Am 22. Oktober hatte der Pegelstand des Reschen-Stausees mit 1.478,05 Metern einen Tiefpunkt erreicht. Seit dem 23. Oktober steigt der Wasserstand wieder langsam, aber stetig an.
Letzte Ernte
Immer, wenn er dieses Bild zeigt, verzichtet Ludwig Schöpf auf jeglichen Kommentar.
Der Unglücksbus wird aus dem Wasser gezogen.
Franz Prieth, Andrea Maas, Wolfgang Thöni und Valentin Paulmichl.
Die Gedenkveranstaltung im Vereinshaus war gut besucht.
Erna Fritz Plangger, Walter (Ziri) Wolf, der nach der Seestauung zunächst nach Glurns kam, dann nach Kortsch und später endgültig in die Schweiz auswanderte, und Annelies Noggler Moret (v.l.) waren bei der ersten Vollstauung vor 71 Jahren 9 Jahre alt.

Zweifaches Gedenken

Seestauung und Busunglück vor 71 bzw. 70 Jahren bleiben unvergessen.

Publiziert in 35-36 / 2021 - Erschienen am 26. Oktober 2021

Graun/Reschen - Das gesamte Dorf Graun und ca. 80% des Dorfes Reschen versanken bei der ersten vollständigen Seestauung vor 71 Jahren im Wasser. Rund 70% der Bevölkerung wanderten ab oder aus, 163 Häuser und Städel wurden gesprengt, über 500 Hektar schönster Kulturfläche wurden vernichtet. An das tragische Kapitel der Seestauung und auch an das Busunglück, bei dem vor 70 Jahren 22 Menschen im Stausee ertranken, wurde am vergangenen Wochenende in Graun erinnert. „Mit dem Stausee haben wir auch heute noch große Probleme“, sagte Bürgermeister Franz Prieth bei der gut besuchten Gedenkveranstaltung am 23. Oktober im Vereinshaus in Graun. Er erinnerte u.a. an die Wasseraustritte in St. Valentin: „Die Hoader mussten heuer monatelang in Angst leben und viele Belastungen ertragen.“ Auch für die Gemeinde kam es zu großen Belastungen, man denke nur an das Kanalisierungsnetz bis hinunter nach Glurns.

Der Pegel steigt wieder an

Um das Problem an der Wurzel zu packen, werden in den Druckstollen, der einen Dorfteil von St. Valentin unterquert, Kunststoffrohre eingeführt (siehe Bericht auf den Seiten 14 und 15). Der Pegel wurde abgesenkt. Am 22. Oktober erreichte er einen Tiefstand von 1.478,05 Metern über dem Meer. „Gestern wurde die Hauptschleuse geschlossen. Nach der Entleerung des Stollens kann mit der Inspektion begonnen werden. Seit heute steigt der Pegel wieder“, informierte der Bürgermeister. Im Publikum saßen auch einige Zeitzeugen, die noch gut in Erinnerung haben, wie schön ihre Heimat vor über 70 Jahren war, als es zusätzlich zum Haidersee auch noch den natürlichen Reschensee und den Mittersee (auch Grauner See genannt) gab. Die für Kultur, Schule und Bildung zuständige Gemeindereferentin Andrea Maas sagte, dass die Seestauung für viele Menschen das Schlimmste war, was sie in ihrem Leben erlebt haben. Es sei gut, an dieses dunkle Kapitel zu erinnern und die Geschichte aufzuarbeiten, auch für die jüngere Generation: „Der Stausee ist da, wir müssen mit ihm leben.“ Einen besonderen Dank zollte Andrea Maas allen, die bei der Organisation der zwei Gedenktage beitragen haben, speziell dem Bildungsausschuss mit Wolfang Thöni, dem Museumsverein Graun mit Valentin Paulmichl, dem ehemaligen Lehrer Ludwig Schöpf sowie dem Pfarrgemeinderat von Graun. Beim Abend im Vereinshaus zeigte Ludwig Schöpf, der sich seit Jahrzehnten mit der Geschichte der Seestauung befasst und immer wieder den leider vergeblichen Einsatz des damaligen Dorfpfarrers Alfred Rieper gegen den Stauseebau würdigt, zum Teil neue Lichtbilder und Fotos der dunklen Jahre. Er erinnerte daran, dass man die Bevölkerung nicht informierte und über die Köpfe der Menschen hinwegfuhr. Zum Abkassieren seien immer alle Stauseebetreiber bereit gewesen, wie auch immer sie geheißen haben, „aber wenn es um das Thema Sicherheit ging, war keiner zu sprechen.“ Auch mit so manchen Missverständnissen und Fehlinformationen räumte Schöpf auf: „Es gibt keine neuen Dörfer, es gibt nur neue Häuser“, sagte er etwa. Dass der Turm der alten Grauner Pfarrkirche nicht gesprengt wurde und bis heute im Wasser steht, ist darauf zurückzuführen, dass er vom Staat als Kunstwerk angesehen wurde und es ein Verbot gab, Kunstwerke zu zerstören.

Nur eine von 23 Personen überlebte

Zum Busunglück, beim dem am 13. August vor 70 Jahren 22 Menschen den Tod fanden, hatte Valentin Paulmichl Filmmaterial, Fotos und Dokumente zusammenbetragen. Unter den Opfern, an die namentlich erinnert wurde, befanden sich viele Vinschger, darunter auch Kinder. Hilde Frötscher aus Dorf Tirol konnte als einzige Überlebende geborgen werden. Ihr Mann Florian Frötscher, Schumacher in Meran, ertrank. Unter den Opfern befand sich eine Frau, die zunächst nicht identifiziert werden konnte. Später stellte sich heraus, dass es sich um Maria Matzoll aus Ulten handelte. Ein Verwandter von ihr war aus Ulten zur Gedenkveranstaltung nach Graun gekommen. Auch aller Personen, die nach 1951 bei weiteren Unfällen im Stausee tödlich verunglückt sind, wurde gedacht. 1980 waren 6 Männer aus Graun mit einem Auto in den See geraten. Sie wurden am dritten Tag nach dem Unglück aus dem Wasser geborgen.

Offenes Museum

Das Museum in Graun wartete am Wochenende mit Tagen der offenen Tür auf. Auch im Museum stand das Gedenken an die Seestauung und an das Busunglück im Mittelpunkt. Zu den Höhepunkten gehörte am Sonntag ein feierliches Hochamt in der Pfarrkirche. Im Anschluss daran spielte die Musikkapelle Reschen auf.

Josef Laner
Josef Laner

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