Fast alles im „gelben“ Bereich

Auf die Bäume, fertig, los!

Publiziert in 30 / 2011 - Erschienen am 31. August 2011
Noch nie mussten die rund 1.800 Vinschger Obstbauern mit der Ernte so früh beginnen wie heuer. Bereits in Kürze läuft das Pflücken der Äpfel an, die von Hagelschäden betroffen sind. Aber wie steht es mit den Preisen der Ernte 2010? Mit welchen Mengen und welcher Qualität darf man heuer rechnen? Wie entwickelt sich der Markt? Antworten auf diese und weitere Fragen gab uns Sepp Wielander, der Geschäftsführer der VI.P (Vinschger Produzenten für Obst und Gemüse). „Der Vinschger“: Herr Wielander, sind die Lagerräume der 7 Obstgenossenschaften ALPE, GEOS, JUVAL, MEG, MIVOR, OVEG und TEXEL mittlerweile leer gefegt? Sepp Wielander: Unser „Abbauplan“ sieht vor, unseren Kunden 12 Monate im Jahr ­Äpfel aus dem Vinschgau anzubieten. Wir werden diesem Plan derzeit ziemlich genau gerecht. Allerdings haben die extreme Hitze der letzten Tage und Wochen sowie auch die wirtschaftliche Unsicherheit in Italien den Absatz etwas gebremst, sodass wir nun den Verkauf der Ernte einige Tage später als geplant abschließen werden. Wir sind aber überzeugt, dass bis Mitte September auch die Restbestände verkauft sein werden. Wie voll sind die Bankkonten der Apfelbauern, sprich wie waren die Auszahlungspreise 2010? Sepp Wielander: Von der Ernte 2010 sind zufrieden stellende Preise für die Produzenten zu erwarten, zumal die Preise im Vergleich zum Jahr davor doch um etwa 10 bis 15 Prozent höher sind. Trotzdem haben Produzenten und Vermarkter keinen Grund, Freudentänze aufzuführen, weil auch im Apfelsektor ein zögerndes Kaufverhalten der Kunden festzustellen ist. Auch wir bekommen zu spüren, dass im täglichen Einkauf ganz einfach mehr gespart werden muss. Wie stellt sich die Entwicklung der Auszahlungspreise in einem mehrjährigen Rückblick dar oder konkret: Wie viel ließ sich vor 20 Jahren aus einem Hektar Golden herausholen und wie viel heute? Sepp Wielander: Diese Art von Rechnung habe ich ehrlich gesagt noch nie gemacht, aber er ist auch ohne Statistik ganz klar, dass die Erlöse für die Produzenten in den vergangenen Jahren, gemessen an den Produktions- und Lebenshaltungskosten, wesentlich höher lagen als heute. Auch die Landwirtschaft ist von der allgemeinen wirtschaftlichen Rezession nicht verschont geblieben. Ich vermute, dass wir uns in den nächsten Jahren grundsätzlich mit noch niedrigeren Auszahlungspreisen werden anfreunden müssen. Einen der Hauptgründe dafür sehe ich in der Wirtschaftskrise in so manchen Absatzländern, die für uns wichtig sind, etwa Länder in Nordafrika, die in „normalen Zeiten“ für uns auch ein gutes Absatzpotential darstellen. War es schwierig, die letztjährige Ernte an den Mann und die Frau zu bringen? Sepp Wielander: Jedes Jahr hat seine Eigenheiten. Rein von der Nachfrage her war das abgelaufene Jahr bis zum Mai eher ein normales. Ab Juni gestaltete sich der Absatz aus mehrerlei Gründen etwas schwieriger, ich nenne etwa die Krisenstimmung in Italien und Spanien, die Unruhen und kriegerischen Umwälzungen in Nordafrika oder auch die launischen Wetterkapriolen. In welchen Ländern werden die meisten „Marienkäfer“-Äpfel gegessen? Sepp Wielander: An erster Stelle steht nach wie vor Italien, gefolgt von Deutschland, ­Spanien, Skandinavien, Osteuropa und  Nordafrika. Es hat in der Vergangenheit immer wieder geheißen, dass Ostländer oder auch China stark auf den Apfelmarkt drängen werden. Waren diese Befürchtungen fehl am Platz? Sepp Wielander: Es ist