Als das Speiseeis in den Vinschgau kam
Nach fast 50 Jahren nimmt Gloria Arnoldo Abschied
Diese kleine Handkurbel-Eismaschine für den Privathaushalt hat Gloria Arnoldo auf einem Flohmarkt entdeckt.
Angelo Arnoldo mit der ersten Eismaschine
Das Vanilleeis ist fertig.
Zunächst war Pietro Arnoldo mit einem Eisfahrrad unterwegs (Bild links) und später mit einem Eismotorrad (rechts)
Gloria Arnoldo übergibt den „Eislöffel“ an Rosmarie Ferlito

Mit einem Eiswagen fing alles an

Viele Vinschger schleckten in den 1930er Jahren ihr erstes Eis. Rosmarie Ferlito übernimmt ab 2020 die Eisdiele Ortler.

Publiziert in 32 / 2019 - Erschienen am 24. September 2019

Schlanders - Es gibt heute noch Vinschger, die sich daran erinnern, wie sie in den späten 1930er Jahren zum ersten Mal ein Eis schleckten und wie es ihnen schmeckte. Es waren drei Brüder aus der Val di Zoldo in der Provinz Belluno, die zu dieser Zeit erstmals im Vinschgau Eis herstellten und verkauften. Die Brüder Giacomo, Angelo und Pietro Arnoldo hatten sich in ihrem Heimattal auf die Eisherstellung spezialisiert. Erlernt hatten sie das Handwerk von sizilianischen Eisherstellern, die in die Provinz Venedig gezogen waren. Die Val di Zoldo wurde schon früh als „Tal der Eismacher“ bekannt. Außerdem waren viele Talbewohner im Holzbereich sowie im Abbau und der Verhüttung von Eisenerz beschäftigt. Nicht alle wissen, dass das Holz für den Bau vieler Gondeln in der rund 130 Kilometer entfernten Lagunenstadt Venedig aus den Fichten- und Lärchenwäldern des Zoldo-Tals stammt. Nicht von ungefähr gibt es in Forno di Zoldo ein Eisen- und Nagelmuseum (Museo del ferro e del chiodo). Übergroße Nägel wurden seinerzeit für die Befestigung von Holzpfählen in Venedig benötigt. Die „Serenissima“ steht zum Teil auf Holzpfählen.

Zu Fuß über den Jaufen in den Vinschgau

Die „Eisbrüder“ Giacomo, Angelo und Pietro hatten zunächst die Absicht, sich in Sterzing als Eishersteller und -verkäufer niederzulassen. Weil ihnen dort aber wenig Erfolg beschieden war, zogen sie Ende der 1930er Jahre zu Fuß über den Jaufenpass nach Meran und weiter bis nach Schlanders, wo sie in einem kleinen Magazin erstmals Speiseeis herstellten. Das war der Anfang der „Eiszeit“ im Vinschgau. Pietro verfeinerte die Kunst der Eisherstellung, kaufte zwei Eiswagen an und radelte bzw. fuhr mit seinen Eisspezialitäten bis hinauf nach Mals und hinunter bis Latsch und Naturns. Zumal das Eis immer größeren Zuspruch fand, eröffneten Pietro und seine Frau Antonietta Mayer, die ebenfalls aus Belluno in den Vinschgau gekommen war, am 29. Juni 1970 die Eisdiele Ortler in Schlanders.

Von Kindesbeinen an in der Eisdiele

Gloria, eines der 4 Kinder von Pietro und Antonietta, wuchs sozusagen in der Eisdiele auf. Schon in ihren Jugendjahren wurde sie von ihrem Vater in die Kunst der Eisherstellung eingeführt. „Große Geheimnisse gab es eigentlich nicht“, sagte Gloria dem der Vinschger. Wie schon ihr Vater habe auch sie stets darauf geachtet, möglichst hochwertige Zutaten und saisonale Früchte zu verwenden: „Die Milch haben wir immer bei der Sennerei in Schlanders geholt, solange es diese noch gab. Die Eier kauften wir ebenfalls vor Ort ein und als Früchte verwendeten wir vorwiegend jene, die in Schlanders und im Umkreis je nach Jahreszeit zu haben waren.“ Das gilt übrigens bis heute. So werden derzeit zum Beispiel Palabirnen, Trauben und Kürbisse für die Eisherstellung verwendet. „Natürlich müssen wir auch den Wünschen nach Eis mit Südfrüchten nachkommen“, sagt Gloria. Aber auch hierbei wird das Kriterium der Qualität hochgehalten.

