6 Varianten werden in der Vorstudie für eine Eisenbahnverbindung zwischen Bormio und Mals vorgestellt.
Im Bild (v.l.): Alessandro Caloisi, Gianpaolo Rossetti, Elisabetta Scattolini, Joachim Dejaco, Richard Theiner, Ugo Parolo und Florian Zerzer.
Das Interesse an der Vorstudie war groß.

„Ein Straßentunnel kommt nicht in Frage“

Vorstudie für eine Untertunnelung des Stilfserjochs vorgestellt. Parolo: „Auch Lombardei bevorzugt eine Eisenbahnverbindung“. Ein eventueller Autoverlad wird skeptisch gesehen.

Publiziert in 43 / 2017 - Erschienen am 12. Dezember 2017

Mals - Nicht in Mailand oder Bozen, sondern in den direkt betroffenen Gebieten im Obervinschgau und im Veltlin wurde in der vergangenen Woche erstmals die Vorstudie „Verbindung zwischen dem Vinschgau und dem Veltlin durch Untertunnelung des Stilfserjochs“ vorgestellt. Langfristige Vorhaben bzw. Visionen können nur dann irgendwann Wirklichkeit werden, „wenn sie von der betroffenen Bevölkerung gewollt und mitgetragen werden“, gab sich Landesrat Richard Theiner bei der Vorstellung am 4. Dezember im Kulturhaus in Mals überzeugt. Erstellt wurde die Vorstudie in fünfmonatiger Arbeit im Rahmen des Abkommens, das im Juli 2015 vom Präsidenten der Region Lombardei, Roberto Maroni, und vom Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher auf dem Stilfserjoch unterzeichnet worden war. Das Abkommen sieht eine enge Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen vor, um das Veltlin, den Vinschgau und die gesamte Region als periphere Gebiete aufzuwerten.

Denkanstoß für neue Mobilität
Eines stelle Theiner eindeutig klar: „Für uns als Landesregierung stand schon vorab fest, dass nur ein Eisenbahntunnel in Frage kommt.“ Dass auch die Region Lombardei eine Verbindung mittels Eisenbahn bevorzuge, bestätigte auch Unterstaatssekretär Ugo Parolo. In der Vorstudie seien sowohl Eisenbahn- als auch Straßen-Varianten untersucht worden, um alle theoretischen Verbindungsmöglichkeiten zu beleuchten, „wir in der Lombardei favorisieren aber einen Eisenbahntunnel“, so Parolo. Nach Ansicht von Theiner soll die Vorstudie als Denkanstoß für die Mobilität der Zukunft dienen: „Die Zeit der Verbrennungs-
motoren neigt sich dem Ende zu. Daher müssen wir schon jetzt an Alternativen denken.“ Diese sieht Theiner in der Eisenbahn und in der Elektromobilität. Eine große Bedeutung für den Vinschgau habe nach wie vor eine Eisenbahnverbindung zwischen Mals und Scuol, „wenngleich eine solche Verbindung in der Schweiz derzeit nicht oberste Priortät hat.“

7 Straßen- und 6 Bahn-Varianten
Insgesamt 7 Straßen- sowie 6 eingleisige Eisenbahn-Varianten stellten Elisabetta Scattolini,
Gianpaolo Rossetti und Alessandro Caloisi, alle von der Gesellschaft „Infrastrutture Lombarde S.p.A.“, vor. Untersucht worden sind u.a. die Komplexität der Umsetzung, die Einfügung in die Landschaft und in das bestehende Netz von Infrastrukturen, die Vereinbarkeit mit Entwicklungsplänen sowie Bauzeiten und Kosten. Wie schon bei den Straßen-Varianten sind auch bei den Eisenbahn-Varianten unterschiedlich lange Trassen und Verbindungsmöglichkeiten mit verschieden langen Tunnels bzw. Freilandstrecken untersucht worden, um Bormio mit Mals zu verbinden. Auch Verbindungs-Varianten, die durch Taufers bzw. die Gemeinde Val Müstair führen, sind angeführt.