natürlich die tägliche Realität, dass die Ware der genannten Länder überall weltweit anzufinden ist und noch dazu mit wesentlich geringeren Preisen, weil die Produktionskosten entsprechend geringer sind. Unser Trumpf bleibt weiterhin die Güte unserer Äpfel und das Vertrauen der Konsumenten in unsere Produktionsweise, die sich noch immer stark von obgenannten Pro­duktionsländern abhebt. An Stammtischen heißt es nicht selten: Wirklich Geld haben heutzutage nur noch die Obstbauern. Sepp Wielander: Das ist ein Spruch, den ich überhaupt nicht nachvollziehen kann. Wir verkaufen ja keine Edelsteine, sondern Äpfel und nicht etwa im Paradies oder auf einem anderen Planeten, sondern an ganz normale Leute wie Sie und ich. Es gibt in jeder Berufskategorie besser und schlechter Verdienende. Ich kenne genügend Obstbauern, die ebenso schauen müssen, wie sie über die Runden kommen, wie eben manche Handwerker, Unternehmer oder Arbeitnehmer. Wie groß sind die heurigen Hagelschäden und welche Gebiete sind betroffen? Sepp Wielander: Etwas Hagel hat der gesamte Vinschgau abbekommen. Ohne genaue Abgrenzungen vorzunehmen, wage ich zu schätzen, dass insgesamt rund 25 Prozent unserer Anbauflächen mehr oder weniger betroffen sind.   Das Wetter spielt speziell in der Landwirtschaft eine wichtige Rolle. Heuer scheint der Reifeprozess ungewöhnlich früh begonnen zu haben. Wann ist mit dem offiziellen Ernteauftakt zu rechnen? Sepp Wielander: Die Ernte wird heuer in etwa um eine Woche früher beginnen als im langjährigen Durchschnitt. Das Pflücken der Sorte Gala ist bereits voll im Gange. Mit der Sorte Golden wird ab dem 12. September in den frühesten Lagen begonnen. Die Ernte der durch den Hagel verursachten Mostware wird schon ein paar Tage vor der Haupternte anlaufen. Ein Blick auf die Erntemengen der vergan­genen Jahre zeigt, dass 2009 mit über 372.000 Tonnen eine absolute Rekordmenge eingefahren wurde. 2008 waren es 311.000 und im Vorjahr 314.000 Tonnen. Wie viele werden es heuer sein? Sepp Wielander: Wir erwarten uns eine Erntemenge, die sich zwischen den Ergebnissen von 2009 und 2010 einreihen wird, also um die 350.000 Tonnen. Wie steht es mit der Qualität und Frucht­größe? Sepp Wielander: Gut, von den Hagelgebieten natürlich abgesehen. Der rotbackige Golden ist zwar nach wie vor das Aushängeschild der Vinschger Obstwirtschaft, doch der Anteil der roten Sorten ist nicht wesentlich gestiegen. Bräuchte es hier nicht ein bisschen mehr Mut, um den An­sprüchen des Marktes, sprich der Verbraucher, gerechter zu werden? Sepp Wielander: Richtig ist, dass wir uns eine breitere Palette im Sortiment wünschen. Ich glaube aber nicht, dass es an Mut fehlt, sondern oftmals an vernünftigen Alternativen. Am Ende wird dies der Markt regeln, da bei sinkenden Golden-Preisen eine Gegen­reaktion zu erwarten ist. Diese Frage muss insofern selbst eine Antwort finden. Ist der Anteil der Bioware - 2010 waren es ca. 20.000 Tonnen - noch ausbaufähig? Sepp Wielander: Ich denke schon, dass die biologische Produktion noch an Bedeutung zunimmt, jedoch wird auch diese Antwort in erster Linie vom Markt bestimmt werden. Können Sie in etwa beziffern, mit wie vielen Tonnen Obst in einigen Jahren aus den neuen Anbaugebieten im Obervinschgau zu rechnen ist? Sepp Wielander: Man kennt die obstbau­fähigen Flächen, doch ist es für mich unmöglich, eine Vorschau zu wagen. Die zu produzierende Menge und die Geschwindigkeit der Umstellungen stehen in direktem Zusammenhang mit der Einstellung der Grundbesitzer, mit den künftigen