„Da steckt noch viel Potenzial drin“
Publiziert in 28 / 2011 - Erschienen am 20. Juli 2011
Nach dem Zwangsabgang des Zöllners kam die Regentschaft des Lehrers. Seit Mai 2010 sitzt Heinrich Noggler im Bürgermeistersessel von Graun und macht gut und schlecht Wetter im Oberland. In der Überzeugung, dass noch viel Potenzial in der Gemeinde steckt und im Vertrauen auf ein Tourismusentwicklungskonzept will Bürgermeister Noggler seine vier Fraktionen zum Blühen bringen.
von Günther Schöpf
„Der Vinschger“: Immer noch Lust am Regieren im Oberland?
Heinrich Noggler: Immer noch. Es macht sehr viel Spaß und ist abwechslungsreich, wenn’s auch manchmal nicht einfach ist.
In einem Interview wurde das Wirtschaftsstudium als Hilfe zum Einstieg in das Bürgermeisteramt erwähnt. Was war das Thema?
Heinrich Noggler: Ich habe über die touristische Entwicklung des Vinschgauer Oberlandes geschrieben. Ich bin mit dem Thema aufgewachsen und hab immer mit Gästen zu tun gehabt. Es ist ein ganz wichtiges Thema bei uns. Wir arbeiten gerade an einem Tourismusentwicklungskonzept. Am Freitag (15. Juli) hatten wir das erste Treffen….
Im Februar hat’s noch geheißen, dass am 15. März das erste Treffen mit Kohl & Partner stattfinden soll?
Heinrich Noggler: Das waren erste Aussprachen nur mit dem Ausschuss. Jetzt kam es zum ersten Treffen der Arbeitsgruppe. Dort sitzen Vertreter aller Organisationen, die mit Tourismus etwas zu tun haben und kritische Bürger, die sich einbringen wollen. In maximal einem dreiviertel Jahr muss die Gruppe Themen und Schwerpunkte aufzeigen, aber auch Maßnahmen, die praktisch umgesetzt werden können. Studien haben wir viele und schöne.
Zum Beispiel zur unendlichen Geschichte Zusammenschluss der Skigebiete.
Heinrich Noggler: In der Frage der Zusammenarbeit der Skigebiete sind wir auf einem guten Weg. Wir haben mit den Verwaltungsräten Haideralm und Schöneben schon Workshops gemacht und ich muss sagen, da waren beide Verwaltungsräte fast immer vollzählig mit ihren Steuerberatern anwesend. Die Sitzungen mit Alois Kronbichler haben nicht nur eine Stunde gedauert, sondern ganze Nachmittage. Die Verwaltungsräte der beiden Gesellschaften stehen einem Zusammenschluss der Skigebiete gesellschaftsmäßig und skitechnisch positiv gegenüber. Die große Frage ist jedoch die Finanzierung. Jetzt soll ein Wirtschaftsberater einen Businessplan erarbeiten und ausrechnen, ob die neue Gesellschaft überhaupt imstande ist, die angedachten Investitionen für einen skitechnischen Verbund finanziell zu bewältigen.
Da gibt’s ja den bekannten Brief vom Landeshauptmann an ihren Vorgänger.
Heinrich Noggler: Ja, der Landeshauptmann hat meinem Vorgänger für einen Zusammenschluss der beiden Gesellschaften einen Beitrag von 75 Prozent zugesichert. Diesen Beitrag hat der Landeshauptmann auch mir gegenüber bestätigt. Man muss aber sagen, das wären 75 Prozent für die neuen Lifte. Wenn wir zusammen schließen, dann brauchen wir Pisten, dann bauen wir weitere Beschneiungsanlagen, wir müssen Schneekatzen ankaufen und so weiter. Für das alles bekommen wir viel weniger, also würde die Förderung maximal 50 Prozent ausmachen.
Seid ihr nicht eine reiche Gemeinde, die durch die Beteiligung an der Konzession am Reschensee kassiert?
Heinrich Noggler: Das würde ich nicht sagen. Wir sind flächenmäßig eine der größten Gemeinden Südtirols. In den vier Fraktionen haben wir alle öffentlichen Strukturen – ausgenommen die Mittelschule - mal vier zu berechnen und wir haben ein riesiges Straßennetz.
Dann zahlen die Oberländer günstigere Stromtarife?
Heinrich Noggler: Ja, wir haben die EGO, die Energiegenossenschaft Oberland, und wir bekommen auch die Rechnungen von der EGO gestellt. Diese muss aber die Miete für die Leitungen bezahlen und kann daher nicht so günstig sein wie sie möchte. Wir haben tatsächlich einen günstigen Tarif, vielleicht nicht so wie die Prader, aber sicher günstiger als viele andere Vinschger Gemeinden.
