Es sind noch Tische frei!
Roland Thöny führt seit 17 Jahren das im Obervinschgau bekannte Lokal „Lollo“ und hat die Entwicklung im Gastgewerbe hautnah erlebt.

Darf ein Gastwirt noch Gastwirt sein?

Publiziert in 20 / 2010 - Erschienen am 27. Mai 2010
Die Touristiker haben sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer wieder an einschneidende Gesetzesvorgaben aus Rom anpassen müssen. Angefangen bei den drakonischen Strafen, was das Alkoholverbot anbelangt, bis hin zur Revolution des Nichtrauchergesetzes. Aktuell haben Hoteliers- und Gastwirte alle Hände voll damit zu tun, Gesetze einzuhalten. Sei es bei den so genannten Hygienebestimmungen HACCP, bis hin zu den aufwendigen Datenschutzbestimmungen. Ein Gastwirt tut sich deshalb heutzutage schwer, seinen wahren und eigentlichen Aufgaben überhaupt noch nachzugehen. Speziell von Schlanders in Richtung Reschen ist ein Gasthaussterben nicht mehr von der Hand zu weisen. Veränderte Konsumgewohnheiten, hohe Personalkosten und eine nicht enden wollende Bürokratie machen es einem Wirt heutzutage wirklich nicht leicht, wirtschaftlich zu überleben. Nachgefragt beim Gastwirt des Lokals „Lollo“ in Mals Seit 17 Jahren führt Roland Thöny das Lokal „Lollo“ am Dorfeingang von Mals. Der bekannte Gastwirt hatte von jeher mit einem Publikum aller Altersklassen zu tun, kennt somit auch genauestens die Veränderungen der Zeit, auch was das Gästeverhalten anbelangt. „Früher zirkulierten die Leute meiner Meinung nach mehr, am Mittwoch war mein Lokal beispielsweise immer bis auf den letzten Platz gefüllt, danach fuhren die Nachtschwärmer meistens noch weiter nach Latsch in die Diskothek „Treindler“ – Handwerker, Studenten ecc. teilten somit die Woche und waren viel mehr in den Gaststätten unterwegs“, erinnert sich Roland zurück. Natürlich sehen die Hoteliers und Gastwirte auch das gesunkene Konsumverhalten der Bevölkerung mit Sorge. Die hohen Verkehrskontrollen, aber vor allem schon die drakonischen Strafen bei einer minimalen Überschreitung des gesetzlich vorgeschriebenen Alkohollimits und der damit verbundene Entzug des Führerscheins. Mit Konsum soll aber nicht nur der Alkoholgebrauch oder sogar Missbrauch verstanden werden, das zurückgegangene Konsumverhalten ist mittlerweile sicherlich auch eine Geldfrage. „Der Verbrauch von Speisen und Getränken wird oftmals nicht mehr öffentlich betrieben, sondern im privaten Umfeld, unter Freunden. Weiters konzentriert sich das Konsumverhalten heutzutage eher nur mehr auf das Wochenende“, weiß der Malser zu berichten. Viele Stunden, die ein Gastwirt unter der Woche im Lokal verbringt oder dafür Personal beschäftigen muss, stehen oft in keinem Verhältnis zu den geringen Einnahmen an den normalen Werktagen. Ein guter Standort des Betriebes ist mittlerweile das A und O, da die Leute heute meistens nicht mehr gewillt sind, längere Fahrten für ein Essen oder ein Treffen mit Freunden in Kauf zu nehmen. „Im Zeit­alter von Facebook & Co. wird nicht mehr nur über das Handy kommuniziert, es ist mittlerweile nicht mehr so modern, sich in einer Bar zu treffen, heute stellt man den Kontakt beliebig von zu Hause aus mit allen möglichen Bekannten im In- und Ausland her und hat seine Ruhe von der so genannten Überwachungsgesellschaft“, stellt „Lollo“ fest. Die Einführung des Euro hat sich auf das Gastgewerbe