Privat und auf der Bühne ein Paar: Claudia Fenzl und Dominik Plangger. 

„Wohl kaum eine andere Wahl“

In einem neuen Song verarbeitet Liedermacher Dominik Plangger die Ereignisse im Jahr 1944 in der Via Rasella, wo auch sein Urgroßvater starb.

Publiziert in 6 / 2024 - Erschienen am 26. März 2024

SCHLANDERS - Dominik Plangger zählt zu den bekanntesten Musikern und Liedermachern in Südtirol. Der 1980 geborene „Junge aus Stilfser Brücke“ hat sich einen Traum erfüllt und bestreitet mit der Musik seinen Lebensunterhalt. Seit vielen Jahren musiziert er zusammen mit der Wiener Geigerin Claudia Fenzl, die er 2017 heiratete. Mit ihr und der gemeinsamen 6-jährigen Tochter Mavis lebt er mittlerweile in Neusiedl am See im Burgenland. Im Rahmen der Frühjahrstour stattete das Musik-Paar unlängst auch der BASIS in Schlanders einen Besuch ab. der Vinschger hat mit dem Singer-Songwriter, der größtenteils eigene Lieder schreibt und spielt, gesprochen.

der Vinschger: Was bedeutet es für Sie, in den Vinschgau zu kommen?

Dominik Plangger: Die Leute kennen einen und man kennt auch viele Menschen im Publikum. Das macht etwas nervöser. Aber es ist natürlich immer ein Heimspiel und ganz etwas Besonderes. Es ist schön, erstmals hier in der BASIS zu sein.

Auf ein ganz besonderes Lied mit viel Vinschgau-Bezug müssen sich die Musikfans noch bis zu Ihrem neuen Album, das im Spätsommer erscheint, gedulden. Darauf befindet sich ein Song über die Via Rasella und den Anschlag der italienischen Widerstandsbewegung gegen die deutsche Besetzung Roms. Auch der Stilfser Michael Josef Moser fand damals den Tod. Welchen Bezug haben Sie zu ihm?

Er war mein Urgroßvater, der Vater meiner Oma Erna. Diese ist im Herbst des vergangenen Jahres verstorben. Das war ein Grund, um die Geschichte aufzuarbeiten.

Wie kamen Sie zu Informationen über ihren Urgroßvater?

Ich habe mit Verwandten gesprochen und recherchiert. Ich stieß auch auf einen italienischen Dokumentarfilm und erfuhr dabei, dass der bekannte italienische Komponist Ennio Morricone zu dieser Zeit als Straßenmusiker unterwegs war. Er soll damals ebenfalls in der Via Rasella gewesen sein. Es ist nicht auszuschließen, dass mein Urgroßvater ihm ebenfalls über den Weg lief. Morricone wurde jedoch über das bevorstehende Attentat gewarnt, er konnte sich somit retten. Später komponierte er auch eine Filmmusik zu den Ereignissen. Da ich selbst lange als Straßenmusiker unterwegs war, entschied ich mich, im Lied das Geschehene von damals aufzuarbeiten.

Worum geht es im Song genau?

Das Lied dauert etwa drei bis vier Minuten. Es geht in erster Linie um die Geschehnisse in der Via Rasella, aber auch um das darauffolgende Massaker in den Ardeatinischen Höhlen. Dafür wurde nie wirklich Verantwortung übernommen.

Wie blicken Sie heute auf ihren Urgroßvater zurück?

Ich kannte ihn ja nicht persönlich. Es war damals Krieg, eine dunkle Zeit. Viele Südtiroler wurden damals unfreiwillig in die Wehrmacht eingezogen (Anmerkung der Redaktion: Nach Kriegsaustritt Italiens wurde 1943 die Operationszone Alpenvorland errichtet, Südtirol stand unter Herrschaft der Nazis). Man kann sicher nicht sagen, dass die Soldanten damals allesamt überzeugte Nazis waren. Mein Urgroßvater hatte wohl kaum eine andere Wahl.

Auch heute toben weltweit Kriege, auch ganz in unserer Nähe. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation?

Ich bin mit Liedermachern aufgewachsen, wo Krieg nicht greifbar war bzw. weit weg war. Damals gab es viele Antikriegslieder, es war einfach, sich zu positionieren. Die Liedermacher konnten sich leicht gegen Krieg positionieren. Natürlich ist das nach wie vor sehr wichtig, auch habe ich einige generelle Antikriegslieder in meinem Repertoire. Das Thema ist nun aber viel komplexer geworden. Natürlich ist man gegen Krieg, auf der anderen Seite müssen sich Völker die überfallen werden auch wehren, wie eben derzeit die Ukraine. Wenn ich oft in den Sozialen Netzwerken lese, wie Personen Putin verteidigen, dann muss ich mir an den Kopf fassen. Das kann nicht sein, Putin ist seit jeher ein Kriegstreiber. Solchen Menschen muss man Einhalt gebieten.

Gibt es ein Lied über den Russland-Krieg?

Explizit dazu nicht. Da habe ich mich bisher nicht herangetraut. Das Thema ist zu komplex, um es in einem Lied aufzuarbeiten. Vielleicht versuche ich es aber irgendwann.

Was erwartet die Musikfans mit dem neuen Album?

Es gibt natürlich wieder viele kritische Statements zu aktuellen Ereignissen, Stellungnahmen zur Armut, aber auch Liebeslieder und einfach Songs, die unterhalten. Ich denke, gerade in Zeiten wie diesen, ist die Unterhaltung und Ablenkung auch mal wichtig. Man wird ohnehin schon überall, insbesondere auf Social Media mit Horrorszenarien zugetextet.

80 Jahre Via Rasella

Am 23. März 1944 starben über 30 Wehrmachtssoldaten des Regiments „Bozen“ in der Via Rasella in Rom bei einem Anschlag der Widerstandbewegung („Resistenza“). Am Tag danach wurden 335 italienische Zivilisten, darunter 75 jüdische Geiseln, in den Höhlengängen im Süden Roms erschossen. Den Befehl dazu hatten die verantwortlichen Offizielle der Wehrmacht gegeben. Es war eine Vergeltungsmaßnahme für den Anschlag in der Via Rasella.

Michael Andres
Michael Andres
Vinschger Sonderausgabe

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