Frühling in Glurns
Das Stadtl auf dem Weg zu sich selbst
Bis zum Sommer scheint die Laubengasse ausgestorben zu sein.
Initiatoren und Diskutierende (v.l.): Sara Fleischmann mit Töchterchen Mara, Martin Unterer, Stefan Winkler, Ignaz Niederholzer, David Frank, Peter Bertagnolli, Thomas Ortler und Ulrike Strimmer.
Podiumsdiskussion: Glurnserinnen und Glurnser reden über Glurns.

Leben in Glurns ist schön, aber…

Der Versuch einer Standortbestimmung mit Podiumsdiskussion fand Anklang.

Publiziert in 6 / 2023 - Erschienen am 28. März 2023

Glurns - Auf der Nordhalbkugel der Erde begann der Frühling am 20. März 2023 um 22:24 Uhr. Die gut 70 Glurnserinnen und Glurnser waren um 3 Stunden schneller. Sie trafen sich um 19.30 Uhr im Dachgeschoss des Rathauses, um das „Entwicklungspotenzial für Glurns“ festzustellen. Dazu wurde gefragt: „Wo stehen wir, wo wollen wir hin, wie können Bürgerinnen und Bürger ihre Zukunft nachhaltig mitgestalten?“ 6 Glurnser waren von den Gemeinderäten Stefan Winkler und Ignaz Niederholzer überredet worden, ihre Sichtweisen darzulegen. Mit Sara Fleischmann und Ulrike Strimmer waren 2 „zugezogene Glurnserinnen“ aus Schlanders und Prad vertreten, die eine als „Mutter“ von 2 Kindern, die andere als „Arbeitnehmerin“. Thomas Ortler wurde als „Gastronom“, David Frank – zugezogen aus Matsch - als „Agronom und Musiker“, Peter Bertagnolli als „Landwirt“ angeführt. Der Vertreter der Jugend war verhindert. Die Besucher kamen aus allen Schichten, aus allen Altersstufen und Geschlechtern und aus allen politischen Lagern. Unterm Strich: Im Dachgeschoss saß das eigentliche Entwicklungspotenzial der Stadtgemeinde. Als Moderator konnte Martin Unterer gewonnen werden. Der Glurnser ist beruflich Direktor der Fachschule für Landwirtschaft Salern.

Kleines, aber feines Glurns

Fleischmann und Strimmer sahen sich in erster Linie als zugezogene Mütter, die schnell Anschluss fanden und sinngemäß feststellten: „Eigentlich haben wir alles, Geschäfte, Spielplatz, Sportplatz, Grund- und Mittelschule mitten in der Stadt und die besondere Wohnatmosphäre in der historischen Altstadt.“ Ein „Aber“ bezog sich auf die fehlende Kindertagesstätte und auf die letzthin geschlossenen Geschäfte. Der Landwirt Bertagnolli hat sich eingerichtet und ist erfolgreicher Direktvermarkter. Im Winter weniger zu legen, könne er seinen Hühnern nicht anordnen, aber er könne in die Skigebiete fahren. „Flott wäre, wenn auch im Winter was los wäre und Gastbetriebe geöffnet hätten.“ Der Gastronom Thomas Ortler blickt geprägt von einem Geschichtestudium auf sein Stadtl und hat mit dem Gastbetrieb „Flurin“ so etwas wie ein Glurnser Wahrzeichen oder besser Rufezeichen geschaffen. Auch er meinte: „Es ist ‚schod‘, wenn die Gäste kommen und alles geschlossen vorfinden.“ Weil seine Frau dem Auszug aus Wien zugestimmt hatte, wenn sie in einer Stadt wohnen könnte, aber nie eine Größe nannte, sei er, David Frank, in Glurns gelandet. Die Zuhörer schmunzelten. Als Mitarbeiter der IDM und als Musiker komme er im Land herum. Glurns habe das Kulturelle und Historische und die Natur rundherum, meinte er überzeugt. „Glurns ist die kleinste und feinste Stadt, wo das zwischenmenschliche Netzwerk wirklich gut funktioniert.“ Er führte die vielen leeren Häuser an und als Widerspruch die Probleme für Jungbürger, sich eine Bleibe zu leisten. Im Kulturbereich – fand er - spiele sich kaum etwas ab. 

Die Winterruhe stören

Hier setzte Moderator Unterer erstmals an: „Wie kann man die Winterruhe stören? Was kann man kulturell anbieten?“ Frank sah keinen „Austragungsort für uns kreative Vinschger“. Vielleicht könnte die Bezirksgemeinschaft Kultur ins Tal holen. Ortler sah in Glurns einen genügend attraktiven Platz, um mehr Kultur zu bieten. Unterer fragte, ob eine Obervinschger Zusammenarbeit ins Auge gefasst werde. Auf jeden Fall, so Ortler. Man müsse sich Gedanken machen über die Glurnser Attraktivität. Bertagnolli wurde gefragt, wie er sein Angebot noch attraktiver gestalten könne. Anstatt auf seine Produktpalette einzugehen warf er verschiedene Ideen in den Ring: einen Eislaufplatz auf dem Stadtplatz, die Rodelbahn auf Trai, einen gemeinsamen Arbeitsraum oder die Wiederbelebung der Sennerei. Moderator Unterer brachte auch den Begriff Nachhaltigkeit ins Spiel. Aus den Reihen der Bürger kamen – immer sachlich formuliert - viele Wortmeldungen und Klagen zum Thema Verkehr im Stadtl, aber auch im Vinschgau. Man wünschte sich mehr Aktivität der Gemeinde bei der Strom-Produktion. Ganz kurz tauchte der Hinweis aufs „Car Sharing“ auf. Man wunderte sich, dass die Gemeinde Mals als strukturschwach eingestuft, Glurns aber nicht genannt wurde. Länger im Gespräch blieb das Thema Auflagen des Landesdenkmalamtes bei Bau oder Renovierung im Stadtl. Mit einem gewissen Stolz hob man die Tatsache hervor, dass Glurns nicht mehr zu den abwanderungsgefährdeten Gemeinden gehöre. Mit der Empfehlung, untereinander weiter zu diskutieren, bedankte sich Stefan Winkler bei den Bürgern, speziell bei Bürgermeister Erich Wallnöfer, seiner Stellvertreterin Rosa Pichler Prieth, den Gemeinderäten und bei den Teilnehmern am Podium. Er bedauerte, dass das Ehrenamt und damit die vielen Glurnser Vereine nicht zur Sprache gekommen sind, dass bei der Nachhaltigkeit die Aspekte „Bike Sharing“ und Car Sharing nicht ausführlicher behandelt wurden. Zum Glück sei man nicht auf die Parkplätze gekommen, dann wäre es mit dem Frieden aus gewesen, merkte eine ältere Bürgerin dem der Vinschger gegenüber an.

Günther Schöpf
Günther Schöpf

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