nicht unmittelbar, aber dennoch in den folgenden zwei bis drei Jahren ausgewirkt. Der Einkauf der Getränke stieg unaufhaltsam an, sodass die früheren Preise in Lire aktuell in Euro zu berappen sind. Diese Preissteigerungen wirken sich wie anderswo auch schlussendlich wieder einmal indirekt auf den Endkonsumenten aus, während sich in der Lohntüte der Beschäftigten nicht allzu viel getan hat. „Hier muss man vor allem die Jugendlichen und Eltern verstehen, es ist einfach alles knapper geworden. So ist es auch nicht verwunderlich, dass sich Teenager oftmals Mixgetränke mit in die Lokale nehmen. Vor einigen Jahren war ein solch breites Angebot in den jeweiligen Geschäften auch noch nicht vorhanden, somit gehen uns Gastwirte diese Gelder sicherlich ab“, so Roland Thöny. Ein sehr heikles Thema, vor allem in den Nichtbeherbergungsbetrieben, war vor einigen Jahren das umstrittene Rauchergesetz. „Die ersten ein bis zwei Jahre waren sehr enttäuschend für mich, die Leute wollten dieses Gesetz nicht akzeptieren, das Geschäft ist zumindestens bei mir sehr stark zurückgegangen. Für zusätzliches Unverständnis hat die Einführung von Raucherräumen in Lokalen geführt, das hat dann die Betriebe noch einmal zusätzlich aufgeteilt. Rückblickend wäre es vielleicht sinnvoll gewesen, die Leute entweder Rauchen zu lassen oder ein Rauchverbot ohne Ausnahmen zu verhängen. Mittlerweile hat sich ein gewisses Verständnis für dieses Gesetz auch in den Reihen der Raucher entwickelt, Hut ab vor meinen Kunden, die das mittlerweile gebilligt haben“, sagt „Lollo“ abschließend gegenüber dem „Vinschger“. Im Gespräch mit dem HGV-Verbandssekretär des Bezirkes Meran/Vinschgau, Helmuth Rainer, wurde über die Veränderungen in Sachen Tourismus im Laufe der letzten Jahre gesprochen und dabei versucht, verschiedenste Aspekte aufzugreifen. „Der Vinschger“: Wie haben Sie als Verbandssekretär des Hoteliers- und Gastwirteverbandes die Entwicklungen in ­Sachen Tourismus in der gesamten Talschaft des Vinschgaus miterlebt? Helmuth Rainer: Durch den starken Konjunkturanstieg in den achtziger und neunziger Jahren, gekoppelt mit dem teilweise enormen Währungsvorteil gegenüber der damaligen Deutschen Mark, sah man vor allem im Untervinschgau, wie sich die Beherbergungsbetriebe konstant quantitativ erweitern konnten. Diesbezüglich ist zu erwähnen, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen dazu beigetragen haben, dass sich diese Betriebe so gut entwickeln konnten. Durch die damals noch funktionierenden Landesförderungen im Bereich Tourismus konnte die Qualität der jeweiligen Gaststätten noch zusätzlich gesteigert werden. Wieso steht aktuell vor allem der Ober­vinschgau touristisch keineswegs so gut da wie etwa der untere Vinschgau? Helmuth Rainer: Dies nun pauschal zu erklären, ist natürlich schwierig. Wenn man wirkliche Ursachenforschung betreiben möchte, müssen einige Aspekte aufgearbeitet werden. Der gesamte Vinschgau hat unbestritten seine landschaftlichen Qualitäten. Durch die verschiedenen ­Leader-Programme der letzten Jahre wurden einige Projekte in die Wege geleitet, die nun allerdings aufgrund der leider nicht mehr vorhandenen Geldmittel nicht mehr weiter gefördert werden können. Zum anderen fehlt mir persönlich auch oftmals der Zusammenhalt der verschiedenen Touristiker, der in anderen