Pfunds nutzt die Katastrophe als Chance
Bürgermeister Gerhard Witting erklärt, wie das Rückhaltebecken im Ortsbereich von Pfunds in Zukunft aussehen wird. Die wellenförmigen Steinmauern lassen schon jetzt erkennen, dass hier kein klassisches Becken mit geraden Betonmauern entsteht.

Verbauung und Kunst in einem Zug

Publiziert in 24 / 2007 - Erschienen am 27. Juni 2007
Pfunds – Die verheerende Hochwasserkatastrophe vom 22. August 2005 hat in Pfunds tiefe Narben hinterlassen. Besonders der Ortsteil Stuben ist stark heimgesucht worden. Die materiellen Schäden an den Gebäuden und Betrieben sind mittlerweile zum größten Teil behoben. Voll im Gang sind noch die Verbauungsarbeiten am Stubnerbach. Hand in Hand mit dem Bau des Rückhaltebeckens im Ortsbereich werden auch Gestaltungsmaßnahmen gesetzt, die über das rein technische Bauwerk weit hinausgehen. Die Katastrophe wird sozusagen als Chance genutzt. Ein Gestaltungskonzept dieser Art ist in ganz Österreich ein Novum. „Das Rückhaltebecken wird zum Kunstobjekt“, freut sich der Pfundser Bürgermeister Gerhard Witting. Auch Süd­tirol ist mit eingebunden. Schon bei den Sofortmaßnahmen unmittelbar nach der Katastrophe sei die Hilfe aus dem Vinschgau und aus ganz Südtirol beispielhaft gewesen. Das Gefühl der Zusammengehörigkeit sei ungemein gestärkt worden, und zwar nicht nur unter den Behörden, sondern auch auf der Ebene von Vereinen und der menschlichen Beziehungen insgesamt. Schon im März 2007 hatte Gerhard Witting alle Anrainer des Rückhaltebeckens im Ortsbereich über die Gestaltungsvorschläge informiert. Von Anfang an in die Planung miteingebunden wurden natürlich auch die Verantwortlichen der Gebietsbauleitung Oberes Inntal der Wildbach- und Lawinenverbauung. „Es ist dies das erste Mal, dass wir ein Projekt dieser Art ausführen. Mir gefällt das Konzept sehr gut, denn damit wird bei den Bewohnern, Kindern und Gästen das Verständnis für Geschehnisse, wie wir sie hier vor zwei Jahren erlebt haben, geweckt.“ Dies sagte Christian Weber von der Gebietsbau­leitung Oberes Inntal auf einer Gemeindeversammlung in Pfunds am 19. Juni. Dass es mit dem Bau des Rückhaltebeckens etwas Besonderes auf sich hat, ist schon jetzt deutlich zu ­sehen. Anstelle der klassischen, schnurgeraden Betonwände in herkömmlicher Manier werden an beiden Ufern des Stubnerbachs wellenförmige Steinmauern gebaut. Damit soll laut dem Bürgermeister das Fließen des Wassers dargestellt werden. „Oberste Priorität hat natürlich die Sicherheit. Diese darf wegen der Gestaltungsmaßnahmen nicht verringert werden“, sagte der Landschaftsplaner Klaus Michor, der das Konzept zusammen mit dem Architekten Stefan Thalmann federführend mitentwickelt hat. Die Bautechnik wurde mit der Wildbach- und Lawinenverbauung bis ins Detail abgestimmt. Mit dem Rückhaltebecken soll auch ein emotioneller Zugang geschaffen werden. Es soll ein Ort der Erinnerung an 2005 geschaffen werden, ein Ort, der die vielen Gesichter des Wassers darstellt, ein Ort der Identifikation der Bewohner mit dem Wasser. An der Westseite entstehen 4 große Wasserskulpturen. Die Ostseite wird als Themenufer gestaltet und soll als Zugang des Menschen zum Becken bzw. Wasser dienen: