Das Volk hat gesprochen
BM Ulrich Veith übergibt eine der Urnen an die Präsidentin der zentralen Wahlbehörde, Carmen Abart, und an Jonas Stecher.

Die Entscheidung ist klar, die Umsetzung fraglich

Publiziert in 31 / 2014 - Erschienen am 10. September 2014
BM Ulrich Veith: „Wir wollen den Wählerwillen umsetzen“. Die Reaktionen des Promotorenkomitees, der Plattform, des Bauernbundes und des zuständigen Landesrats. Mals - Soll der Einsatz sehr giftiger, giftiger, gesundheitsschädlicher und umweltschädlicher chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel und Herbizide auf dem Gemeindegebiet von Mals verboten werden? 4.837 Malserinnen und Malser waren aufgerufen worden, diese Frage in der Zeit vom 22. August bis zum 5. September mittels Briefwahl mit Ja oder Nein zu beantworten. Die Wahlbeteiligung war mit 69,22% gewaltig. Sehr klar viel auch das Ergebnis aus: 75,68% (2.377 Stimmen) sind für ein Verbot, 24,32% (764) dagegen. 63 Stimmzettel waren ungültig, 125 beschädigt bzw. nicht verschlossen. Mit einer derart hohen Beteiligung und einer so klaren Entscheidung hatten im Vorfeld viele nicht gerechnet. Auch nicht Bürgermeister ­Ulrich Veith. „Die außergewöhnlich hohe Beteiligung ist für uns als Gemeinde eine Bestätigung dafür, dass wir mit unserer Art von Politik, nämlich die Bürger mehr einzubinden und zu beteiligen, absolut richtig liegen“, sagte Veith dem der Vinschger. Allen, die versucht haben, diese Abstimmung irgendwie zu verhindern, sollte diese hohe Wahlbeteiligung eine Lehre sein. Dass das Quorum für die Gültigkeit der Abstimmung auf 20% gesenkt wurde, sei ebenfalls richtig gewesen. Läge das Quorum zum Beispiel bei 50%, wäre es relativ leicht gewesen, die Abstimmung zu boykottieren, etwa mit einem Aufruf, nicht an der Wahl teilzunehmen. Auch die Briefwahl habe sich bewährt. Den Vorwurf, sich als Bürgermeister auf die Seite der Promotoren gestellt zu haben, weist Veith zurück: „Inhaltlich habe ich mich nie öffentlich geäußert.“ Wie geht es jetzt weiter? Auf die Frage, wie die Gemeinde jetzt mit dem Ergebnis umgeht, sagte Veith: „Das Volk hat seinen Willen klar und noch dazu sehr repräsentativ geäußert. Was das Volk sagt, ist ‚Gesetz’, und wir werden den Wählerwillen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten umsetzen. Die Abstimmung ist bindend, wir müssen handeln.“ Was wird nun konkret unternommen? Veith: „Es wird voraussichtlich noch im September eine Gemeinderatssitzung einberufen, um die Vorgehensweise abzustecken.“ Gedacht werde an die Einsetzung einer Arbeitsgruppe, in der Vertreter des Promotorenkomitees, der Bauern und weiterer Interessensgruppen sitzen werden. Die Aufgabe der Arbeitsgruppe werde es sein, eine Abänderung der Gemeindesatzung sowie eine Verordnung vorzubereiten, mit welcher der Volksentscheid umgesetzt wird. Zumal es sich um eine kom­plexe Materie handle, werde die Gemeinde auch Juristen zu Rate ziehen. Der Rechtsanwalt, der seinerzeit die Gemeinde Malosco im Nonstal beraten hat, wo es seit 2010 eine Pestizid-Regelung gibt, die auch vor dem Staatsrat Stand gehalten hat, habe bereits seinen Beistand angeboten. Veith wertet den Volksentscheid auch als Signal in Richtung Landesregierung, Staat und EU. Wenn sich die Bevölkerung einer Gemeinde mit einer derart hohen Beteiligung und einer derart klaren Mehrheit für ein Verbot des Einsatzes chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel ausspricht, könne das nicht ignoriert