Trafoi

Publiziert in 24 / 2004 - Erschienen am 16. Dezember 2004
[K] Fotos: Florian Peer, Text: Andrea Perger [/K] [F] Drei Brunnen am Fuße des Ortlers [/F] [K] Ortsnamensbedeutung: Erstmals urkundlich erwähnt 1304 als "Traful, Trafui", Mundart: "Trafui", amtl. ital. Name: "Trafoi". Abstammung vom lateinischen "bullio". Bedeutung: "Quelle, Brunnen" oder "drei Quellen". Quellen: Dieser Artikel entstand durch die wertvolle und konstruktive Unterstützung des Herrn Matthias Thöni und von ihm verfassten Berichten. Er gewährte mir außerdem einen Einblick in seine umfangreiche und wertvolle Sammlung historischen Materials. Diese Eindrücke werden mir unvergessen bleiben, weshalb ich mich an dieser Stelle bei ihm bedanken möchte. [/K] [F] Historisches [/F] Trafoi blickt auf eine lange Geschichte zurück, mindestens in die vorrömische Zeit. Denn wie heute fromme Pilger am Pfingstmontag zu den heiligen drei Brunnen pilgern, so taten dies einst keltische Priester, so genannte Druiden. Einzelne dürften beinahe das ganze Jahr bei den heiligen drei Brunnen, diesem uralten Quellheiligtum, als Einsiedler gelebt haben. Später besiedelten Jäger und Hirten mit ihrem Vieh das Tal, so dass hier langsam das einsame Bergdorf entstand. Die christliche Legende berichtet über die Entstehung des Gnadenortes zu den heiligen drei Brunnen folgendes: Der fromme Hirte Moritz wurde 1229 Zeuge, wie aus dem Berg plötzlich drei Wasserstrahlen hervorbrachen und jeweils ein Kreuz mit sich trugen. Zwei dieser Kreuze konnte der Hirte ergreifen, eines schwamm davon. Das Gnadenbild kam durch einen Priester nach Trafoi. Es stammt aus St. Maria. Nachdem es lange Zeit in Vergessenheit geraten war, wurde es von einem Holzhauer in den Ästen eines Baumes gefunden, den er gerade fällen wollte. Die erste Wallfahrt wird 1526 urkundlich belegt. Am 27. September 1804 erstieg der Psayrer Josele mit seinen Kameraden Klausner und Leitner von Trafoi aus startend als erster den Ortler. Erst später gelang eine Besteigung von Sulden aus, obwohl diese bereits vorher versucht wurde. Ebenfalls einschneidend für das einsame Bergdorf war der Bau der Stilfser- Joch- Straße, der mit Vermessungen 1820 einsetzte. Scharen von Arbeitern kamen ins Dorf. Auch Einheimische waren am Bau der Straße beschäftigt, so dass bereits 1825 eine fünf Meter breite Straße mit einer durchschnittlichen Steigung von neun Prozent über das Joch nach Worms (Bormio) führte. Die Straße führt hinauf auf 2760 Höhenmetern und ist ein kühnes Projekt, aber nicht das erste dieser Art, denn schon seit jeher führte ein Pfad, der so genannte "Wormisionssteig" über das Joch. Dieser Pfad erlangte immer wieder bei diversen militärischen Auseinandersetzungen strategische Bedeutung. So etwa 1499 bei Auseinandersetzungen zwischen Bündnern und Tirolern (Calvenschlacht), als der herzog von Mailand auf diesem Weg Truppennachschub und Lebensmittel sandte. Im Jahre 1633 zogen nicht weniger als 12.000 Soldaten mit 1.200 Pferden über das Joch, als Erzherzog Leopold von Österreich mit den Schweizern im Krieg stand. Bis 1859 blieb die Straße auch im Winter geöffnet. Ebenfalls traurige Berühmtheit erlangte die Bergwelt um Trafoi als eisiger Kriegsschauplatz während der Weltkriege. Dieses Thema würde den Rahmen sprengen, weshalb er ein anderes Mal eingehender betrachtet wird. [F] Dorfleben [/F] Heute leben in Trafoi 92 Menschen. Eine weitere, sehr aussagekräftige Zahl: im Jahre 1951 verzeichnete Trafoi mehr Nächtigungen als das berühmte Corvara. [F] Dorfzahlen [/F] In einem alten Ferienführer wird Trafoi als idyllisches, einsames