4 Cent weniger als die Nachbarn: ORTLER-Obmann nach harten Angriffen zurückgetreten
Thomas Holzner ist als Obmann der Obstgenossenschaft ORTLER zurückgetreten.

„Bauernopfer“ wegen 4 Cent weniger pro Kilo

Publiziert in 25 / 2006 - Erschienen am 2. November 2006
Latsch – Ein wohl unrühmliches Kapitel in der Geschichte der Obstgenossenschaft ORTLER in Latsch wurde am 20. Oktober geschrieben. Der Vorstand hatte die Mitglieder zu einer Versammlung eingeladen, um über die Auszahlungspreise 2005 zu informieren. Einige Mitglieder nahmen den Obmann Thomas Holzner, weitere Vorstandsmitglieder und den Geschäftsführer Hubert Unterweger auf ­Schärfste unter Beschuss. Es fielen harte Worte. Besonders derb wurden der Obmann und der Geschäftsführer angegriffen. Der Obmann ist später unwiderruflich zurückgetreten. Der Hauptgrund für den Aufruhr war offenbar die Tatsache, dass die ORTLER im Vergleich zur Nachbargenossenschaft MIVO für das Erntejahr 2005 für ein Kilo Äpfel um durchschnittlich 4 Cent weniger ausgezahlt hat. Die teils heiß erzürnten Mitglieder warfen dem Vorstand unter anderem vor, zu wenig Weitsicht an den Tag gelegt zu haben. Weiters seien die Betriebskosten zu hoch ausgefallen, so etwa die Stromkosten. „Wir wollten den Mitgliedern auf der Versammlung alle Daten und Fakten genau vorlegen, aber es wurde uns zum Teil gar nicht mehr zugehört,“ sagte Thomas Holzner dem „Vinschger“ auf Anfrage. Er habe den Eindruck gewonnen, als hätten sich im Vorfeld der Versammlung in jeder Fraktion einige „Schreier“ darauf geeinigt, „besonders mich als Obmann zur Schnecke zu machen.“ Es seien Vorwürfe und Anschuldigungen tief unter der Gürtellinie geäußert worden. Dies wurde dem „Vinschger“ von Mitgliedern, die der Versammlung beigewohnt haben, bestätigt. Auch außerhalb der Versammlung hat es persönliche Angriffe gegen den Obmann gegeben, die bis hin zum Telefonterror reichten. Auf die Frage, warum die 270 ORTLER-Mitglieder, die auf rund 575 Hektar jährlich über 30.000 Tonnen Äpfel ernten, heuer weniger Geld im Sack haben als die Mitglieder der MIVO, gibt es laut Thomas Holzner klare Antworten. So seien die Abschreibungen im Vergleich zur MIVO um 1,5 Cent pro Kilo höher gewesen. Ebenfalls um 1,5 Cent höher seien im Vorjahr die Betriebskosten ausgefallen, zu denen unter anderem auch die Stromkosten gehören. Angesichts dieser Tatsachen schrumpfe die 4-Cent-Differenz auf einen Cent zusammen. „Vorwürfe, wonach Fehler in der Vermarktung, also im Verkauf passiert seien, sind daher völlig unbegründet,“ ist Thomas Holzner überzeugt. Für das Erntejahr 2005 haben die Obstbauern im Vinschgau im Durchschnitt einen Nettopreis zwischen 35 und 36 Cent pro Kilo erhalten, also etwas mehr als im Jahr zuvor, wobei die Auszahlungspreise laut VI.P-Direktor Josef Wielander natürlich von Genossenschaft zu Genossenschaft unterschiedlich sind. Für die Mitglieder der ­ORTLER lag der Durchschnittspreis 2005 bei 33,7 Cent. Es gibt aber auch Genossenschaften im Tal, die weniger ausgezahlt haben. Laut Thomas Holzner habe die ORTLER in der Vergangenheit bereits Spitzenpreise ausgezahlt, in den vergangenen zwei Jahren sei der Auszahlungspreis etwas schwächer gewesen, „wir sind aber trotzdem noch lange nicht unter den Schlechtesten.“ Der nunmehrige Ex-Obmann erinnert auch daran, dass die ORTLER in den letzten 3 Jahren rund 17 Millionen Euro investiert hat. Die Genossenschaft brauche angesichts der neuen Arbeitsräume, der hochmodernen Maschinen­ausstattung, der Lagerkapazität und des Kistenvorrates keinen Vergleich mit einer anderen Genossenschaft im Tal zu scheuen. Der Vorstand habe sehr wohl weitsichtig und im vollsten Interesse der Mitglieder gehandelt. Der Vorwurf mangelnder Voraussicht schmerzt ihn ganz besonders, zumal die ORTLER die einzige Genossenschaft im Vinschgau ist, die ab dem 1. Jänner 2007 Strom aus Sonnenenergie erzeugen wird. Die 850 kW-Anlage ist bereits gebaut. Auf einer Fläche zwischen 8.000 und 10.000 Quadrat­meter wurden auf den ORTLER-Dächern Solarzellen angebracht. Die Investitionskosten in Höhe von rund 4 Millionen Euro können laut Holzner problemlos hereingeholt werden. Die Genossenschaft kann den Solarstrom selbst nutzen bzw. in das E-Werk Latsch einspeisen. Für den Stromverkauf gibt es für 20 Jahre einen fixen Erlös, der sich auf etwas mehr als 50 Cent pro kW beläuft. Bei der zu erwartenden Jahresproduktion von rund einer Million kW dürften daher pro Jahr über 500.000 Euro hereinkommen. Finanziert wurde die Anlage mit einem Darlehen. Die Raten können mit einem Teil der Einkünfte aus dem Stromverkauf gedeckt werden. Die ORTLER steht laut Holzner auch insgesamt sehr gut da, sie habe kaum Schulden. Thomas Holzners Rücktritt ist endgültig. Er ist enttäuscht und verbittert. 12 Jahre lang war er Obmann der ORTLER. Vorher hatte sein Vater Josef die Genossenschaft seit der Gründung im Jahr 1960 für 34 Jahre als Obmann geführt. Der Rücktritt fällt übrigens in eine denkbar ungünstige Zeit, denn Ende November sollen alle Mitgliedsgenossenschaften der VI.P über das neue VI.P-Verkaufskonzept abstimmen. Es geht dabei vor allem darum, dass die Äpfel aus dem Vinschgau künftig sozusagen über einen Tisch verkauft werden sollen. Die Auszahlungspreise werden dennoch weiterhin unterschiedlich sein, aber nur mehr aufgrund der Qualität der Ware und aufgrund der Höhe der Betriebskosten der einzelnen Genossenschaften. Am 26. Oktober hat sich der Vorstand zu einer Sitzung getroffen. Bis zur Obmann-Neuwahl übernimmt der Obmann-Stellvertreter Alexander Janser die Amtsgeschäfte des Obmannes. Zu einer Stellungnahme waren nach der Sitzung weder Janser noch weitere Vorstandsmitglieder und auch nicht der Geschäftsführer bereit. Fest steht, dass bei der Mitgliederversammlung am 24. November sowohl die Neuwahl des Obmannes als auch jene des Stellvertreters und der weiteren Vorstandsmitglieder auf der Tagesordnung stehen.
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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