werden. Dass es nicht leicht sein wird, dem Gemeinderat eine gesetzeskonforme Verordnung zur Genehmigung vorzulegen, liege auf der Hand. Auf die lange Bank schieben will Veith die Umsetzung des mehrheitlichen Wählerwillens nicht. Indirekt habe der Volksentscheid auch gezeigt, dass die Mehrheit mit den neuen Leitlinien für den Pflanzenschutz, wie sie von der Landesregierung kurze Zeit vor der Abstimmung genehmigt worden sind, nicht zufrieden ist. „Wir möchten allen die Hand reichen“ Johannes Fragner-Unterpertinger, der Sprecher des „Promotorenkomitees für eine pestizidfreie Gemeinde Mals“, nimmt das Ergebnis der Abstimmung „in großer Dankbarkeit und Demut und in aller Bescheidenheit an.“ Wenn jetzt jemand meine, „ich würde in Triumphgeheul aus­brechen oder Schadenfreude oder Ähnliches empfinden, die/der hat sich, erstens, getäuscht und, zweitens, nichts von unserem Einsatz begriffen.“ Es ging und gehe auch weiterhin um Sachfragen. Das seien die Sachfrage der Gesundheit, die Sachfrage der gesunden Wirtschaftsentwicklung und die Sachfrage der direkten Demokratie. Unabhängig vom Ergebnis zeige diese Volksabstimmung, dass die Form der direkten Demokratie auch in Südtirol sehr wohl möglich ist. „Die Befürworter einer pestizidfreien Gemeinde Mals haben eine eindeutige Mehrheit erhalten, und somit hat das Volk der Gemeindeverwaltung den klaren Auftrag erteilt, im Sinne dieses Volkswillens tätig zu werden,“ so Fragner-Unterpertinger. Dies natürlich nur im Rahmen der europäischen und staatlichen Gesetze sowie im Rahmen dieser rechtlichen Spielräume. „Wir möchten allen die Hand reichen und rufen alle zur Mitarbeit auf, zur Mitarbeit an einer gesunden und wirtschaftlich erfolgreichen Gemeinde.“ Wie Fragner-Unterpertinger dem der Vinschger erklärte, stelle sich das Promotorenkomitee vor, dass es untersagt werden soll, neue Anlagen nach konventioneller Anbauweise zu errichten. Bereits bestehende Anlagen sollten in einem bestimmten Zeitraum, zum Beispiel in 3 Jahren, auf Bio umgestellt werden. Fragner-Unterpertinger: „Wir sind keine Gegner der Landwirtschaft. Wir sagen Ja zur Viehzucht, zum Ackerbau, zum Obst-, Beeren- und Gemüseanbau, aber eben ohne den Einsatz sehr giftiger, giftiger, gesundheitsschädlicher und umweltschädlicher chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel und Herbizide.“ Dieses Wirtschaftskonzept sei nachhaltig, es erhalte und schaffe viel mehr Arbeitsplätze, „als es pestizidgesteuerte Monokulturen je tun werden und würden.“ Die Gemeinde Mals werde ein Alleinstellungs-Prädikat erhalten. Es gelte nun, „gemeinsam für eine gesunde und wirtschaftlich erfolgreiche Zukunft arbeiten.“ „Das Ergebnis ist ein gespaltenes Dorf“ Ganz andere Töne schlägt die Plattform „Bäuerliche Zukunft Mals“ an. „Seit Jahren wurde in Mals ein tiefer Keil in die Bevölkerung und leider auch in die Bauernschaft getrieben; mit Aufhetzungsmethoden und Panikmache“, schreibt die Plattform in einer Aussendung zum Ausgang der Abstimmung. Dem Bürgermeister wird vorgeworfen, „sich auch noch während des Wahlgangs parteiisch geäußert zu haben“. Wenn man all dies berücksichtige, „kann man die Wahlbeteiligung und das Ergebnis für die Abstimmungsbetreiber nicht wirklich als Erfolg werten“, so die Sprecher der Plattform, Eduard Bernhart und Gerold Frank. Am schlimmsten sei das eigentliche Ergebnis: „Ein tiefer Spalt in der Malser Bevölkerung.