Kooperationen in der Landwirtschaft
Publiziert in 44 / 2010 - Erschienen am 9. Dezember 2010
Der Spruch des Bauernbunddirektors Siegfried Rinner brachte die Situation der Berglandwirte auf den Punkt und war der Hintergrund der Tagung „Kooperationen in der Landwirtschaft. Partnerschaft für Kleinbetriebe“, angeregt durch die Lehrer der Fachschule für Land- und Forstwirtschaft in Burgeis, Elisabeth Haid und Stefan Winkler, innerhalb der Abteilung 22 der Autonomen Provinz Bozen in Zusammenarbeit mit dem Südtiroler Bauernbund und dem Absolventenverein berglandwirtschaftlicher Fachschulen.
von Günther Schöpf
Bauernbund-Bezirksobmann Andreas Tappeiner sprach von Bausteinen, die im Hinblick auf die „EU-Ausrichtung 2013“ in der Tagung gesetzt werden. Bauernbunddirektor Siegfried Rinner vermied das vermeintliche Schicksalsdatum und zeigte sich zuversichtlich. Das Thema Kooperationen sei nicht erst 2010 erfunden worden; im Land der erfolgreichen Genossenschaften werde die Idee auf fruchtbaren Boden fallen. Eindeutig prognostizierte Referent Siegfried Pöchtrager, Universität für Bodenkultur Wien, „für das Jahr 2013 knapper werdende Mittel“. Landesrat Hans Berger vermied seinerseits die Nennung des Schicksalsjahres und warnte die jungen Landwirte davor, Ideen von den Politikern zu erwarten. „2013“ war bei der Tagung in Burgeis immer präsent, nicht gerade als drohendes Damokles-Schwert, aber als Termin, innerhalb dem nicht der Leidensdruck, sondern die eigenen Überlegungen zu Kooperationen in der Berglandwirtschaft führen sollten, eigentlich müssen. Es war die Grundstimmung in Burgeis: die Berglandwirtschaft muss sich bewegen und ändern, um weiterhin bestehen zu können.
Kooperation ist Lebenseinstellung
Möglichkeiten dazu seien Kooperationen, führte Assistenzprofessor Pöchtrager aus. Die Gründe lägen auf der Hand: Arbeitsüberlastung, das Recht auf Lebensqualität, die knapper werdenden Mittel und der Anspruch auf gerechte Entlohnung. Wer gemeinsam produziere, könne gemeinsam profitieren. Pöchtrager appellierte an die gut 30 Landwirte und an die Schüler der 4. Klasse: „Ihr müsst euch zomtoa und söber wos tua“. Es klang der oberösterreichische Bauernsohn durch, wenn es ganz eindringlich wirken sollte. Er warnte vor Kooperation um jeden Preis und machte aufmerksam: „Kooperation ist eine Lebenseinstellung und ihr größter Feind ist der Neid. Der Satz ‚Ich habe keine Zukunft’ muss heißen: ‚Mein Betrieb hat ohne Veränderung keine Zukunft‘“. Nach einem kurzen Einschub von Landesrat Berger, der den Tagungs-Teilnehmern Mut machte, indem er von bayerischen Landwirten berichtete, die „in meinem Hotel Urlaub machen konnten, weil andere in ihrem Stall arbeiteten“, trat der Praktiker Armin Mark aus Schiers im Graubündner Prättigau ans Mikrophon. Mit seiner Frau Edith, seiner Tochter und seinem zehnjährigen Sohn habe er sich der „Vertragsaufzucht“ verschrieben und bewirtschafte heute 48 Hektar. 148 Jungrinder aus 17 Tal-Betrieben in der Ost- und Innerschweiz bis Baselland stünden in seinem Stall. 105 Franken pro Monat habe der Talbauer auf den Tisch zu legen, darin enthalten seien die Transportkosten, die Betreuung durch den Tierarzt und die Besamungskosten von bis zu 60 Franken. Man habe ihn als „Knecht der Talbauern“ verspottet, was ihn kalt lasse: „Es ist gleich, was man macht, aber man muss es mit Begeisterung machen“, erklärte der Bündner. Auf großes Interesse stießen seine Ausführungen über die Alpung, in Form einer „Stufenbewirtschaftung“, die allerdings eine doppelte Motorisierung – Heuschnitt in der Tallage und Heuschnitt an den Hängen – verlange. Neben seiner Aufzucht betreibe er als 2. Standbein – erzählte Mark - ein Transportgeschäft. Mit seinen zwei Brüdern und der Schwester bilde er eine GmbH, die derzeit 34 Mitarbeiter und vier Lehrlinge beschäftige.
