Aus „Lausoleum“ …
… wird Museum
Entlausungsschein
Dies Skulpturen, geschaffen von Hermann Haringer, veranschaulichen, wie es in der „k. u. k. Soldaten Reinigungsstation“ (im Militärjargon „Lausoleum“) zuging.
Im Obergeschoss kommen Kriegs-Persönlichkeiten zu Wort.
Im Sommer 2020 hatte sich das Badhaus auf Zufall noch so präsentiert.
Im Bild (v.l.): das wiederhergestellte Badhaus auf Zufall, das Gebäude, in dem während der Kriegsjahre die Sanitätsstation, die Schneiderei und Schusterei unterbracht waren und das seit dem Ende des Krieges als Schäferhütte dient, die Kapelle sowie die Zufallhütte.
Beim Austausch in der Zufallhütte.
Im Bild (v.l.): Dieter Pinggera, Laurin Kofler, Sebastian Marseiler und Manfred Haringer.

Badhaus mit neuer Funktion

Wo einst Soldaten entlaust wurden, wird jetzt gezeigt, unter welchen Bedingungen die Standschützen an der Cevedale-Front ausharren mussten.

Publiziert in 15 / 2022 - Erschienen am 30. August 2022

Martell - Alle vier Wochen mussten sich die Soldaten, die während des Ersten Weltkrieges an der Cevedale-Front im Einsatz standen, zur Entlausung melden. „Gereinigt“ wurde sie im Badhaus auf Zufall. Vom „Lausoleum“, wie die „k. u. k. Soldaten Reinigungsstation“ im Militärjargon hieß, waren über Jahrzehnte hinweg nur mehr Reste der Grundmauern übriggeblieben. In den vergangenen Jahren ist es gelungen, das Badhaus im Rahmen eines Leader-Projektes, eingereicht von der Gemeinde Martell, möglichst originalgetreu wiederherzustellen und in ein einzigartiges Museum zu verwandeln. Das Projekt „Badhaus Zufall“ ist nur eines von vielen Leader-Projekten, die im Vinschgau während der Leader-Periode 2014-2020, die um 2 Jahre verlängert wurde, zur Umsetzung kamen. Um auf die bereits durchgeführten Projekte zurückzublicken, auf noch geplante hinzuweisen und sich auf die neue Periode 2023-2027 vorzubereiten, hatten Dieter Pinggera, der Präsident der Bezirksgemeinschaft Vinschgau, und der Marteller Bürgermeister Georg Altstätter am 25. August nicht von ungefähr zu einer Wanderung zum wiederhergestellten Badhaus und zu einem anschließenden Austausch in der Zufallhütte eingeladen. Neben den Mitgliedern der Lokalen Aktionsgruppe (LAG) Vinschgau, die 2015 auf Initiative der Bezirksgemeinschaft für das Management der Leader-Programme gegründet wurde, wanderten auch fast alle Vinschger Bürgermeister und Bürgermeisterinnen über den Plima-Schluchtenweg auf den Zufallboden, sowie auch Landesrat Arnold Schuler, der Abteilungsdirektor des Amtes für Landwirtschaft, Martin Pazeller, der Geschäftsführer der GWR (Genossenschaft für Weiterbildung und Regionalentwicklung), Friedl Sapelza, Forstinspektor Georg Pircher und weitere Ehrengäste bzw. Beteiligte.

Mahnung für den Frieden

Zum Auftakt informierten Bürgermeister Georg Altstätter, der Sammler und ausgesprochene Kenner der Ortler-Cevedale-Front, Manfred Haringer, der Kurator der Ausstellung, Sebastian Marseiler, sowie Laurin Kofler, der das Ausstellungskonzept erarbeitet hat, über die Entstehung und Umsetzung des Projektes sowie über die Ausstellungsinhalte. Dort, wo während der Kriegsjahre von 1915 bis 1918 Standschützen von Flöhen, Läusen, Wanzen und Krätze befreit wurden, gewähren jetzt historische Fotos, Dokumente, Kriegsrelikte, Modelle, Schautafeln und kurze Lebensgeschichten ausgewählter Kriegs-Persönlichkeiten einen Einblick in zutiefst unmenschlichen Umstände und Bedingungen, unter denen die Soldaten jahrelang ausharren mussten. Sebastian Marseiler legte Wert darauf, weniger das eigentliche Kriegsgeschehen zu beleuchten, „sondern das Augenmerk mehr auf die äußerst schwierigen Lebensbedingungen und das Menschliche der Soldaten und auch der Frauen, die im Waschhaus auf Zufall beschäftigt waren, zu lenken.“ Was die Menschen an der Gebirgsfront durchmachen mussten, kann man sich laut Manfred Haringer kaum vorstellen. Einen Eindruck davon bekomme man, wenn man die Aufzeichnungen von einfachen Soldaten liest und nicht die Tagebücher der Offiziere. Im Badhaus mussten die Soldaten jeweils eine Dreiviertelstunde lang bis zum Hals in einem „Chemiebad“ - das Desinfektionspräparat setzte sich aus Petroleum, Benzin und anderen Stoffen zusammen - sitzen. Die Initiative, das Badhaus zu renovieren und für eine Ausstellung zu nutzen, geht übrigens auf den früheren Marteller Bürgermeister Erwin Altstätter und auf Manfred Haringer zurück. Das Badhaus soll jetzt mit seinen neuen Inhalten eine Mahnung für den Frieden sein und ein Ansporn, die Vergangenheit nicht zu vergessen, sondern lebendig zu erhalten. Die Gesamtkosten des Projektes bezifferte Georg Alstätter mit ca. 280.000 Euro.  Wie bei allen Leader-Projekten wurden die Kosten zum Großteil von der EU (Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums), dem Staat und dem Land bestritten, während die Restkosten der Projektträger übernahm, in diesem Fall die Gemeinde Martell. Gedankt wurde auch den ausführenden Firmen: „Die Niederwieser“ (Hoch- und Tiefbau) sowie „Fleischmann“ (Zimmerei - Holzbau).