“ Der Ausgang der Abstimmung sei wenig verwunderlich: „Sowohl die maßgeblichen Betreiber als auch die Mehrheit der Bevölkerung von Mals sind nicht Bauern. Wir haben unsererseits immer versucht, fair und mit konstruktiven Beiträgen für Lösungen einzutreten.“ In der Gemeinde sei jedoch gezielt – insbesondere von Nichtbauern – eine Panik geschürt worden, welche die Gesundheit der Bevölkerung zum Gegenstand hatte. Selbstverständlich sollen alle in einem gesunden Umfeld leben, aber es sei jahrelang eine populistische Kampagne betrieben worden. „Um eine sachliche Diskussion haben wir uns vergeblich bemüht“, so Bernhart und Frank. Die Beteiligung zeige, „dass rund ein Drittel der Bevölkerung an einem konstruktiven Dialog interessiert ist und nicht an Polemik und Zwietracht.“ Und immerhin ein Viertel derjenigen, die gewählt haben, sei gegen Verbote und für sachliche Lösungen.“ Insgesamt sei also knapp die Hälfte der Bürger/innen von Mals nicht dem Ruf der Abstimmungsbetreiber gefolgt. „Wir werden jedenfalls unseren Beitrag leisten, dass wir die Gemeinde wieder zu mehr Gemeinsamkeit führen, weil diese Spaltung niemandem nützt – am allerwenigsten den Bürgerinnen und Bürgern, die von einzelnen Rädelsführern für ihre Zwecke instrumentalisiert worden sind“, so Bernhart und Frank. Wie es nun in der Gemeinde und insbesondere in der Malser Landwirtschaft weitergehe, sei unklar. Der Bürgermeister habe mehrfach parteiisch in den Wahlkampf eingegriffen und zugleich habe er plötzlich Zweifel geäußert, wie das Ergebnis umzusetzen sei, weil viele rechtliche Fragen ungeklärt seien. Wenn es rechtliche Probleme gibt, hätte sich dies der Bürgermeister vorher überlegen müssen. „Wir werden uns auch in Zukunft um vernünftige Lösungen bemühen, die ein gutes Neben- und Miteinander aller Bauern, aber auch aller Bürgerinnen und Bürger, möglich machen“, schreiben die beiden Sprecher der Plattform. „Es gibt keine rechtlichen Spielräume“ Als „Dynamik mit lokaler Dimension“ bezeichnet der Bauernbund die Abstimmung in Mals und dessen „vorhersehbares Ergebnis“. Eine sehr emotionsgeladene Diskussion sei seit Monaten erstes Gesprächsthema in Mals gewesen, „und unter diesem Blickwinkel ist auch das Ergebnis anzusehen“, erklären Landesobmann Leo Tiefenthaler und Bezirksobmann Raimund Prugger. Das Thema Pflanzenschutz gehöre zu jenen Bereichen, die strengsten rechtlichen Bestimmungen unterliegen, und zwar auf EU-, Staats- und Landesebene. Die Bestimmungen betreffen Herstellung und Zulassung ebenso wie die Anwendung und Kontrollen. „Nach gesetzlichen Neuerungen auf Staatsebene hat das Land Südtirol vor wenigen Monaten die Materie umfassend und einheitlich neu geregelt, mit besonderem Augenmerk auf den Schutz der Bevölkerung. Es gibt daher keine rechtlichen Spielräume für Sonderregelungen auf Gemeindeebene, nachdem die Materie bereits umfassend geregelt ist“, so Tiefenthaler. Mals sei daher ein Einzelfall, und zwar kein glücklicher. „Im Zuge der Malser Diskussion ist ein völlig falsches Bild von der Landwirtschaft entstanden. Im Interesse der Bevölkerung und Umwelt genauso wie im eigenen Interesse bemüht sich die Südtiroler Landwirtschaft seit Jahrzehnten um einen möglichst sparsamen, punktuellen und naturnahen Pflanzenschutz“, unterstreichen Tiefenthaler und Prugger. Die Landwirtschaft werde diese Bemühungen fortsetzen. Unabhängig von der Diskussion in Mals sei in den vergangenen Monaten bereits vieles im Bereich des Pflanzenschutzes passiert. Man wolle nun genau verfolgen, wie in Mals mit dem Ergebnis der Abstimmung umgegangen werde, kündigen Tiefenthaler und Prugger an. „Die Gemeinde muss das Ergebnis umsetzen und im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten nach praktikablen Lösungen suchen.