„Wer immer strebend sich bemüht…“
Publiziert in 43 / 2008 - Erschienen am 3. Dezember 2008
Schlanders – Nun, bemüht haben sich viele, trotz verschneiter Straßen doch noch ins Kulturhaus zur Faust-Vorstellung zu kommen. Die meisten Zuschauer konnten sich frei entscheiden, ohne einen Oberschullehrer im Nacken. Viele waren einfach neugierig, viele hatten irgendwie die geflügelten Worte „Wer immer strebend..“ oder „Da steh ich nun, ich armer Tor..“ im Hinterkopf“, aber fast alle waren einfach weg. Wer hätte geglaubt, dass dem „alten Schinken“ derart neues Leben eingehaucht werden kann. Die fast drei Stunden Weimarer Klassik mit hervorragenden Schauspielern und grandioser Regie-Leistung war ein Fest der Sinne. Life-Musik, Geräuschkulisse hausgemacht, die Bühne zwischen den Zuschauern, die Schauspieler unter den Zuschauern, die Zuschauer auf der Bühne, die Schauspieler überall im Saal und viele Zuschauer auf Augenhöhe mit Goethes Hauptwerk „Faust – der Tragödie I. Teil“.
Dem Verwaltungsrat des Kulturhauses und dem Südtiroler Kulturinstitut sei Dank waren die Vinschger wieder einmal dabei und diesmal mitten drin. Dass aus der ostdeutschen Provinz eine Ahnung von großem Theater in die Südtiroler Provinz gebracht wurde, ist die Leistung der Neuen Bühne Senftenberg unter ihrem Intendanten und Regisseur Sewan Latchinian. Nur wenige Stunden hatten die Darsteller zur Verfügung, um im
Schlanderser Theatersaal sich so zu bewegen, als wäre der Saal nur für die Faust-Inszenierung gebaut worden. Latchinians Einfälle vom Taschenspielertrick über die digitale Kamera, Mephistos „Stinkefinger“ bis zu den Penis-Masken brachten - auch wenn‘s abgedroschen klingt – den faustischen Stoff erst anschaulich-zeitgemäß unter die Besucher.
Günther Schöpf