Vorbildliche Umsetzung der Projekte

Verena Gufler, die am Sitz der Bezirksgemeinschaft federführend für die Abwicklung der Leader-Projekte zuständig ist, informierte in geraffter Form über bereits umgesetzte Projekte und über solche, die sich in der Umsetzung befinden bzw. im Zuge der laufenden Periode noch verwirklicht werden. Das Finanzierungsvolumen der Projekte 2014-2022 beläuft sich auf insgesamt ca. 3,5 Millionen Euro. Abgeschlossen wurden folgende Projekte: Optimierung der Warenannahme und Logistik in der Genossenschaft MEG (Martell), Entwicklung und Produktion hochwertiger regionaler Teigwaren (Südtiroler Kräutergold), Stilfserbrot (Agri Sielva Stilfs), Psurngasse Tanas, Umbau und Erweiterung der Schliniger Alm, Almenweg Martell, Marmor-Rundweg inklusive Beschilderung, Notunterstand mit Sanitäranlagen auf der Schleiser Alm, Erweiterung und Umgestaltung der Brugger Alm (beim Abschluss), Umbau und Erweiterung der Furgles Alm in Planeil (beim Abschluss), Hängebrücke über den Fallerbach, Wander- und Viehtriebweg zur Soy Alm (fast abgeschlossen), Ausweitung des Archaikweges Agums-Prad-Stilfs zu einem Rundweg (in Umsetzung), Badhaus Zufall, Restaurierung Kalkofen „Schmelz“ in Prad, „Kuahtrei“ und „Goaßtrei“ in Matsch sowie Trockenmauern bei den Polsterhöfen (Mals). Noch auszuführen sind vor allem folgende Projekte: Aufwertung der Zubringer- und Verbindungssteige zum Marmor-Rundweg, Umbau der Schlanderser Alm, Erneuerung des Tourismusinformationszentrums Trattla sowie digitale Info-Säulen in der Ferienregion Latsch-Martelltal, Seilhängebrücke über den Saldurbach als Zugang zum Ganglegg (Schluderns), archäologische Wanderwege (Schnalstal und gesamter Vinschgau), Folgeprojekt am Kalkofen Prad, Restaurierung der 4 Katakombenheiligen in Schluderns, Trockenmauern in Allitz (Augasse), Studie für Inwertsetzung des Göflaner Alpbruchs, Online-Plattform für den Vertrieb bäuerlicher Qualitätsprodukte, Transhumanz Schnalstal-Ötztal, Sanierung der alten Stadtmühle Glurns, Modellregion Obervinschgau (nachhaltige Entwicklung und Schaffung von Wertschöpfungspartnerschaften) sowie Sanierung der alten Mühle Vallatsches (Stilfs).

Rund 3 Millionen Euro für neue Periode

Dieter Pinggera gab sich überzeugt, „dass die Fördermittel aus dem Leader-Topf im Vinschgau sehr gut eingesetzt wurden.“ Es sei gelungen, fast im ganzen Tal eine Reihe sinnvoller Kleinprojekte umzusetzen. Auch Landesrat Arnold Schuler sprach von „vielen tollen Projekte, die im Vinschgau vorbildhaft verwirklicht wurden.“ Das Besondere an Leader sei, „dass die Projekte nicht vorgegeben werden, sondern von unten wachsen.“ Zumal es in anderen Gebieten des Landes, speziell im Pustertal, bei der Nutzung der Fördermitteln teils ungute Entwicklungen gegeben habe, werde man die Förderkriterien neu ausrichten müssen. Grundsätzlich sollen in Zukunft vermehrt größere und auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Projekte gefördert werden, die eine bestimmte Strahlkraft haben. Im Hinblick auf die neue Förderperiode, die aufgrund der 2-jährigen Verlängerung der bisherigen Periode nicht auf 7, sondern nur auf 5 Jahre ausgelegt wird, kündigte Schuler an, dass der Vinschgau mit einer Fördersumme in Höhe von ca. 3 Millionen Euro rechnen könne. Bei der Diskussion wurde mehrfach betont, dass die Umsetzung kleinerer Projekte nicht durch den Rost fallen dürfe. Friedl Sapelza regte an, für Kleinprojekte einen eigenen gemeinsamen Fördertopf ins Auge zu fassen: „Wir wollen nicht Berater mästen, sondern Projekte umzusetzen.“

Josef Laner
Josef Laner

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