Doppelte Staatsbürgerschaft
Die Gäste am Podium (v.l.): Sven Knoll, Elmar Thaler, Albrecht Plangger, Moderator Eberhad Daum, Werner Neubauer, Hans Heiss und Sigmar Stocker.

Nur „halbherziges“ Herzensanliegen?

Publiziert in 38 / 2016 - Erschienen am 26. Oktober 2016
„Österreichische Staatsbürgerschaft für Südtirol ist notwendiger denn je“. Plangger geht mit seiner Argumentation unter. „Ruf aus Südtirol fehlt.“ Prad - Würde Südtirol politisch an einem Strang ziehen und die österreichische Staatsbürgerschaft für die Südtiroler wirklich wollen und fordern, bestünden gute Aussichten, sie auch zu bekommen. Dies war der fast einhellige Grundtenor der sehr gut besuchten Podiumsdiskussion, zu der die Schützenkompanie Prad am vergangenen Freitag in Zusammenarbeit mit dem Südtiroler Schützenbund in das Nationalparkhaus nach Prad eingeladen hatten. Über 200 Zuhörer aus dem Vinschgau und darüber hinaus konnte ­Schützenhauptmann Alfred Theiner begrüßen. Am Podium hieß er den österreichischen Nationalratsabgeordneten Werner Neubauer von der FPÖ willkommen, den SVP-Kammerabgeordneten Albrecht Plangger, die Landtagsabgeordneten Hans Heiss (Grüne), Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) und Sigmar Sticker (Freiheitliche) sowie Elmar Thaler, den Landeskommandanten des Südtiroler ­Schützenbundes. „Kein Ruf aus Südtirol“ Zur einleitenden Feststellung von Moderator Eberhard Daum, wonach es in Österreich derzeit keine politische Mehrheit für eine Doppelstaatsbürgerschaft für Südtirol gibt, meinte Neubauer, dass einer der Gründe dafür darin liege, dass der Ruf der derzeitigen Südtiroler Landesregierung nach der Doppelstaatsbürgerschaft fehle. Weder seitens des früheren noch des amtierenden Landeshauptmannes sei ein solcher Ruf gekommen. Neubauer: „Dem Vaterland Österreich ist kein Vorwurf zu machen.“ Wenn man die ­Doppelstaatsbürgerschaft tatsächlich erhalten wolle, „muss man sie auch fordern.“ Plangger meinte, dass die österreichische Staatsbürgerschaft zwar seit jeher ein Herzensanliegen der SVP sei, doch es gebe noch immer viele offene Fragen, die es vorab zu beantworten gelte. Plangger: „Das Ziel ist das gleiche, aber die politische Machbarkeit sehe ich derzeit nicht. Die Sache ist noch nicht reif. Zuerst müssen die Rechte und Pflichten beider Seiten zu Papier gebracht werden.“ Plangger plädierte dafür, zunächst auf eine Verankerung der Schutzmachtfunktion in der österreichischen Verfassung hinzuarbeiten. „Es gibt keine offenen Fragen“ Thaler, Knoll, Neubauer und Stocker „zerpflückten“ die Argumentation des SVP-Kammerabgeordneten. „Der ‚Abi’ sagt etwas, aber nicht die ganze Wahrheit“, so Thaler. Es gebe keine ­offenen Fragen. Und wenn es solche gäbe, wären sie alle lösbar. Dass dem so sei, habe auch ein von der Landesregierung in Auftrag gegebenes Gutachten ergeben. Auch laut Knoll seien keine Fragen offen. So würde es etwa keine Wehrdienstpflicht geben, wohl aber das Wahlrecht und andere Rechte. Um materielle Vorteile gehe es nicht. Knoll warf der SVP vor, „mit der Unwissenheit der Bevölkerung zu spielen.“ Die doppelte Staatsbürgerschaft sei in 26 EU-Staaten Realität und somit eine „ganz normale Sache.“ Selbst Italien biete italienischen Minderheiten im Ausland die Möglichkeit, die italienische Staatsbürgerschaft zu beantragen. Zur Frage, wer die Staatsbürgerschaft beantragen kann, meinte Knoll: „Jene, die österreichische Vorfahren haben oder alle, die der deutschen und ladinischen Sprachgruppe angehören.“ Wie schon Knoll äußerten sich auch Thaler, Neubauer und Stocker dahingehend, dass die doppelte Staatsbürgerschaft die beste Absicherung der Südtiroler Autonomie wäre. Gäbe es in Südtirol nämlich Personen, die sich an Parlaments- und Bundespräsidentenwahlen in Österreich beteiligen dürfen, würden sich alle Parteien in Österreich mehr um Südtirol kümmern. „Absicherung der Autonomie“ Für Stocker wäre die Doppelstaatsbürgerschaft auch insofern ein Schutz, „als dass sich Italien schwerer tun würde, die Autonomie anzugreifen, wenn in Südtirol österreichische Staatsbürger leben.