Vanilleschoten aus Madagaskar

Für das Vanilleeis zum Beispiel verwendet Gloria Vanilleschoten aus Madagaskar. Für ein Kilogramm solcher Vanilleschoten sind bis zu 1.000 Euro und mehr hinzublättern. Hochwertige Haselnüsse bezieht sie aus der Gegend um Cuneo und das Rohprodukt für das Pistazien-Eis kommt aus Bronte, einem kleinen Dorf am Fuße des Vulkans Ätna auf Sizilien, wo nach Meinung vieler Italiener die besten Pistazien gedeihen. Wenig Wert legt Gloria auf eine übergroße Zahl an Eissorten: „Wie schon mein Vater bin auch ich überzeugt, dass es besser ist, zum Beispiel bis zu 20 gute Eissorten gleichzeitig anzubieten, als doppelt so viele mit weniger Qualität.“ Dass in der Eisdiele Ortler die Qualität großgeschrieben wird, belegen auch mehrere hohe Auszeichnungen.

Eismaschinen brachten Arbeitserleichterung

Noch immer voll in Schuss sind die 3 Eismaschinen, mit denen in der Eisdiele Ortler seit nunmehr 50 Jahren Speiseeis hergestellt wird. Diese Maschinen bleiben auch in Zukunft erhalten, weil man mit einer modernen Eismaschine das Rezept verändern müsste. Kurz: Damit das Eis so schmecken kann, muss man diese alten Maschinen verwenden. Das Herz dieser Speiseeisbereiter ist ein doppelwandiger Zylinder, dessen Mantel den Verdampfer der Kältemaschine bildet und dessen Innenraum den mit Luft angereicherten Mix aufnimmt. Das an der Zylinderwand anfrierende Eis wird von der „Schlagwelle“, einem wandgängigen Rührwerk, abgeschabt. Die erste patentierte Eismaschine aus dem Jahr 1843 wurde mit einer Handkurbel betrieben. Die Eismaschine vereinfachte die Eisherstellung stark. Kleine Handkurbel-Eismaschinen wurden später auch für den Privathaushalt entwickelt.

„Ich habe diesen Geschmack nie vergessen“

Für Gloria Arnoldo geht am kommenden 29. September ein Lebensabschnitt zu Ende. Sie wird an diesem Tag zum letzten Mal die Eismaschinen einschalten und mit dem großen Löffel das Speiseeis aus den Behältern schöpfen. Ganz ohne Wehmut gibt sie den „Eislöffel“ zwar nicht aus den Händen, ist aber gleichzeitig zuversichtlich und überzeugt, die von ihrem Vater geerbte und ein halbes Jahrhundert alte Tradition an gute Hände weiterzugeben. Es ist Rosmarie Ferlito, die ab dem 13. März 2020 die Eisdiele Ortler führen wird. Während der vergangenen 18 Jahre hat sie mit ihrem Mann Thomas auf Sizilien gelebt und gearbeitet. Tätig war sie unter anderem im „Caffè Sicilia“ in Noto in der Provinz Syrakus, von dem es heißt, dass es dort das beste Eis Siziliens gibt. Vor wenigen Monaten ist das Paar nach Schlanders zurückgekehrt. Rosmarie arbeitet schon seit einiger Zeit in der Eisdiele Ortler und wurde von Gloria in die Eisherstellung eingeführt. Derzeit absolviert sie den Lehrgang für die Speiseeisherstellung in Bozen. Die Leidenschaft für diese Tätigkeit liegt schon ziemlich weit zurück und ist neben der beruflichen Ausbildung und Qualifikation wohl eine weitere Voraussetzung für eine erfolgreiche Fortsetzung der „Eistradition“ von Pietro und Gloria. Rosmarie wörtlich: „Als ich Kind war, durfte ich am Sonntag immer mit meiner Großmutter nach der Messe bei den ‚Kapuzinern’ ein Eis essen. Ich bestellte immer Bananensplit mit Vanilleeis. Den Vanillegeschmack habe ich bis heute nicht vergessen.“

Josef Laner
Josef Laner

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.