Informationspunkt, Aussichtsplattform, Ort der Begegnung, Wildwasserweg. Auch Bepflanzungen sind geplant. Als Baumater­ialen werden Naturstein, Beton, Stahl, Steingabionen und Holz verwendet. Auch das Licht bzw. Lichtinstallationen werden eine Rolle spielen. Außerdem wird das Rückhaltebecken auch einer Nutzung zugeführt: Eisklettern im Winter und Ausgangspunkt für die Wasser-Themenwege im Sommer. Auch die Fußbrücke „Peststeig“ ist in das Konzept mit eingebunden. Die Gestaltung des Beckens kostet laut Gerhard Witting 400.000 Euro. Einen Teil der Kosten trägt das Land Tirol. Für den Rest kommt die Gemeinde Pfunds auf, und zwar über ein EU-gefördertes Interreg-Projekt mit den Gemeinden Alleghe (Provinz Belluno) und der Wildbachverbauung Südtirol. Die 400.000 Euro kommen zu den Gesamtkosten der Verbauung des Stubnerbachs in Höhe von rund 4 Millionen Euro dazu. Zusätzlich zum Becken im Ortsbereich, das ein Fassungsvermögen von rund 15.000 Kubikmetern haben wird, wird im Mittellauf der Bachs ein viel größeres Becken (rund 54.000 Kubikmeter) erbaut. Errichtet wird laut Christian Weber eine sich selbst entleerende Bogensperre: „Bei Hochwasser wird das Material oben deponiert und bei Normalwasser wird es nach und nach talabwärts gespült.“ Vom ursprünglichen, bereits begonnenen Ausbau eines Weges bis hin zur Baustelle wurde abgewichen. Anstelle der Zufahrt, die viel Geld gekostet und vor allem einen großen Eingriff in die Landschaft bedeutet hätte, wird man für den Bau der Bogensperre einen Seilkran errichten. Zumal sich das Becken hinter der Bogensperre selbst entleert, müssen allfällige Entleerungen in Zukunft im Becken im Ortsbereich vorgenommen werden. Dies bereitet einigen Bürgern Sorge. Als letzter Schritt der Verbauung ist auch eine Unterlaufregulierung im Mündungsbereich des Stubnerbachs in den Inn geplant. Sämtliche Verbauungsmaßnahmen sollen bis 2010 fertig gestellt sein. Viele Berührungspunkte mit dem Vinschgau und mit Südtirol An den Planungsarbeiten war bzw. ist auch die Abteilung Wasserschutzbauten des Landes Südtirol beteiligt, insbesondere in den Personen von Paul von Hepperger sowie von Abteilungsdirektor Rudolf Pollinger. Aber noch in weiteren Punkten soll grenzüberschreitend zusammengearbeitet werden. So hat es laut dem Pfundser Bürgermeister bereits erste Gespräche mit dem Bozner Bürgermeister Luigi Spagnolli gegeben. Ziel ist es, dass die Stadt Bozen die Patenschaft für eine der 4 Wasserskulpturen übernimmt. Eine weitere Patenschaft soll die Stadt Innsbruck mit Bürgermeisterin Hilde Zach übernehmen. Bei der Umsetzung des Gestaltungskonzeptes soll überdies Abraum-Material des Marmorbruchs in Laas Verwendung finden. Gerhard Witting freut sich über die immer konkretere Zusammenarbeit mit dem Vinschgau bzw. mit ganz Südtirol: „Wir wollen nicht nur in der Not zusammenstehen, sondern auch sonst zusammenarbeiten und natürlich auch gemeinsam feiern, wenn das Konzept einmal umgesetzt ist“, so Witting. Vom neuartigen Konzept der Querverbindung Wildbachverbauung-Kunst ist auch Rudolf Pollinger begeistert. Ein Vorhaben, das in Südtirol erstmals in diese Richtung geht, ist im Raum Sterzing geplant.
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.