“ Thaler meinte, „dass wir mit jeder neuen Generation ein bisschen weniger Österreicher werden“ und warf die Frage auf: „Mit was können wir unsere Autonomie in Zukunft rechtfertigen?“ Angst vor neuen Gräben Heiss ist der Meinung, „dass wir Südtiroler die österreichische Staatsbürgerschaft nicht benötigen.“ Er gab zu bedenken, dass sich in der Gesellschaft Gräben neu auftun könnten. Das friedliche Zusammenleben unter den Volksgruppen könnte „schleichend belastet“ und das „Unbehagen“ der Italiener verstärkt werden. Die Kernfrage, wer die österreichische Staatsbürgerschaft beantragen darf und wer nicht, sei bis dato nicht beantwortet. Thaler, Knoll und Neubauer wider­sprachen. „Den Italienern wird nichts genommen“, so Thaler. Er frage sich, was die SVP bisher tatsächlich für das „Herzensanliegen“ unternommen hat. In Wahrheit sei es so, dass Wien in Bozen anrufe, und sich erkundige, wie man aus dem Schlammassel herauskomme, ohne Italien zu vergrämen. Plangger solle nicht als Anwalt Renzis fungieren, „sondern als Anwalt der Menschen hier im Saal.“ „Es sind wir Südtiroler, denen die Staatsbürgerschaft genommen wurde“, sagte Knoll. Es darf nicht vergessen werden, dass unsere Autonomie eine ethnische ist, nicht ein territoriale.“ Plangger sprach sich dagegen aus, die Doppelstaatsbürgerschaft „mit Gewalt“ zu fordern, sonst schade man der Sache selbst. Knoll sieht in der Schutzmachtfunktion Österreichs nur eine Willensbekundung, aus der keine Verpflichtung resultiert. Wenn es wirklich Spitz auf Knopf steht, würde es laut Neubauer der italienische Verfassungsgerichtshof sein, der letztendlich entscheidet. „Wenn ihr sie nicht fordert, gibt es keine“ Im Publikum saßen u.a. viele Schützen sowie Anhänger der Süd-Tiroler Freiheit und der Freiheitlichen. In etlichen Wortmeldungen wurde bestritten, dass sich infolge der Doppelstaatsbürgerschaft Risse in der Gesellschaft auftun könnten. Mehrfach hingewiesen wurde auch darauf, dass Europa in der Krise stecke, Italien vor der Pleite stehe und ein Austritt Italiens aus dem EU-Währungsraum nicht auszuschließen sein. Auch aus diesem Grund sei es an der Zeit, die Doppelstaatsbürgerschaft zu erhalten. Zum Teil harsch kritisiert wurde die Haltung Planggers zur zentralistisch ausgerichteten Verfassungsreform, über die in Italien am 4. Dezember abgestimmt wird. Mit seiner Überzeugung, „dass die Reform dem Land Südtirol Vorteile bringt und dass die geplante Sicherungsklausel das Instrument für der Erhalt weiterer Kompetenzen sein wird,“ stand Plangger sowohl am Podium als auch im Publikum so ziemlich alleine da. Aus vielen Wortmeldungen war herauszuhören, dass die Politik viel mehr unternehmen soll, um zur österreichischen Staatsbürgerschaft für Südtirol zu kommen: „Wenn ihr sie nicht fordert, gibt es keine.“ Das Volk ist weiter als die Politik In seinem Schlussplädoyer rief Thaler die SVP und Plangger dazu auf, mehr für das „Herzensanliegen“ zu tun. Für Stocker ist es unerlässlich, dass in diesem Punkt alle politischen Kräfte an einem Strang ziehen. Auch Knoll plädierte für eine gemeinsame Linie im Landtag: „Es ist eine Frage der Zeit, aber wir arbeiten weiter daran.“ Die SVP wolle offensichtlich bei Italien bleiben, „wir wissen, wer wir sind und wo wie hingehören.“ Heiss sieht in der Doppelstaatsbürgerschaft ein trojanisches Pferd, das rechtlich zwar zulässig sei, aber politische Folgen haben würde, und zwar in Richtung „Los von Italien“. Damit würde der Friede in Südtirol gefährdet. Plangger blieb bei seiner Überzeugung. Auch er wünsche sich die Doppelstaatsbürgerschaft, doch sie sei derzeit aufgrund vieler offener Fragen politisch nicht machbar. „Nicht die doppelte Staatsbürgerschaft spaltet die Menschen in Südtirol, sondern die faschistischen Denkmäler“, sagte Neubauer. Die Politik in Südtirol fahre über die Menschen hinweg: „Während die Politik in vielen Bereichen noch im 20. Jahrhundert steckt, ist das Volk schon längst im 21. Jahrhundert angekommen.“ Sollte in Österreich in Zukunft die FPÖ Regierungsverantwortung übernehmen, werde das Anliegen der Doppelstaatsbürgerschaft in das Regierungsprogramm mit aufgenommen. Sepp
Josef Laner
Josef Laner

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