Bergdorf, mit schattigen Plätzen unter immergrünen Bäumen, mit herrlicher Aussicht auf die umliegende Gletscherwelt beschrieben. Der Fremdenführer mag zwar schon einige Jahre alt sein, die Beschreibung aber ist nach wie vor treffend. Dieses besondere Dorf lockte einst so berühmte Leute wie den Kronprinzen Friedrich Wilhelm (der später Kaiser geworden wäre, falls man ihn nicht ermordet hätte). Adam Opel, der Gründer des gleichnamigen Autoherstellerkonzerns kam in einem der ersten Opels nach Trafoi, wie auch sein Sohn Heinrich Opel. Heute treffen sich wieder Neuwagen verschiedener Hersteller auf der Stilfser-Joch-Straße. Allerdings nicht zum Urlaub, sondern zu Tests. Der berühmte Sigmund Freud logierte ebenfalls in Trafoi und erwähnte das Dorf in einem seiner Bücher. Zu Beginn des Alpintourismus gastierten durch- aus hohe Persönlichkeiten im Ort, die die Abgelegenheit und Ruhe schätzten, oder aber auch jene, die den Ortler besteigen wollten. Als noble Unterkunft diente oftmals das berühmte "Grandhotel Trafoi", das im Kriegsjahr 1917 den Flammen zum Opfer fiel. Es war Winter als das Feuer ausbrach, zwar wären Löschkräfte sofort zur Stelle gewesen, da etliche Soldaten im Hotel übernachteten, doch es fehlte das Wasser, das ringsum abgefroren war. So war ans Löschen nicht zu denken und man versuchte an Inventar zu retten, was ging. Das Hotel wurde 1896 eröffnet und besaß eine eigene Bäckerei, eine Metzgerei, einen eigenen Hotelschuster, einen Friseur, sowie Stallungen und Remisen. 250 Betten standen den Gästen zur Verfügung, sowie allerlei Luxus und für die Jahrhundertwende nicht Alltägliches, wie Elektrizität, Arzt und Apotheker, ein Hausorchester und für die kalte Jahreszeit Zentralheizung. Nur gehobene Gäste aus aller Welt residierten hier und für diese Klientel waren rund 100 Menschen beschäftigt. Die Dienstboten hatten es nicht so gut wie die Gäste, denn sie arbeiteten teilweise von sechs Uhr in der Früh bis zehn Uhr nachts und hatten weder Zimmerstunde, noch einen freien Tag. Die Ruinen des einstigen Prachtbaus wurden 1961 abgetragen, nur ein Teil ist am heutigen Zeltplatz noch erhalten. Die Fremdenverkehrs-Entwicklung wäre wahrscheinlich eine andere, wenn das Trafoi - Hotel nicht abgebrannt wäre. Es bleibt die Frage offen, ob dies ein Nachteil für Trafoi oder ein Gewinn, durch Erhalt der Ruhe ist. Aber auch heute wird Trafoi gerne besucht. Der Rad-Tourismus entwickelt sich gerade erst, das Stilfser – Joch ist ein anspruchsvolles, aber lohnendes Ziel für die Radler. Außerhalb der Saison allerdings ist es einsam im Dorf. Jene die im Tal draußen arbeiten, müssen täglich einen langen Weg auf sich nehmen. Hinzukommt, dass die Straße von und nach Trafoi immer wieder durch Murabgänge verschüttet wird und gesperrt ist, weshalb viele abgewandert sind. Eine neue Straße ist momentan in Bau. Auf der anderen Seite des engen Tals sollte sie von Muren verschont werden, doch kommt diese Maßnahme reichlich spät. [F] Persönlichkeit Ein Großer der Sportwelt ist mit Trafoi untrennbar verbunden. Es ist dies Gustav Thöni, der legendäre Schifahrer und mehrmalige Weltmeister. Olympisches Metall kam durch ihn in das kleine Dorf. Eines der Geheimnisse der Schilegende: wie das kleine Dorf blieb auch er immer bescheiden und umgänglich, eine wahre Größe, die nur wenige Berühmtheiten auszeichnet. Heute trainiert Thöni das Nationalteam, wohnt in Prad, kehrt aber immer wieder zurück zu seinen Wurzeln nach Trafoi, wo er schon als kleiner Knirps, der kaum laufen konnte auf Schiern stand. [/F]

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