Ein „Kultur trächtiges Haus“ für Latsch
Publiziert in 44 / 2008 - Erschienen am 11. Dezember 2008
Die Marktgemeinde Latsch sei ohne Kultur, schrieben die Redakteure des einstigen Bildungshaus-Journals „Oberwind“ im März 1993, als sie unter dem Titel „Pharaonentempel im Vinschgau“ einen Überblick über Kultur- und Vereinshäuser boten. „Nicht ohne Erstaunen stellen wir fest“, liest man im Beitrag, „dass der Marktflecken Latsch ohne Kultur ist, weil es kein davon trächtiges Haus hat. Das ist verständlich, denn die Einwohner leben fast alle im Schatten von Großbauten, die Schauplätze für Heimathorrorfilme sind.“ Es war der Schatten der Friedhofskapelle, eines weiteren Großbaues, der am 23. März 1998 zum Abbruch der bescheidenen „Musihalle“ in Latsch führte.
von Günther Schöpf
Um die fast unendliche Geschichte des Vereinshausbaues in Latsch zu begreifen, muss man zurückblicken, inzwischen mindestens ein Jahrhundert. Seit 1909 irrte die 1773 gegründete Bürgerkapelle von einem Probelokal zum anderen; überall war sie nur Gast, zuerst in den verschiedenen Schießständen, dann in der Volksschule. 1933 hatten es Musikanten und Feuerehrleute satt, nahmen die Sache selbst in die Hand und griffen zu Hacke und Maurerkelle. Das erste, wirkliche Probelokal entstand und diente auch der Freiwilligen Feuerwehr als Versammlungsraum. 20 Jahre später wurde ein 16 x 12 Meter großer Saal angebaut. Latsch hatte seine „Musihalle“, die bis 1998 Mittelpunkt und Herz aller politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Ereignisse im Hauptort bleiben sollte. In den Fraktionen Goldrain, Morter und Tarsch ernteten die Latscher meist ein mitleidiges Lächeln, wenn die Sprache auf ein Vereinshaus kam. Die tüchtigen „Fraktionsvertreter“ hatten im Gemeinderat gesorgt, dass 1970 der Goldrainer Schießstand einen geräumigen Theatersaal bekam und 1978 in Morter und Tarsch mächtige Kulturhäuser entstanden.
Ohne dass es die Bürger so richtig wahrnahmen, wurde mit der Erweiterung des Friedhofs, erstritten 1973 in hitzigen Diskussionen eben in der „Musihalle“, jede darauffolgende Verwaltung in Zugzwang gebracht. 25 Jahre lang warb die SVP-Ortsgruppe bei jeder Gemeinderatswahl um Stimmen mit dem Programmpunk: Bau eines Vereinshauses. Die Wahl des Kulturreferenten Markus Pircher zum ersten Bürger 1995 gab Hoffnung. Da er der Vollender der Friedhofserweiterung wurde, fiel in seine ersten „Regierungsjahre“ der Abbruch der „Musihalle“ und der Bau eines Probelokales mit Musikschule weiter nördlich. Es sollte das erste Baulos sein des versprochenen Vereinshauses mit heiß ersehntem großen Saal und mindestens 400 Sitzplätzen. Im Wahlprogramm der SVP des Jahres 2000 lautete der entsprechende Punkt: Bau des zweiten Bauloses – Vereinshaus Latsch. In der heißen Wahlkampfphase 2005 hatte Ratskandidat Mauro Dalla Barba verlangt, entweder den Vereinshausbau im Parteiprogramm zu verankern und ihn konkret anzugehen, oder ihn zu löschen und „die Bevölkerung nicht länger hinters Licht zu führen“. Im Oktober 2004 ließ Bürgermeister Markus Pircher ein Projekt der Architekten Kurt & Martin Stecher vorstellen mit der Kostenschätzung von 7,5 Mio Euro. Damals durfte über die Projektvorstellung nicht berichtet werden. Im Mai 2005 war es zum Bürgermeisterwechsel gekommen und die neue Verwaltung unter Karl Weiss legte ein geradezu atemberaubendes Tempo vor im Einlösen von Wahlversprechen. Bahnhöfe wurden saniert, ein Jugendtreff wurde errichtet, das Eisstadion umgebaut, das Hallenbad saniert und erweitert, ein Fernheizwerk entstand. Der für die Kultur hinzugezogene Gemeinderat Mauro Dalla Barba spürte den Druck der 29 im Hauptort Latsch operierenden Vereine; der Ruf nach einem größeren Saal wurde immer lauter. Seit Jahren war die Bürgerkapelle gezwungen, die Turnhalle zu besetzen, um das Frühjahrskonzert durchzuführen, das Landessingen der Südtiroler Chöre musste nach Tarsch und die Raika-Vollversammlung nach Goldrain verlegt werden. Die Versammlungsräume der Obstgenossenschaften und des Verbandes der Obstproduzenten (VI.P) platzten aus allen Nähten.