“ Die Landwirtschaftsvertreter hoffen und erwarten sich von der Gemeinde, dass sie in diesem Prozess Vertreter aller interessierten Gruppen – auch der Landwirtschaft – aktiv einbindet. Es bestehe jetzt in Mals die Möglichkeit, „sachlich anstatt unsachlich zu diskutieren und nach Lösungen zu suchen.“ Die Landwirtschaft werde sich noch mehr bemühen, Verständnis für ihre Realität zu schaffen und hoffe, dieses bei der Bevölkerung zu finden: „Es muss aber klar sein, dass die Landwirtschaft die Freiheit braucht, sich weiter zu ent­wickeln und rentabel zu arbeiten“, so Tiefenthaler. Größtmögliche Entwicklungsfreiheit gehöre zu den wesentlichen Erfolgsfaktoren jedes Wirtschaftszweiges, also auch der Landwirtschaft. „Diese dürfen und wollen wir im Interesse des ganzen Landes nicht aufs Spiel setzen“, schließt der Landesobmann. „So eine Abstimmung wäre selbst in der Schweiz nicht möglich“ Landwirtschaftslandesrat ­Arnold Schuler bestätigte am Sonntag dem der Vinschger gegenüber seine Zweifel und Bedenken bezüglich der Konformität der Abstimmung und deren etwaigen Umsetzung mit dem geltenden EU-Recht. Er sei kein Gegner der direkten Demokratie, „aber so eine Abstimmung wäre selbst in der Schweiz nicht möglich.“ Es könne nicht sein, „dass eine Gruppe über eine andere abstimmt. Außerdem ist das Thema rechtlich geregelt, sodass die Gemeinde hier keinen Spielraum hat.“ Wenn es rechtlich möglich wäre, dass eine Gemeinde ein derartiges Verbot einführt, „müsste es auch zulässig sein, dass zum Beispiel der Bürgermeister von Klausen die Autobahn zusperrt.“ Schuler erinnert auch an das Beispiel Handyumsetzer: „Auch zu diesem Thema gab es eine Volksabstimmung. Es folgten aber Rekurse und es stellte sich heraus, dass die Gemeinde nicht zuständig ist und am Ende klein beigeben musste. Ich weiß, dass das viele nicht gerne hören, aber es ist so.“ Schuler wirft dem Malser Bürgermeister vor, die Sachlage im Vorfeld nicht ausreichend überprüft bzw. abgeklärt zu haben. Er, Schuler, habe seit jeher davor gewarnt, „dass der Tag danach, also die Zeit nach der Abstimmung, kommen wird. Jetzt ist dieser Tag da.“ Es wird laut Schuler am Ende gerichtlich festgestellt werden müssen, ob eine Umsetzung dieser Volksentscheidung möglich ist. Auf zwei Feststellungen legt Schuler ausdrücklich Wert: „Erstens wurde jetzt in der Gemeinde Mals, in vielen anderen Gemeinden Südtirols und weit darüber hinaus eine gewaltige Erwartungshaltung geweckt, die nicht erfüllbar ist. Immerhin wurde die Bevölkerung gefragt, ob sie eine pestizidfreie Gemeinde will. Zweitens hat sich in der Bevölkerung eine tiefe Kluft aufgetan, die sicher nicht leicht zu schließen ist.“ Er habe nichts gegen eine biologische Anbauweise. Er selbst sei zwar ein konventioneller Obstbauer, sei aber jederzeit bereit zu wetten, dass seine Äpfel im Vergleich zu jenen eines Großteils der Bio-Betriebe nicht „ungesünder“ seien. Der Apfel gehöre laut Schuler zu den gesündesten Lebensmitteln überhaupt. Zur Gemeinde ­Malosco hält er fest, dass dort nicht ein generelles Pestizid-Verbot gelte, sondern in erster Linie eine strenge Abstandsregelung. Sepp
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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