Erlösen aus dem Obst und nicht zuletzt mit der genossenschaftlichen Entwicklung im oberen Vinschgau. Die Vor­aussetzungen und das Potential sind vorhanden. Der Obst- und Gemüseanbau stellt auch eine reelle Alternative zur Viehhaltung dar. Die Diskussion rund um die Anbringung von Hagelnetzen flaut nicht ab. Wie ist Ihre Einstellung zu diesem Thema? Sepp Wielander: Jeder Produzent ist auch ein Unternehmer und als solcher muss er schon das Recht haben, seine Ernte vor Unwetter zu schützen und - wie alle anderen Sparten auch - das unternehmerische Risiko zu minimieren. Heuer war auch wieder ein Feuerbrand-Jahr. Wie stark war das Einzugsgebiet der VI.P betroffen? Sepp Wielander: Gott sei Dank hatten wir im Vinschgau weniger Befall als in den restlichen Gebieten Südtirols. Das darf aber keinesfalls dazu verleiten, leichtsinniger mit den empfohlenen agronomischen Maßnahmen umzugehen, da der Erreger sicher auch in unserem Gebiet immer noch vorhanden ist. Die MIVOR nimmt heuer erstmals ein Hochregallager in Betrieb, das erste dieser Art im Vinschgau. Werden noch weitere Genossenschaften diesem Beispiel folgen? Sepp Wielander: Ich denke, dass dies nun ein Pilotprojekt darstellt. Die Zeichen für weitere Lager dieser Art stehen gut, da durch ein Hochregallager eine bessere  Übersicht über die Verfügbarkeiten gegeben ist. Weiters können die Zu- und Abtransporte der gefüllten Großkisten kostengünstiger bewältigt werden. Das Thema eines Zusammenschlusses von OVEG und ALPE bewegt schon seit Jahren die Gemüter. Wie ist Ihre Einschätzung dazu? Sepp Wielander: Sicher ist das eine sehr wichtige Entscheidung. Ich denke, dass schlussendlich die beiden Genossenschaften alleine diese Entscheidung zu fällen haben und ich möchte daher keinen Einfluss ­nehmen. Ich wünsche mir nur, dass die Weichen - in welche Richtung auch immer - baldigst gestellt werden, auch im Interesse der heutigen freien Produzenten im oberen Vinschgau, die dann sicher eine Aufbruchstimmung erfahren werden. Die VI.P hat ein Leitbild und beschäftigt sich mit Zukunftsstrategien. Wo sollte der Obstbau im Vinschgau gemäß dem Leitbild in 10 Jahren stehen? Sepp Wielander: Das Wichtigste ist nach wie vor, die Zeichen der Zeit laufend zu erkennen und die entsprechenden Maßnahmen umgehend zu setzen. Ich halte wenig von theo­retischen Szenarien, die sich auf lange Sicht beziehen, denn dafür ist mittlerweile alles rund herum viel zu schnelllebig und unkalkulierbar. Eine Kritik, die man häufig hört - von Einheimischen ebenso wie von Gästen - ist jene, wonach das Tal immer stärker vom monotonen Apfelanbau geprägt ist. Wäre es nicht auch Ihnen lieber, zwischendrin eine Grünwiese zu finden, ein Kornfeld, Marillenbäume oder gar einen Golfplatz? Sepp Wielander: Sehen Sie, es ist leicht, als Tourist oder als „Nichtbauer“ eine Schlussfolgerung zu ziehen. Wir möchten wohl alle am liebsten keine Autos sehen, außer unsere eigenen, und auch keine Fabriken, außer jener, die uns den Arbeitsplatz sichert. Ich bin schon überzeugt, dass wir mit Rücksicht auf die Umwelt und auf unsere Mitbürger Obstbau betreiben. Selbstverständlich ist eine Sorten- bzw. Kulturenvielfalt, wie etwa Kirschen- oder Marillenanbau, nur zu begrüßen. Auch sehe ich überhaupt nichts Negatives an einem Golfplatz.   Interview: Sepp Laner * Das Interview wurde vor dem 26. August geführt. An diesem Tag hat ein Sturm teils heftige Schäden in Obstbauflächen im Gemeindegebiet von Prad angerichtet.
Josef Laner
Josef Laner

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