Zu den Fraktionen. Es gibt in Ihrer Heimatfraktion einen wunderschönen See und die Schuljugend in Containern. Wie geht’s in St. Valentin weiter?
Heinrich Noggler: Der Haidersee ist eine der schönsten Naturseen Südtirols und daher liegt noch viel Potential darin. Der letzte Abschnitt des Rundweges um den Haidersee ist abgelöst und wird begehbar gemacht. Der Schulneubau ist mittlerweile in Angriff genommen worden. Rekurse und Gegenrekurse sind über die Bühne. Allerdings haben wir ein Jahr verloren.
Sind die vielen Maßnahmen und Pläne am „großen See“ umgesetzt? Man sprach von einer neuen Schiffsanlagestelle für die „Hubertus“, aber sie liegt noch auf dem Trockenen.
Heinrich Noggler: Wir warten jeden Tag auf die Kommission des Motorisierungsamtes, welche das Schiff kollaudieren muss, da dies für Schiffe von über 10 Metern Länge vorgeschrieben ist. Inzwischen hat ein Schiffshandwerker aus Novara das Schiff gründlich überholt.
Und wann kann man eine Regatta auf dem Reschensee erleben?
Heinrich Noggler: Ja, der See wäre geeignet. Wir werden versuchen in dieser Hinsicht etwas zu unternehmen, da uns ein Schweizer Segelclub darauf aufmerksam gemacht hat.
Nun zur „Geistersiedlung“ an der Grenze. Was gedenkt die Gemeinde dort zu tun?
Heinrich Noggler: Natürlich müssen wir uns überlegen, was aus dem Areal gemacht werden könnte. Außerdem ist dort das Land Grund-Besitzer. Wichtiger erscheint uns aber das Areal um den Grauner Turm.
Ist dort nicht schon alles hergerichtet und saniert?
Heinrich Noggler: Der Turm schon, aber dort können wir an sich nichts bieten. Durch den automatischen „Fotopoint“ wissen wir, dass sogar im Winter, wenn alles geschlossen hat, viele Leute dort anhalten. Da gehört etwas gemacht. Uns schwebt vor, dass wir dort so etwas wie eine zentrale Anlaufstelle für Touristen einrichten, eventuell das abgelegene Grauner Museum dort integrieren oder auch mehr Kaufstände zulassen. Dort liegt meines Erachtens noch viel Potenzial.
Sagen Sie mir lieber, wie viel Potenzial im „Toul“, in Langtaufers, steckt.
Heinrich Noggler: Ich muss halt immer auf das Tourismusentwicklungskonzept verweisen. Derzeit gibt es dort ein Skigebiet. Aber es zirkuliert nach wie vor das Gerücht, die Gemeindeverwaltung sei gegen einen Zusammenschluss mit dem Kaunertal. Da muss ich ganz klar sagen, überhaupt nicht. Es hat nur immer geheißen vom Landeshauptmann, alle müssen dafür sein. Die drei Skigebiete ebenso wie die Bewohner. Es sind schon Versammlungen gemacht worden, mit allen Betroffenen und Interessierten und man hat sich das Projekt der Innsbrucker Firma I.n.n. ( „ingenieurbüro f naturraum-management GmbH Co i.n.n“) vorstellen lassen. Aber man ist sich nicht einig gewesen und außerdem hat die ganze Finanzierung gefehlt. Für uns hat eine Lösung für die Skigebiete Haideralm und Schöneben derzeit Vorrang, bevor wir – die einzige Gemeinde mit drei Skigebieten - ein viertes aufbauen. Aber das heißt nicht, dass das Projekt versenkt ist.
Und was geschieht mit Maseben?
Heinrich Noggler: Die Gemeinde ist bei der Betreibergesellschaft nicht mehr dabei. Wir hoffen aber, dass der Hansi mit seinem Investor das Skigebiet weiterhin betreiben wird.
Lässt sich das Skigebiet mit einem sanften Tourismus in Langtaufers vereinbaren?
Heinrich Noggler: Sicher. Maseben ist klein und familienfreundlich. Viele mögen es. Leider ist Maseben nicht im Skiverbund mit Hoaderalm, Schöneben und Nauders. Deswegen fährt auch kein Skibus hin. Scheinbar sei die Anbindung schon einmal abgelehnt worden. Jetzt sind aber Langtauferer vorstellig geworden. Ich fände eine Anbindung schon sinnvoll. Wenn man sieht, was in Schlinig oder Martell geschehen ist… Man kann diese als Vorbilder sehen. Eine große Wertschöpfung bringt aber sicher die Erlebnisschule, mit der viele Betriebe gut zusammen arbeiten.
Ist die Zusammenarbeit zwischen den Fraktionen jetzt besser?
