Alte Bausubstanz: gemeinsamer Vorstoß
Auf ungenutzte Baukubatur, wie hier im Bild in Schluderns, stößt man in vielen Orten des Obervinschgaus.

Alte Bausubstanz: gemeinsamer Vorstoß

Publiziert in 13 / 2006 - Erschienen am 28. Juni 2006
Leer stehende Städel, seit Jahrzehnten unbewohnte Häuser, Schuppen, Brandstätten und Ruinen: In fast allen Haufendörfern von Laas aufwärts prägt ungenutzte, theoretisch aber wieder verwertbare und wertvolle Bausubstanz das Bild in den Ortskernen. Besonders krass ist die Lage in Schluderns. Dort könnten rund 90.000 Kubikmeter verbaut werden. Dieses Bauvolumen entspricht in etwa 200 Wohnungen. Um die alte Bausubstanz wieder einer Nutzung zuzuführen, sind laut dem Schludernser Bürgermeister Erwin Wegmann verbesserte Förderungsmaßnahmen seitens des Landes unerlässlich. „Eine Aussicht auf Erfolg besteht nur, wenn die betroffenen Gemeinden gemeinsam handeln,“ ist Erwin Wegmann überzeugt. Auf seine Initiative hin ist derzeit eine Arbeitsgruppe im Aufbau. Die Bezirksgemeinschaft Vinschgau trägt das Anliegen mit. Dies hat Bezirkspräsident Josef Noggler kürzlich auf einer Bezirksratssitzung bekräftigt. Als Paradebeispiele von Dörfern, in deren Ortszentren man auf Schritt und Tritt auf leer stehende Bausubstanz stößt, können neben Schluderns auch Prad, Stilfs, Taufers im Münstertal und andere Dörfer genannt werden. In der Arbeitsgruppe, der Erwin Wegmann vorsteht, sollen Vertreter der Gemeinden Schluderns, Laas, Prad, Stilfs, Mals, Taufers und Graun mitarbeiten. Glurns ist nicht dabei, weil dort schon früher Sanierungsprogramme umgesetzt wurden. „Wir möchten eine Diskussion auf breiter Ebene anstoßen, um auszuloten, welche Möglichkeiten geschaffen werden können, um die alte Bausubstanz wieder einer Nutzung zuzuführen, wobei ich ganz speziell an leer stehende Wirtschaftsgebäude und Häuser denke, die privaten Eigentümern gehören,“ sagt der Schluderns Bürgermeister. Die Verwaltungen der betroffenen Gemeinden von Laas aufwärts sind immer wieder gezwungen, den Bedarf an Bauland mit der Ausweisung neuer Erweiterungszonen zu decken. Nicht selten muss dabei landwirtschaftliches Grün herhalten. „In Schluderns zum Beispiel haben wir mittlerweile aufgrund der Erweiterungen im Osten und im Westen ein rund 3 Kilometer lang gezogenes Dorf. Das ist raumplanerisch nicht in Ordnung,“ ist Erwin Wegmann überzeugt. Neue Erweiterungszonen seien nur mehr jenseits der Bahngleise vorstellbar, zumal so genannte Inselflächen, sprich kleinere, bisher unverbaute Grundstücke, die bereits von Wohnzonen umgeben sind, mittlerweile fast schon zur Gänze genutzt sind. Die riesige Menge an leer stehender Bausubstanz hat zudem zur Folge, dass das Dorfleben zum Teil erlahmt. Bemühungen zur Nutzung alter Bausubstanz hatte auch Wegmanns Vorgänger Kristian Klotz mehrfach unternommen. Das Um und Auf einer zielführenden Lösung sieht Wegmann in verbesserten Förderungsmaßnahmen seitens des Landes. Die Forderungen sind klar. Zum einen soll das Land für zehn Jahre einen Sanierungsberater zur Verfügung stellen, der in allen Gemeinden, die es wünschen, tätig werden soll. Weiters sollte ein Zehn-Jahresprogramm erstellt werden, das für jeglichen, auch privaten Ankauf von wieder verwertbarer Bausubstanz einen 50-prozentigen Beitrag vorsieht wie es auch bei Erweiterungszonen der Fall ist. Worauf die betroffenen Gemeinden weiters drängen, ist eine rechtsgültige und brauchbare Aktionsbasis, um beispielsweise bei Untätigkeit der Eigentümer über einen bestimmten Zeitraum (zum Beispiel 10 Jahre) oder bei offensichtlichem Verfall der Gebäude einschreiten zu können, möglicherweise auch auf dem Weg der Enteignung. „In erster Linie geht es natürlich darum, die Eigentümer selbst mit ausreichenden finanziellen Anreizen zum Renovieren, Sanieren oder Verkaufen zu animieren,“ so der Schludernser