Lücke Bormio-Tirano
Auf lombardischer Seite besteht allerdings das nicht kleine Pro-
blem, dass es derzeit noch keine Eisenbahnverbindung zwischen Tirano und Bormio gibt, und somit auch keine Bahnverbindung von Bormio nach Mailand. Laut Parolo gehört der Bau der Strecke Tirano-Bormio zu den Prioritäten der Region Lombardei. Was die Kosten betrifft, so dürften sie im Falle der Umsetzung einer Eisenbahn-Variante zwischen 1,1 und 1,3 Milliarden Euro liegen. Die Bauzeit wird auf 7 bis 10 Jahre geschätzt. Ungefähr ähnliche Zeiten und Kosten werden im Falle der Umsetzung einer Straßen-Variante genannt. Zusammenfassend wird in der Vorstudie festgehalten, dass die Eisenbahn-Varianten aus der Sicht des Verkehrs ein höheres Nachfragepotential haben, „besonders, wenn sie mit einem Autoverlad kombiniert sind.“ STA-Direktor Joachim
Dejaco freute sich, dass nicht an einen Straßentunnel gedacht wird, sondern an eine Eisenbahnverbindung. Die neuen Varianten müssten auch im Kontext mit den Bestrebungen einer Verbindung des Vinschgaus mit dem Engadin gesehen und bewertet werden. Als mögliches Szenario der Zukunft stellte er einen futuristischen Zugfahrplan vor: Bozen-Mals (1 Stunde und 52 Minuten), Mals-Bormio (25 Minuten) und Bormio-Tirano-Mailand (2 Stunden und 27 Minuten). 

Skepsis zwecks Autoverlad
Bei der von Ressortdirektor Florian Zerzer moderierten Diskussion wurde der Vorschlag, das Veltlin und den Vinschgau mit einem Eisenbahntunnel zu verbinden, mehrfach und grundsätzlich begrüßt, wobei aber eine Bahnverbindung mit der Schweiz nicht aus den Augen verloren werden darf. Der Malser Bürgermeister Ulrich Veith zum Beispiel meinte, dass die derzeitige Landesregierung eine solche Verbindung zum Glück ernsthaft vorantreibe. Wogegen sich Veith, die Tauferer Bügermeisterin
Roselinde Gunsch Koch, ihre Amtskollegen Karl Bernhart (Prad) und Heinrich Noggler (Graun) sowie viele weitere Diskussionsteilnehmer dezidiert aussprachen, ist ein Autoverlad bzw. der Verlad von Bussen und Lastkraftwagen. „Damit würde nur zusätzlicher Autoverkehr angezogen und der Vinschgau würde Gefahr laufen, zu einer Transitstrecke zwischen der Lombardei und den Ballungszentren im Norden zu werden“, gab etwa Rudi Maurer zu bedenken. „Wir möchten, dass die Gäste, die zu uns in den Vinschgau kommen, auf das Auto verzichten“, meinte Veith. Gelobt haben Veith, Gunsch Koch und weitere Diskussionsteilnehmer den Umstand, „dass die Bevölkerung von Anfang an mit einbezogen wird und dass man die Vorstudie zuallererst der Bevölkerung vorstellt.“

„Abfuhr“ für Mals-Landeck
Zur Anregung von Heinrich Noggler, auch eine Verbindung Mals-Landeck anzudenken, meinte Theiner: „Das Interesse der Nordtiroler Landesregierung für eine Bahnverbindung über den Rechen ist plus/minus null.“ Von großer strategischer Bedeutung wäre hingegen eine Verbindung vom Unterengadin ins Obere Gericht. Ein Diskussionsteilnehmer aus Graubünden lobte die Vorstudie und fand es gut, „dass es Visionäre gibt.“ Er wünscht sich, dass das Münstertal mit einbezogen wird. Der Landtagsabgeordnete Riccardo Dello Sbarba bezweifelte, dass die Lombardei von den Straßen-Varianten tatsächlich nichts mehr wissen wollte. Parolo meinte dazu: „Das, was wir heute hier gesagt haben, werden wir auch bei der morgigen Vorstellung in Bormio sagen.“ Unter den Zuhörern befand sich auch der Kammerabgeordnete Albrecht Plangger. Sein Wunsch ist es, „dass auch die Veltliner voll hinter einer Eisenbahnverbindung stehen und dass zunächst das Teilstück Tirano-Bormio gebaut wird.“ Auch bei der Anbindung mit der Schweiz gelte es mit aller Kraft weiterzumachen.

„Noch ist nichts entschieden“
Abschließend erinnerte Richard Theiner noch einmal daran, dass derzeit nichts anderes als eine Vorstudie vorliegt: „Es ist noch nichts beschlossen, die Diskus-
sion beginnt erst jetzt.“ Auch Ugo Parolo meinte: „Wir reden von einem Vorhaben für die zukünftigen Generationen.“ Er sicherte auf Anregung von Klaus Bliem zu, dass alle wichtigen Inhalte der Vorstudie im Internet veröffentlicht werden. Ob der Vorstudie als nächster Schritt eine Machbarkeitsstudie folgt, ist derzeit noch offen. Parolo: „Das hängt davon ab, was sich aus den jetzt beginnenden Diskussionen hier bei euch und auch bei uns ergibt.“ Gekostet hat die Vorstudie übrigens rund 100.000 Euro. Bestritten wurden diese Ausgaben mit Geldmitteln aus dem sogenannten Grenzgemeinden-Fonds.

Josef Laner
Josef Laner

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