Freizeit ohne schlechtes Gewissen
Armin Mark aus Graubünden zieht gewinnbringend auf und lässt melken, die sechs Mitglieder der „Bayernmilch Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ (GbR) in Petzenberg (bei Passau) kooperieren und melken gewinnbringend. Das Kooperationsmodell mit Gemeinschaftsstall und der nicht einfache Prozess der Entscheidungsfindung bis hin zur „Milchkooperation“ wurde von Mathias Knödelseder geschildert. Entscheidend für die Kooperation sei der Wunsch nach Lebensqualität gewesen, führte der Referent an. Als schwierig und kompliziert habe sich die Regelung der einzubringenden Arbeitszeit erwiesen. Jedes Mitglied habe eine bestimmte Stundenzahl abzuleisten. Streng nach Dienstplan regle ein 12 Tage Zyklus den Arbeitsablauf. Demnach habe ein Mitglied zwei Tage Hauptdienst und Nachtbereitschaft. Nach weiteren zwei Tagen „A-Dienst“, bei dem zweimal gemolken und die Kälber gefüttert werden, folgen acht freie Tage. Falle ein Kooperationspartner wegen Krankheit aus, engagiere er einen Betriebshelfer. Urlaube könnten jederzeit über Ersatz oder Tausch zwischen den Partnern organisiert werden. Eine digitale Stempeluhr regle die effektive Arbeitszeit, nach der auch die Vergütung erfolge. Eine Protokollmappe enthalte die präzisen Eintragungen über alle Vorgänge. „Es war wichtig, im Vertrag jede Eventualität durchzuspielen und zu regeln“, erklärte Knödelseder. Der Betrieb sei in sechs Abteilungen untergliedert und damit würden die Mitglieder zu Abteilungsleitern mit Spezialisierung. Bis zu einem bestimmten Budget dürfe jeder eigenverantwortlich über Geldausgaben entscheiden. Jeden ersten Mittwoch im Monat gäbe es eine „Vollversammlung“, in der jedes Mitglied so viel Stimmgewicht habe, wie viel er an Herdenwert, an Kapital und Arbeitsleistung investiert habe. Berechnet würde der Gewinn dann nach acht Auszahlungskriterien, die bei Kooperationsgründung abgeklärt worden seien. Am Ende seiner Ausführungen machte Knödelseder die Kooperation schmackhaft, indem er auf die Senkung der Kosten, auf die Freizeit, auf die Möglichkeit, sich weitere Standbeine zu schaffen, auf die Entlastung der Familie und des Familienlebens, auf die Zukunftssicherheit, auf Wissensaustausch und Betriebswachstum hinwies.
In der kurzen Podiumsdiskussion wurden Fragen an den Steuerspezialisten im Bauernbund, Christian Mair, und an die Kontaktperson in der Abteilung Landwirtschaft der Landesregierung, Ruth Messner gerichtet. Interessiert war man auch am Verhältnis Viehbesatz und staatlicher Förderung in der Schweiz im Vergleich zur Bezuschussung durch die Europäische Union in Südtirol.
Damit die Kuh noch länger in der Landschaft bleibt
Laatsch/Schluderns – Sie wird wohl die erste dieser Art im Vinschgau sein. Noch nicht einmal zwei Monate alt hat sie bereits Wirkung gezeigt. Immerhin war sie Auslöser der Tagung „Kooperationen in der Landwirtschaft“ an der Fachschule für Land- und Forstwirtschaft Fürstenburg in Burgeis. Die Zusammenarbeit zwischen dem Bio-Bauern Günther Wallnöfer, 32, und dem Bergbauern Ulrich Ruepp, 25, hat eine lange Anlaufphase. Sie ist nach zahlreichen Beratungsgesprächen, nach Besichtigungen und Informations-Fahrten entstanden. Wallnöfer, Milchbauer in Laatsch, und Ruepp, Bauer auf dem 1.550 Meter hohen Gial-Hof am Schludernser Berg und Förster in Schlanders, erhoffen und erwarten sich davon wirtschaftliche, aber auch soziale Vorteile. Der Kooperation liegen folgende, vereinfachte Überlegungen zugrunde: 1. Jeder tut, was er am besten kann, 2. Jeder kann mehr einnehmen aus dem, was er hat. Der Bio-Milchbauer in Laatsch ersetzt die abgezogenen Großvieheinheiten pro Hektar durch Melkkühe und hat Einfluss auf die Qualität seiner Zucht durch den Rückkauf der eigenen Tiere. Der Bergbauer in Schluderns sichert sich ein gewisses Einkommen durch den vereinbarten Rückkauf der hochträchtigen Tiere und kann durch Einsparen von Arbeitszeit seinen Beruf als Förster ausüben. Was die Abteilung Landwirtschaft der Autonomen Provinz Bozen als „überbetriebliche Zusammenarbeit zwischen zwei Vieh haltenden landwirtschaftlichen Betrieben“ bezeichnet, wurde im Falle des „Mala“ Günthers aus Laatsch und des „Gioler“-Bauern – wie die Einheimischen sagen - aus Schluderns sogar zu einem übergemeindlichen Abkommen zwischen einem Milchvieh haltenden Talbauern und einem Vieh haltenden Bergbauernhof in Familienbetrieb. Laut Wallnöfer müssen solche Kooperationen unter verschiedenen Aspekten gesehen werden. „Wie sollen wir unser Almen bestoßen, wo bleibt der Landschaftsschutz, wo bleibt die Qualität, wenn die Bauern zur Aufzucht billige Kalbinnen oder Kühe aus Österreich importieren?“, fragte der Vollblut-Bio-Bauer, auf dessen Stallmauer „Landschaft mit Kuh“ zu lesen ist. Der Nebenerwerbsbauer Ulrich Ruepp stellte existenzielle Überlegungen an: „Ich möchte meinen Hof erhalten. Zum Leben wirft er aber zu wenig ab und ist derzeit nur durch die Arbeitsleitung mehrerer Familienmitglieder zu halten. Durch die Spezialisierung auf Galtvieh werden meine Weiden genützt und das Melken entfällt. Ich spare Zeit, kann mich im Sommer auf das Einbringen des Futters konzentrieren und meinem Beruf nachgehen.“
Günther Schöpf