Nadin Zöschg und Claudia Gorfer stellten die neue Beratungsstelle vor.

Halt der Gewalt: Hier finden Frauen Hilfe 

Beratungsstelle im Vinschgau eröffnet. Warum das so wichtig ist – und was hilfesuchende Frauen dort erwartet. 

Publiziert in 2 / 2023 - Erschienen am 31. Januar 2023

Schlanders - „Der Bedarf im Vinschgau ist da“, bringen es Nadin Zöschg und Claudia Gorfer auf den Punkt. Die beiden Mitarbeiterinnen der Sozialdienste in der Bezirksgemeinschaft Vinschgau wissen: „Oft ist das Thema in Tälern mit Scham behaftet. Es muss ein gesellschaftliches Thema werden“. Das Thema ist jenes der Gewalt an Frauen. Es ist – leider – heute weltweit ein alltägliches Problem. Dies belegen die nackten Zahlen: Nach offiziellen Schätzungen werden 35 Prozent aller Frauen zumindest einmal in ihrem Leben Opfer von Gewalt. Über 100 Femizide gab es alleine im Jahr 2022 in Italien. Über 100 Frauen wurden damit ermordet – von Männern. Weil sie Frauen sind. 

Auch psychische und ökonomische Gewalt

Gewalt an Frauen beginnt freilich schon viel früher. „Wir sprechen dabei neben körperlicher Gewalt auch von psychischer und ökonomischer“, erklärt Sozialassistentin Nadin Zöschg. Ökonomische Gewalt ist es etwa dann, wenn Frauen auf das Einkommen ihres Mannes angewiesen sein müssen – und letztere sich das sogar noch zunutze machen, die Frau damit „kleinhalten“ oder diskriminieren. Psychische Gewalt ist oft unsichtbar, reicht von Beschimpfungen über Drohungen und Mobbing bis hin zu Stalking. Auch der – leider nach wie vor – weit verbreitete Sexismus kann und soll als Form psychischer Gewalt betrachtet werden. Nicht zuletzt ist es oft die körperliche Gewalt, die im Verborgenen bleibt. Stichwort: häusliche Gewalt. Physische Gewalt werde „ohnehin in den allermeisten Fällen von Männern ausgeübt, die den Frauen nahestehen“ ergänzt Claudia Gorfer. Um eine Anlaufstelle für Frauen in solchen Situationen zu schaffen eröffnete am vergangenen Donnerstag, 26. Jänner, die Beratungsstelle Schlanders, koordiniert von der Bezirksgemeinschaft Vinschgau. Die Beratungen werden von qualifizierten Frauen des Vereins „Conne contro la violenza – Frauen gegen Gewalt“ angeboten. In Schlanders stehen dafür derzeit Claudia Pichler und Sara Bagozzi zur Verfügung. Bisher mussten Vinschger Frauen dafür nach Meran. Insgesamt wenden sich rund 100 Frauen pro Jahr für ein Erstgespräch an die Stelle in Meran, wie viele davon aus dem Vinschgau kommen, ist nicht bekannt. „Die Stelle in Schlanders jedenfalls stellt eine Möglichkeit dar, für jene, die nicht so weit fahren möchten. Natürlich kann man dennoch nach Meran, etwa falls man dies als anonymer betrachte“, so Gorfer. Anonymität sei aber freilich auch in der Göflaner Straße in Schlanders garantiert. Die Beraterinnen seien auch zu Verschwiegenheit verpflichtet. 

Atmosphäre des Vertrauens

Der Verein „Frauen gegen Gewalt“ führt seit 30 Jahren den Frauenhausdienst in Meran, durchschnittlich 30 Frauen werden hier aufgenommen. In Schlanders wolle man ein vorurteilsfreies Zuhören in einer Atmosphäre des Vertrauens anbieten – um dann zusammen mit den Betroffenen eine Hilfe zu suchen. Eine Unterbringung im Frauenhaus könne veranlasst werden, auch beim Schritt zu einer Anzeige gegen den Gewalttäter sei man behilflich. Jedoch werde nichts ohne das Einverständnis der Betroffenen unternommen, auch die Anzeige müsse stets von der Frau selbst kommen. „Man sucht gemeinsam den richtigen Weg. Die Frauen können sich hier sicher und verstanden fühlen“, erklären die beiden Mitarbeiterinnen der Bezirksgemeinschaft. 

Prävention und Bekämpfung geschlechterspezifischer Gewalt

Im Dezember 2021 war das Landesgesetz Nummer 13 „Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung geschlechterspezifischer Gewalt und zur Unterstützung von Frauen und ihren Kindern“ erlassen worden. „Dieses sieht eine Reihe von Maßnahmen vor, etwa den landesweiten Aufbau eines Netzwerks von Fachkräften, um aktiv das Thema der Gewalt an Frauen anzugehen“, so Gorfer. Im Vinschgau habe es dazu bereits vor rund einem Jahr die ersten Treffen gegeben. Das Ziel dabei sei es, eine Fachgruppe mit Vertreterinnen der Sozialdienste, der Gemeinden, der Ordnungskräfte, der Schulen und des Sanitätsdienstes, sowie der Fachfrauen des Frauenhausdienstes Meran zu bilden. Koordiniert wird das Netzwerk von den Vertreterinnen des Sozialdienstes Schlanders. Dass das Thema im Vinschgau angegangen werden müsse, sei klar. „Konkrete Zahlen hierzu gibt es zwar nicht, aber es gibt mehrere Vinschgerinnen, die Hilfe in Meran suchen“, erklärt Nadin Zöschg. Die Dunkelziffer sei vermutlich sehr hoch. „Viele trauen sich nicht“, weiß Claudia Gorfer. Es gelte, weiter zu sensibilisieren – damit Betroffene auch den richtigen ersten Schritt machen. Über die Gewalt sprechen und sich Hilfe suchen. 

Michael Andres
Michael Andres

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