Große Bühnen zu Gast
Vom Schauspiel Köln bis zum Renaissance-Theater Berlin: Das Südtiroler Kulturinstitut lädt ab Oktober wieder namhafte Bühnen zu einem Gastspiel nach Schlanders ein. Unter dem Motto „Heute. Hier. Jetzt“ greifen die gezeigten Stücke mal packend, mal humorvoll Themen unserer Zeit auf.
Schlanders - Das Schauspiel Köln beleuchtet zum Auftakt der Saison mit dem Theaterstück „Aufstieg und Fall des Herrn René Benko“ den größten Wirtschaftskrimi der Gegenwart. Der Autor und Regisseur Calle Fuhr geleitet dabei selbst als Solo-Darsteller so unterhaltsam wie investigativ durch das Signa-Wunderland. Basierend auf Recherchen der Redaktion DOSSIER erklärt er das System, das einen Wunder-Wuzzi und Bankrotteur wie René Benko erst ermöglichte. Das am Wiener Volkstheater uraufgeführte Stück, das auch zum Festival „Radikal jung“ eingeladen war, wird am Schauspiel Köln in aktualisierter Version weitergeführt und auf Einladung des Südtiroler Kulturinstituts im Oktober in Schlanders zu sehen sein. Im vergangenen April hat Calle Fuhr das Publikum bereits mit seinem Stück „Die Redaktion“ begeistert. Nun darf man gespannt sein auf sein neues Werk.
Prominent besetztes Machtspiel
Um den Vorwurf des Machtmissbrauchs geht es in dem Stück „Oleanna. Ein Machtspiel“ von David Mamet, mit dem das Hamburger St. Pauli Theater nach Schlanders kommt. Der auch aus vielen Filmrollen bekannte Schauspieler Sven-Eric Bechtolf spielt darin einen Professor, dessen Weltanschauung mit der seiner Studentin Carol (gespielt von Johanna Asch) kaum vereinbar ist. Seine Hand auf Carols Schulter war für ihn eine harmlose Geste der Beruhigung gegenüber einer Studentin, die ihm „sympathisch“ ist. Für sie war es ein sexueller Übergriff. Mit ihrem Vorwurf könnte sie seine Karriere ruinieren. Beide liefern sich ein messerscharfes Wortgefecht auf Augenhöhe. David Mamet hat mit seinem 1993 uraufgeführten Stück schon früh eine Frage aufgegriffen, die spätestens seit der Me-too-Debatte hochaktuell ist: Was hat das Verhältnis der Geschlechter mit Macht zu tun?
Wütende Mails von „richtigen“ Deutschen
Hasnain Kazim ist als Sohn indisch-pakistanischer Eltern in Deutschland aufgewachsen. Als Journalist, der in Medien mit großer Reichweite über heikle Themen schreibt, bekommt er regelmäßig wütende Post. Aber anstatt die hasserfüllten, oft rassistischen oder islamfeindlichen Ergüsse von „richtigen Deutschen“ wie „HermannTheGerman“ oder „Maria gegen Scharia“ einfach wegzuklicken, antwortete Kazim schlagfertig und witzig darauf. Sein Buch „Post von Karlheinz“ wurde zum Bestseller. Jochen Schölch hat daraus einen Theaterabend für das Metropoltheater München gemacht, der nun in Schlanders gastiert: Wie ein Orchester mit Notenpult und Blockflöten bewaffnet, treten vier Schauspieler zur Sprech-Oper an, in der messerscharfer Humor dem Hass und der Hetze trotzt.
Gott auf der Couch
Dass heutzutage selbst der Schöpfer mitunter an seiner Schöpfung verzweifeln muss, ist eine durchaus nachvollziehbare Vorstellung. Die israelische Autorin Anat Gov hat sie in ihrem Theaterstück „Oh mein Gott“ weitergesponnen: Die Psychologin Ela erhält den Anruf eines völlig verzweifelten Mannes, der sich ihr nur mit dem Kürzel G vorstellt. Es ist Gott persönlich, der noch am selben Abend zur Therapie kommen möchte, da er sich und seinem Werk ein Ende setzen will. Ela bleibt nur eine Stunde Zeit, um ihren eigenen Konflikt mit Gott zu überwinden, ihn von dieser fatalen Idee zu „heilen“ und damit die Welt zu retten. Zwei TV-Lieblinge stehen in dieser Komödie auf der Bühne: Katharina Stemberger (u. a. „SOKO Linz“) als Psychologin Ela und Wolf Bachofner (u. a. „Kommissar Rex“, „Schnell ermittelt“) als lebensmüder Gott.
Letzte (Un)Ruhe
Ein großartiger Schlagabtausch ist auch die Komödie „Kalter weißer Mann“ von Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob: Die Trauerfeier für den mit 94 Jahren verstorbenen Gernot Steinfels, Chef der Firma „Feinwäsche Steinfels“, gerät völlig aus dem Ruder. Dabei hatte sein Nachfolger in spe, Horst Bohne, alles minutiös geplant. Die Mitarbeiterinnen fühlen sich bei der Beschriftung des Trauerkranzes übergangen, die Chefsekretärin möchte unbedingt singen und auf den Social-Media-Kanälen der Firma tobt der Shitstorm. Selbst der Pfarrer rastet da aus! Mit lustvoller Hingabe werden in dieser Uraufführung des Renaissance-Theaters Berlin die Reizthemen des Social-Media-Zeitalters auf die Spitze getrieben. Neben den fünf Aufführungen am Abend bietet das Südtiroler Kulturinstitut in Schlanders, Schluderns und Naturns auch Kinder- und Jugendtheateraufführungen für Schulklassen an. Fünf Stücke werden im Vinschgau gezeigt, darunter das Kindermusical „Die kleine Meerjungfrau“ oder Ödön von Horváths Klassiker „Jugend ohne Gott“ als Jugendtheaterstück. Das Südtiroler Kulturinstitut dankt der Abteilung deutsche Kultur der Südtiroler Landesregierung, der Stiftung Südtiroler Sparkasse, den Gemeinden, der Unternehmerinitiative Wirtschaft & Kultur und den privaten Sponsoren für ihre Unterstützung sowie dem Kulturhaus „Karl Schönherr“ in Schlanders für die Zusammenarbeit.