Vinschger Oberland: Aufbruch zu neuen Ufern
1. Seegespräche mit Karoline Gasser Waldner, Heinrich Noggler, Franz Prieth und Thomas Santer (von links)

Die Seenplatte wird zum Schwergewicht

Publiziert in 7 / 2011 - Erschienen am 23. Februar 2011
Graun – Am 15. März soll es losgehen. Dann werden die Experten von Kohl & Partner mit den Entscheidungs­trägern der Gemeinde zusammentreffen und über das „Tourismuskonzept der Gemeinde Graun“ diskutieren. Inzwischen haben sich die Ereignisse überstürzt. Skigebiete, Bunkeranlagen und Langlaufkonzepte sind etwas in den Hintergrund gedrängt worden. Seit einigen Wochen ist sich das Oberland im Besonderen und der Vinschgau im Allgemeinen bewusst geworden, dass das Tal im Nordwesten mit Wasser beginnt, dass drei der vier Grauner Fraktionen am Wasser liegen, dass die Oberländer Seenplatte ein Schwergewicht in der Reihe touris­tischer Attraktionen des Vinschgau ist. von Günther Schöpf Die Grundlagen für eine neue Sicht auf die fast acht Quadratkilometer ­Wasser im Oberland wurden in 1.000 Kilometer Entfernung gelegt. Sie begann damit, als Bürger des Vereinigten Königreiches der Niederlande einen zugefrorenen See in den Alpen entdeckten, einen Herrn ­namens Karl Gapp trafen und sich antrugen, der Welt größte Eislaufveranstaltung auf dem „Reschersee“ abzuhalten. Seither ging es Schlag auf Schlag. Am 22. Jänner verlegten 200 Niederländer kurz­fristig einen 150 km-Volkslauf vom Plansee im Außerfern zum Reschensee im Vinschgau. Sechs Tage später wurde der „Vinschger Weg“, das Tourismuskonzept des Bezirks, in Schlanders vorgestellt. Karl Gapp saß in der Arbeitsgruppe und konnte mit Genugtuung feststellen, dass die Seen­platte im wahrsten Sinne des Wortes zu einer „Vinschger Dachmarke“ werden wird. Dafür sorgten zuerst vom 4. bis 6. Februar die Snowkiter, die Skidrachenflieger, mit ihrer Weltmeisterschaft am Haidersee und vom 6. bis zum 12. die 1. „Alternative Elfstädte-Tour“ in Reschen, bei der zwei 200-Kilometer-Volksläufe im Eisschnelllaufen ausgetragen wurden, einmal mit 120 Startern und das zweite Mal mit 155 Teilnehmern. Zusammen mit Familienangehörigen, Organisatoren und dem 50-köpfigen ­Kapitänschor waren etwa 500 Niederländer in der Gemeinde Graun unterwegs. Dass die Oberländer nicht nur niederländische Entwicklungshilfe zu ­schätzen wissen, hat ein improvisiertes „Wirtschaftsgespräch auf dem Eis“ - mit Sicherheit das erste dieser Art - ergeben. Bürgermeister Heinrich Noggler, seine Stellvertreterin Karoline Gasser Waldner, die Referenten Franz Prieth aus Reschen und Thomas Santer aus St. Valentin erzählten bei Glühwein und Apfelglühmix vom Vorhaben, ein touristisches Gesamtkonzept für die Gemeinde Graun zu erstellen. Welchen Stellenwert darin die beiden Seen einnehmen, war den schriftlichen Unterlagen des „Hoader-Referenten“ Santer zu entnehmen. Allein zum Reschensee finden sich 17 Maßnahmen, die sich auf die touristische Nutzung des Sees beziehen. Darin nehmen die Projekte Turm-Areal Graun, Zugang zum See und Schiffsanlegestellen großen Raum ein. Geplant sei eine „Querslipanlage“, eine Art bewegliche Rampe, um unabhängig von der Höhe des Wasserspiegels das Schiff zu wassern oder zu bergen, erklärte ­Vizebürgermeisterin Karoline Gasser Waldner. Bürgermeister Noggler schnitt neue „Seefahrts-­Pläne“ auf dem Reschensee an: „Wir haben letztes Jahr eine Segelschule vom Ägeri-See im Schweizer Kanton Zug hier gehabt. Die Eidgenossen meinten, ihr habt das, was wir nicht haben – Wind. Wir konnten bereits Probe fahren. Es hat früher ja schon richtige Segelregatten gegeben und es wäre genau das, womit man im Sommer den See beleben könnte“. „Das betrifft Boote mit einer Besatzung von vier bis acht Mann. Und wenn man schon einen Hafen schafft und eine Anlagestelle projektiert, sollte man einen Zugang zum See auch für solche Boote einplanen“, ergänzte Franz Prieth. Über die Aufwertung des kleineren Nachbarn, des Haider-Sees, als Naherholungszone berichtete Thomas Santer: „Durch die Ausweisung des Biotops ist eine einmalige Naturlandschaft unter Schutz gestellt worden. Inzwischen haben wir durch Grundtausch auch das letzte Stück des Rundweges um den See begehbar machen können. Im Frühjahr wird die Forstverwaltung Hand anlegen und dann soll ein bequemer Seeweg entstehen, auf dem zwei Personen nebeneinander, auch mit Kinderwagen, gehen können. Für die Parkplatzgestaltung bei den Fischer­häusern und die Parkplätze ‚Post‘ ist mit den Grundbesitzern noch einiges abzuklären. Das Konzept ist Teil des Umweltplanes.“ Als Bürgermeister Noggler nach dem See-Gespräch im Festzelt seinem Namensvetter, dem Landtagsabgeordneten und Ehrengast Sepp Noggler, von der Idee der Segelschule erzählte, reagierte der schlagfertig: „Aha, jetzt weiß ich, warum ihr die Windräder nicht wollt, ihr braucht den Wind anderswo.“ „Wahnsinnig gut gefallen“ Wiebe Barkey (im Bild) ist Vorsitzender der 400 Mitglieder der „Stichtung ­Alternatieve Elfstedentocht“, Stiftung ­Alternative Elf-Städte-Tour, die den Zweck verfolgt, den Eislaufsport in seiner natürlichen Form, also auf Natureis, zu erhalten und zu fördern. „Der Vinschger“: Herr Barkey, sagen Sie ehrlich, wie hat es Ihnen und Ihren Freunden in Reschen gefallen? Was hat Sie besonders beeindruckt und gibt es auch etwas, was die Gastgeber ändern sollten? Wiebe Barkey: Der Reschensee hat uns wahnsinnig gut gefallen. Die Umgebung war sehr geeignet für unsere Veranstaltung, aber das wussten wir ja schon. Die Zusammenarbeit mit Gemeinde und Tourismusverein wurde in dieser Woche getestet und war perfekt. Die Eisläufer sind überaus begeistert und zufrieden. Vor allem die Kombination Eisschnelllaufen, Skifahren und Erleben der Natur hat es ihnen angetan. Das Eis hat der Eismeister super hinbekommen. Aufgefallen ist uns, dass die Einheimischen zum ersten Mal am See eine positive Seite festgestellt haben. Petra, die Besitzerin vom Hotel Edelweiss, hat zum ersten Mal Leute erlebt, die Spaß hatten am See (nl. meer); für sie war es ein sehr emotionaler Moment. Wir hoffen, mit dieser Veranstaltung im 62. Jahr der Seestauung den See noch beliebter zu machen unter der Bevölkerung.
Günther Schöpf
Günther Schöpf
Vinschger Sonderausgabe

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