Bürgermeister. Er glaubt, dass sich das Problem nur gemeinsam und nur mit finanziellen Anreizen und einer angemessenen Rechtshandhabe für die Gemeindeverwaltungen lösen lässt. Die Gemeinden können derzeit nur dann einschreiten, wenn es um Fragen der Sicherheit geht. Ein Problem, das für den Vinschgau typisch ist, stellt die Realteilung dar. Diese führt bei der Regelung komplizierter Miteigentumsverhältnisse nicht selten zu schier unüberwindbaren Hindernissen. Es kommt sogar vor, dass der Keller eines Objektes einer Person gehört, die Küche einer anderen und der Flur wieder einer anderen. Nicht selten liegen auch verzwickte, ungeteilte Eigentumsverhältnisse vor. Wegmann gibt aber auch zu bedenken, dass Eigentümer von leer stehenden Gebäuden zwar gewillt seien, zu verkaufen, dies aber zu Preisen, die einfach zu hoch seien. Die Gemeindeimmobiliensteuer ICI könne zwar als kleines Lenkungsinstrument eingesetzt werden, doch zum Verkauf der Gebäude führe die ICI in vielen Fällen dennoch nicht. Hand in Hand mit der Wiedergewinnung alter Bausubstanz könnte den Ortskernen auch wieder mehr Leben eingehaucht werden. Das Anliegen ist mittlerweile auch den höchsten politischen Vertretern auf Landes- und Bezirksebene zur Kenntnis gebracht worden. Dass das Problem auch der Bevölkerung stark unter den Nägeln brennt, zeigte sich unlängst in Schluderns im Zuge der seit Februar laufenden Vorarbeiten am „Leitbild für Schluderns.“ So war das Thema Wiedergewinnung alter Bausubstanz das wichtigste Anliegen, mit dem sich der Arbeitskreis „Lebensraum - Raumplanung“ auseinander zu setzen hatte. Zu den nächsten Schritten, die die Leitbild-Kontaktgruppe plant, zählen die Vorstellung eines Fragebogens sowie Informationsversammlungen für die Bürger. Michl Laimer dämpft Auf die Frage, ob die Gemeinden mit finanziellen Hilfen rechnen könnten, äußerte sich Michl Laimer, Landesrat für Raumordnung, zurückhaltend: „Wir in unserem Ressort sind für die Raumordnung und die Bauleitpläne zuständig und verfügen über keinen finanziellen Topf.“ Für einen Sanierungsberater werde das Land kein Geld bereitstellen. Er kenne das Anliegen der Gemeinden im Obervinschgau und sei sich des Problems bewusst. Laut Laimer müsse versucht werden, den Bauwilligen die Nutzung alter Bausubstanz schmackhaft zu machen: „Natürlich sind Sanierungen und Restaurierungen teuer, aber es gibt immer wieder auch Liebhaber, denen es viel wert ist, alte Gemäuer herzurichten und darin zu wohnen.“ Als „Druckmittel“ kann sich Laimer auch vorstellen, dass die Gemeinde keine neuen Zonen mehr ausweisen, sodass ein Zwang entsteht, zunächst die bestehende Kubatur zu nutzen. „Natürlich ist es besser, alte Bausubstanz wiederzugewinnen anstatt für jede Generation einen neuen Ring rund um die Dörfer zu schaffen.“ Als einen Sonderfall in der gesamten Diskussion wertet Michl Laimer das Dorf Stilfs. Dort sei ein Informationsabend mit dem Architekten Gion Caminada aus Graubünden geplant. Caminada ist Mitglied des Landesbeirates für Baukultur und Landschaft und hat sich in der Schweiz mit einem Ort befasst, der dem „Fall Stilfs“ ähnelt. Adolf Spitaler: „Mit Geld allein löse ich kein Problem“ „Das erste, was immer gefordert wird, ist Geld bzw. ein Beitrag,“ sagte Adolf Spitaler, Abteilungsdirektor des Amtes für Wohnungsbau, Würden Beiträge gewährt, „steigt immer auch der Preis“. Er kenne das Problem in den Obervinschger Gemeinden. Sobald die Wünsche und Forderungen auf dem Tisch liegen, werde darüber sicher zu diskutieren sein, doch an finanzielle Sonderförderungen glaubt er nicht. Es sollten vielmehr die Gemeinden selbst versuchen, Lösungen zu finden. „Mit mehr Geld allein lässt sich das Problem nicht lösen und Geld steht nicht unbeschränkt zur Verfügung.“
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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