Heinrich Noggler: Anhand der beiden Liftgesellschaften sieht man, dass sich darin schon Einiges zum Besseren entwickelt hat. Sicher, der Weg ist nicht zu Ende. Man hört schon, dass es heißt, es geht nichts weiter, aber ich bin der Meinung, dass man erst an die Öffentlichkeit gehen soll, wenn man alle Informationen hat. Sonst zerredet man so ein Projekt, bevor es begonnen hat.
Was ist für den Bürgermeister wesentlich zur wirtschaftlichen Sicherstellung seiner Gemeinde?
Heinrich Noggler: Wesentlich ist der Tourismus. Sonst haben weder Landwirtschaft, Handel, noch Handwerksbetriebe wirklich Chancen. Wir haben nun mal keine Äpfel.
Ebenfalls im Konzept zu behandeln gilt es die Verkehrsfrage. Viele Tourismusbetriebe liegen an der Straße und wenn man Urlaub machen möchte, bucht man nicht an einer Straße.
Ist hier was unternommen worden?
Heinrich Noggler: Noch nicht. Man hat zwar schon unter der alten Verwaltung über mögliche Umfahrungen nachgedacht. Wichtig wäre aber, geeignete Umfahrungen bauleitplanmäßig einzutragen, damit nicht durch bestimmte Bauvorhaben diese zunichte gemacht würden.
Das Glück der Gemeinde scheint allein vom Tourismus-Konzept abzuhängen. Hat der Herr Bürgermeister die Windräder zu konsequent bekämpft und damit Möglichkeiten zur alternativer Energiegewinnung verhindert?
Heinrich Noggler: Ich bin nie gegen Windkraft gewesen und schon gar nicht gegen Alternativenergie. Es ging bei den Windrädern einfach um den Standort. Zudem ist man immer unter Ausschluss der Bevölkerung vorgegangen und hat Versprechungen abgegeben, die einfach nicht eingehalten worden sind. Dass wir nicht untätig sind im Erschließen neuer Energiequellen, beweisen die Gespräche mit EGO und Fraktion Langtaufers über ein weiteres Wasserkraftwerk am Karlin-Bach und der Auftrag an Ingenieur Benno Tibolla für eine Studie über ein weiteres Fernheizwerk in Langtaufers. Die Versorgung von Graun hängt mit dem Schwimmbad zusammen, das ebenfalls im Tourismuskonzept berücksichtigt werden muss.
Welche Rolle spielt die Opposition?
Heinrich Noggler: Im Gemeinderat haben wir allgemein eine gute Kommunikation. Ich habe keine Probleme mit der Opposition zu reden. Ich glaube die Opposition hat eine wichtige Funktion, denn in einer Demokratie ist für die Bürger die Kontrolle beruhigend.
„Der Bürgermeister ist immer noch Schulmeister“
Auf die Frage, wie er den Übergang von der Ära Albrecht Plangger zur Ära Heinrich Noggler erlebt habe, meinte Gemeinderat Heinrich Thöni (im Bild) aus St. Valentin: „Vom Übergang bin ich schon sehr enttäuscht. Ich hab mir gedacht, jetzt kommt ein neuer Wind, jetzt geht es ein wenig anders zu. Aber es ist nichts passiert. Ich kann nichts Negatives sagen, aber auch nichts Positives. Einfach nichts.“ Der gelernte Koch, Campingbetreiber, ehemalige Präsident des Tourismusvereines, Gemeinderat der bürgerlichen Wirtschaftsbewegung „W.I.R.“ von 2005 bis 2010 ist seit Mai des letzten Jahres Sprecher einer freiheitlichen Drei-Mann-Opposition zusammen mit dem technischen Zeichner Thomas Oberhofer aus Graun und dem Elektriker Jürgen Schöpf aus Reschen. Thöni war um Objektivität bemüht, wollte negative Kritik und Einzelthemen vermeiden und landete schließlich bei der Aussage: „Ich muss so sagen, er macht seine Arbeit, aber ich habe bis jetzt nichts Neues gesehen. Von den wesentlichen Sachen haben wir bis heute nichts auf den Tisch bekommen“. Was für Heinrich Thöni wesentlich sei? Gemeinderat Thöni wollte nur eine allgemeine Aussage machen. „Sicher werden ein paar Dinge kommen, so das Tourismuskonzept. Ich bin nicht unzufrieden. Er macht seine Arbeit. Ich höre und sehe aber nichts. Wenn er etwas nicht will, ist er kurz angebunden und sagt ‚Wir haben andere Prioritäten‘. Fertig. Die Atmosphäre ist lähmend für uns Gemeinderäte, seine Referenten könnten sich aber durchaus wohl fühlen. Ich glaube, sie haben mehr Spielraum. Wir haben uns viel vorgenommen, aber er meint immer noch, Schüler vor sich zu haben. Es ist Distanz angesagt bei uns im Gemeinderat.“
Günther Schöpf