Tourismus­regionen durchaus stärker spürbar ist. Eine gute Zusammenarbeit unter den Hoteliers und Gastwirten würde zu einer weiteren Verbesserung des Angebotes führen. Auffallend ist immer wieder, dass vor allem die Nichtbeherbergungsbetriebe vermehrt ihre Pforten schließen müssen, was sind die Gründe dafür? Helmuth Rainer: Bar- und Restaurationsbetrieben haben im täglichen Betriebsauflauf einen ungleich schwierigeren Stand, weil sie vom geänderten Konsumverhalten ihrer Gäste direkt abhängig sind. Unsere Kleinbetriebe im ganzen Land haben generell das Problem, sich finanziell oftmals nicht mehr über Wasser halten zu können. Hier ist es primär die Schuld des Gesetzgebers, dass es überhaupt soweit gekommen ist. Die gesamte Gasthauskultur hat sich meiner Meinung nach auch mit Ein­führung des umstrittenen Rauchergesetzes verändert. Die strikten Alkoholkontrollen haben ebenfalls dazu beigetragen, dass sich das Konsumverhalten der Gäste entscheidend geändert hat. Nicht zuletzt ließ die Währungsumstellung die Getränkepreise für den Gastwirt und in der Folge auch für den Endkonsumenten steigen. Viele ­Leute sind heutzutage mit ihren finanziellen Möglichkeiten an der Grenze angekommen, ein konstanter Gasthausbesuch ist fast zu einem kleinen Luxus geworden. Welche Gesetzesauflagen haben sich dann in letzter Zeit als besonders schwerwiegend erwiesen? Helmuth Rainer: Neben den bereits erwähnten Verschärfungen von Alkoholkontrollen und der Einführung des ­Rauchergesetzes, werden die allgemeinen bürokratischen Auflagen immer er­drückender. Vom Datenschutzgesetz bis hin zu den Arbeitssicherheitsbestimmungen sind nicht zuletzt auch die Verschärfungen hinsichtlich der Mitarbeiterkontrollen sehr belastend für die Gastwirte geworden. Momentan können ganze fünf Kontrollorgane die Gesetze überwachen, was ein Arbeiten der Hoteliers und Gastwirte natürlich zusätzlich erschwert. Im restlichen Italien wird im Gegensatz dazu nur ein Bruchteil dieser Kontrollen durchgeführt, was nicht gerade die Wettbewerbsfähigkeit fördert und darüber hinaus den unternehmerischen Alltag beeinträchtigt. Dann ist neben den starken Betriebs­kontrollen die Bürokratie das Hauptproblem der Hoteliers und Gastwirte? Helmuth Rainer: Im Vergleich zu früher ist der Gastwirt heute geradezu ein Sklave der Bürokratie geworden. Seinen angestandenen Beruf kann er aktuell fast nicht mehr ausüben, da er sich zuerst immer wieder mit etlichen bürokratischen Auf­lagen herumschlagen muss. Weiters halten die drakonischen Strafen viele davon ab, überhaupt Gastwirt zu werden. Der Gesetzgeber macht es sich oftmals relativ einfach, er beschließt in Rom Gesetze, die fast nicht einzuhalten sind. In Südtirol werden diese streng kontrolliert, in anderen Staatsteilen sind dieselben Vorschriften oft kaum bekannt. Denken Sie, dass unser heimischer Tourismus trotz Kontrollen und Bürokratie wieder einen Aufschwung erleben kann? Helmuth Rainer: Ich bin von Haus aus ein Optimist und weiß um das gewaltige Potenzial des Vinschgaus. Diese Landschaft hat unbestritten ihre Reize und es sind noch viele ungenutzte Möglichkeiten, deshalb bin ich auch durchaus zuversichtlich, dass diese Talschaft ihr Gästepoten­zial auch in den nächsten Jahren generieren und ausbauen kann. Interview: Rudi Mazagg
Rudi Mazagg
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