüßen konnte, wartete entlang des Sagenweges mit Erklärungen auf und verstand es vortrefflich, die Wanderer für die Prähistorie zu begeistern.
Der Sagenweg, der in rund zweieinhalb Stunden begangen werden kann, beginnt am Ostende von Partschins, führt zum Weiler Vertigen und über den Partschinser Waalweg und den Geadaweg entlang zum Golderskofel und zurück zum Saltenstein. Die Wegkennzeichnung stellt zwei Urjäger aus der Jungsteinzeit dar, die dem Latscher Menhir entnommen worden sind. Fachmännisch angefertigt und aufgestellt hat alle Wegkennzeichnungen der „Wegmacher“ des Tourismusvereins, Sighart Ritsch. Ihm sowie den Bauern, die es erlaubt haben, dass der ehemalige Kirchweg als Wanderweg begangen werden kann, zollte Ewald Lassnig einen besonderen Dank.
Von Partschins aus wird zunächst zum Weiler Vertigen gewandert, wo bei der Jausenstation Grasweger Keller der Partschinser Waalweg erreicht wird. Etwas westlich treffen die Wanderer am Buhnholz bereits auf den ersten prähistorischen Schalenstein, auf dem acht Grübchen zu beobachten sind. Diese Vertiefungen im Stein werden als Schalen bezeichnet. Sie stammen aus der Zeit des mittleren Neolithikums (ca. 4.500 – 3.000 v. Chr.). Es handelt sich laut Ewald Lassnig um stumme Zeugen der Ursiedler, deren Bedeutung viele Rätsel aufgibt und wohl nie ganz geklärt werden kann. Die Forschung vermutet in ihnen unter anderem Fruchtbarkeitssymbole. Lassnig zitierte den Schweizer Archäologen Ferdinand Keller: „Es sind Hieroglyphen und Symbole, zu deren Erklärung der Schlüssel verloren gegangen ist.“
Begleitet vom plätschernden Wasser geht es weiter zum Schwolbnkofl, einem vorgeschichtlichen Wohnstein, und wenig später sind die Wanderer beim Anderleiter Egg. Hier wird der Waalweg in Richtung Norden verlassen, wo der Geadaweg beginnt, der über das Kleine Bergl bis zur Tablander Straße hinaufführt. Zu beiden Seiten des schmalen Steiges können geheimnisvolle Schalensteine und Kultstätten aus vorgeschichtlicher Zeit entdeckt werden wie etwa kümmerliche Mauerreste sowie eine Steinplatte mit zwei Kreuzen. Auch auf eine Wohnhöhle (ca. 3.000 - 500 v. Chr.) stoßen die Wanderer. Es handelt sich um die sagenumwobene Stuaner-Geada-Hütt. Im Inneren der Höhle befindet sich eine Feuerstelle mit einem offenen Rauchabzug. In dieser Höhle hauste einst die Stuaner Geada (Gertraud vom Steinerhof), eine böse Hexe, von der in Partschins gar manches erzählt wird. Die Hexe ernährte sich von Würmern, Mäusen und Ratten, die sie mit einem eigenen Sprüchlein herbeizulocken verstand. Bei schönem Wetter saß sie auf dem großen Stein, Geada Zopfnstuan genannt, der die Höhle überdacht, und spann mit ihrem Spinnrad die Schafwolle zu riesigen Knäueln.
Auf diesem Stein tauchten bei der Sagenweg-Eröffnung tatsächlich drei Hexen auf und entführten die Wanderer zurück in die Zeit der Stuaner Geada. Hinter der Wohnhöhle befindet sich der Hexenplatz. Unweit von der Wohnhöhle liegt etwas abseits des Steiges die Teufelsplatte, auf der zwei Frauenfußabdrücke und sechs Paar Ziegenfußabdrücke zu erkennen sind. Die Sage berichtet, dass der Teufel ein liederliches Mädchen aus dem Schnalstal herüber getragen, hier gerastet habe, um ihr langes blondes Haar zu kämmen. In nächster Nähe der Teufelsplatte befindet sich eine kleine Steinbank, die vermutlich kultischen Zwecken diente. Etwas oberhalb dieser Kultstätte befindet sich der Rasterle Stein. Direkt an der Tablander Straße stoßen die Wanderer auf einen besonders markanten Schalenstein, der 41 Schalen verschiedener Größe und zwei Kreuzchen aufweist. Hier endet auch die rund 120 Meter lange zyklopische Mauer, bei der es sich um die Überreste einer prähistorischen Wallburg aus der Jungsteinzeit (ca. 3.000 – 500 v.Chr) handelt. Die Wallringmauer zieht sich vom Schalenstein hinunter in unwegsames Gelände. In nächster Nähe, direkt an der Straßenkehre, befindet sich der gewaltige Golderskofel, auf dem ebenso Schalen und Kreuze zu beobachten sind. Vom Golderskofel geht es der Tablander Straße entlang hinunter zum Salten. Beim obersten Haus, wo der Partschinser Waalweg beginnt, liegt ein riesiger Felsblock, der Saltenstein. Die Sage erzählt, dass am Salten einst ein prächtiges Schloss stand, in dem Ritter Werdomer, Herr von Tabland, hauste. Er führte ein ausschweifendes Leben, unterdrückte und quälte seine Untergebenen und ermordete sogar seinen eigenen Vater. 1328 brach zur Nachtzeit das Strafgericht über die lasterhaften Schlossbewohner herein. Der Ginglsee im Zieltal durchbrach infolge eines fürchterlichen Unwetters seine Felsdämme und begrub das Ritterschloss und seine Bewohner unter Geröll und Schlamm. Unter dem Saltenstein soll noch die Glocke der Schlosskapelle begraben sein, die alle hundert Jahre, zu Peter und Paul am 29. Juni, läutet.
Mit weiteren Sagen wartete während der Eröffnungs-Begehung auch das Sagenfräulein Hildegund auf, der nicht nur die Kinder mit offenen Augen und Ohren zuhörten.
Wer die Wanderung verlängern will, gelangt vom Golderskofel aus zu einer rund 400 Quadratmeter großen Wallburg (im Volksmund Olt-Grint-Hütt) sowie über Feneid zum Lotterboden und weiter bis hin zum Partschinser Wasserfall.
Josef Laner