Es war alles eher als ein Aprilscherz, als sich am 1. 4. 2007 Bürgermeister Weiss, Kulturreferent Dalla Barba, Raika-Obmann Walter Rizzi und Fraktionsvorsteher Mathias Oberhofer mit dem BauTeam Latsch zusammensetzten, um über Möglichkeiten zu beraten, in Latsch ein Vereinshaus zu bauen. Damals wurde auch die Frage des Bauherren angesprochen. Zwei Möglichkeiten lagen auf der Hand: 1. die Gemeinde ist Bauherrin mit der bekannt langsamen Anlaufzeit und der Auflage, Projekte bestimmter Dimensionen EU-weit auszuschrieben, 2. eine zu gründende Vereinshausgenossenschaft übernimmt diese Rolle. Nach intensiven Beratungen auch von auswärts kam man auf eine 3. Möglichkeit. Der von Sportpräsident Werner Kiem für die Organisation der Dorffeste gegründete „Verein der Vereine“ sollte revitalisiert und dessen Statuten angepasst werden. Damit wäre den Vereinen ein Maximum an Mitspracherecht schon ab der Projektierung möglich, zeigte sich Dalla Barba überzeugt. Am 6. Juni 2008 wurden der Verein der Vereine in Anwesenheit von 17 Vereinsvertretern neu konstituiert, die Statuten geändert und Mauro Dalla Barba zum Obmann gewählt. Nur wenige Tage später erschien in der Tagespresse ein Artikel unter dem Titel „Mafia in Latsch?“ und mit der Andeutung, dass es „beim Bau des neuen Vereinshauses nicht mit rechten Dingen“ zugehen soll. Man wolle einen Verein gründen, der als Bauherr die EU-weite Ausschreibung umgehe und das Vereinshaus dann wieder an die Gemeinde übertrage. Nur wenige Tage später wurde der Latscher Architekt Werner Pircher mit der Projektierung beauftragt und das Ingenieurbüro BauTeam Latsch in der Person des aktiven Musikanten Ingenieur Georg Bauer als Berater ins Boot geholt. Anfang November hieß der Technische Landesbeirat das Projekt „Bau des neuen Vereinshauses“ gut und anerkannte die Kosten in Höhe von 3,8 Millionen Euro (siehe Kasten). In einer außerordentlichen Vollversammlung des Vereins der Vereine am 19. November wurde das Ausführungsprojekt begutachtet und einstimmig angenommen. Am 29. November sollte das Projekt im Gemeinderat vorgestellt und die Konvention zwischen Verein der Vereine und Gemeinde Latsch unterzeichnet werden. Dass es nicht dazu kam, lag in einer Anfrage an den für die Gemeindeordnung zuständigen Regionalausschuss durch Gemeinderat Josef Kofler. Damit sollte geklärt werden, ob die Funktion des Kulturreferenten Mauro Dalla Barba mit der Obmannschaft im Verein der Vereine kompatibel sei. Dalla Barba konnte der Verschiebung nur Positives abgewinnen: „Damit werden alle Zweifel im Vorfeld ausgeräumt und geklärt.“ Die in der genannten Konvention festgelegten Termine konnten trotzdem eingehalten und die Ausschreibungen formuliert werden. Zwischen 15. und 20. Dezember können interessierte Betriebe oder Bietergemeinschaften die Unterlagen im Rathaus abholen und bis 20. Jänner 2009 ein entsprechendes Angebot einreichen. Am 21. Jänner sollen die Angebote geöffnet werden. „Noch nie war die Möglichkeit so konkret, noch nie hatten wir eine derart günstige Konstellation, in Latsch das Vereinshaus doch noch zu bauen. Möglich wird dies nur durch den Schulterschluss Gemeinde, Fraktion Latsch und Raiffeisenkasse Latsch“, gab sich der junge Kulturreferent zuversichtlich.
Für das neue Vereinshaus in Latsch steht der Name fast schon fest. Auf der Schiene von AquaForum und IceForum soll es in Latsch ein KulturForum geben. Herz der Anlage werden der Saal mit etwa 470 Sitzplätzen, das Foyer und die Bühne. Vorgesehen sind außerdem ein Probelokal für die Volksbühne, zwei Sitzungssäle unterschiedlicher Größe im Obergeschoss, ein Raum für die Schützen und ein Trachtenraum für die Bürgerkapelle. Der Terminplan sieht den Baubeginn in den Monaten Februar oder März 2009 vor. Nach sieben Monaten muss der Rohbau abgeschlossen sein und nach weiteren 10 Monaten das Vereinshaus bezogen werden können. 3 Mio Euro sind für Baukosten vorgesehen, geschätzte 400.000 Euro für die Einrichtung und 450.000 Euro für Mehrwertsteuer und technische Spesen. Etwa 1, 85 Mio Euro entfallen auf die Gemeinde Latsch; 1,5 Mio Euro bringen über einen Zeitraum von drei Jahren der Verein der Vereine und Sponsoren auf, 500.000 Euro sind von der Autonomen Provinz zugesichert. Bereits im letzten Haushalt hatte die Gemeinde Latsch 200.000 Euro vorgesehen.
Wie Gemeindesekretär Georg Schuster bestätigte, würden die für 2009 vorgesehenen 600.000 Euro zum Investitionsprogramm von rund 2,6 Mio Euro gehören und kein anderes Investitionsvorhaben blockieren. Es sei nicht zu spekulieren, aber es bestünden realistische Hoffnungen, dass der Landesbeitrag von derzeit weniger als 30 Prozent höher ausfalle und dass für die Einrichtung auch um einen Beitrag angesucht werden könne.

Günther Schöpf