8 von 10 Äpfeln sind verkauft
Publiziert in 24 / 2010 - Erschienen am 23. Juni 2010
Vinschgau – 80 Prozent der Rekord-Apfelernte 2009 sind mittlerweile abgesetzt. Obwohl die Obstwirtschaft zurzeit ein Tief erlebt, sieht Sepp Wielander, der Geschäftsführer des Verbandes der Vinschgauer Produzenten für Obst und Gemüse (VI.P) der Zukunft positiv entgegen. Auch über Probleme am Markt, den Apfelanbau im Obervinschgau und über weitere Themen haben wir mit Wielander gesprochen.
„Der Vinschger“: Die Viehbauern haben einen Teil ihrer Tiere bereits auf die Almen getrieben. Sind auch die Lager der Obstbauern mittlerweile leer?
Sepp Wielander: Das ist eine interessante Frage, wenn auch in keinster Weise vergleichbar. Unsere Genossenschaften haben keine Sommerpause, da ja Gott sei Dank die Äpfel 12 Monate im Jahr konsumiert werden und es somit strategisch gar nicht vorstellbar wäre, den Kunden eine „Pause“ aufzuerlegen. Wir haben somit noch in etwa 20 % der Ernte 2009 in den Lagern, die wir programmgemäß bis Herbst, also mit Beginn der Ernte, gemäß unserem Konzept geräumt haben werden.
Können die rund 1.800 Obstbauern, die ihre Ware zu den 7 Genossenschaften ALPE, GEOS, JUVAL, MEG, MIVOR, OVEG und TEXEL gebracht haben, mit dem Auszahlungspreis der Ernte 2009 zufrieden sein?
Sepp Wielander: Wenn die Zufriedenheit an den Erlösen der vorhergegangenen Jahre gemessen wird, dann werden wir allesamt nicht zufrieden sein. Stellen wir aber den jetzigen Erlös neben die Rahmenbedingungen, die uns alle zurzeit umgeben, dann gehe ich davon aus, dass unsere Mitglieder sehr wohl zufrieden sein können und auch zufrieden sein werden.
Wie bewerten Sie die Preisentwicklung der vergangenen 10 Jahre? Ging es angesichts der Produktionskosten und des bürokratischen Mehraufwandes, von dem auch die Obstwirtschaft nicht verschont blieb, eher abwärts oder aufwärts?
Sepp Wielander: Ich bin der Meinung, dass uns bewusst sein muss, dass auch wir im Vinschgau nicht auf einer Insel leben, die von allen Marktdynamiken abgeschottet ist. Ich glaube, dass es die Obstwirtschaft unseren Bauern mit ihren Familien ermöglichte, in den letzten 10 Jahren ein zufriedenstellendes Einkommen zu erwirtschaften. Auch im nächsten Jahrzehnt wird diese Existengrundlage gesichert bleiben. In erster Linie regulieren Angebot und Nachfrage den Preis und somit werden wir auch künftig mit Höhen und Tiefen zurechtkommen müssen, so wie alle anderen Unternehmer auch. Zurzeit erleben wir sicher ein Tief, jedoch wir können durch ein wachsames Handeln in der Produktion und in der Vermarktung für die Zukunft trotzdem zuversichtlich bleiben.
Warum wird es immer schwieriger, die Äpfel an die Frau, den Mann und das Kind zu bringen, obwohl der Vinschgau mit der hohen Qualität alles eher als hinter dem Berg stehen muss?
Sepp Wielander: Sehen Sie, der pro Kopf-Konsum an Äpfeln der 500 Millionen EU-Bürger ist in etwa derselbe geblieben, doch die Erntemengen sind allein in der EU um etwa 15 bis 20 % angestiegen. Dazu ist noch zu berücksichtigen, dass auch alle anderen Früchte das ganze Jahr über und in größeren Mengen angeboten werden. Die finanziellen Möglichkeiten der Konsumenten nehmen hingegen aufgrund der allgemeinen weltweiten Wirtschaftslage ab. Wir im Vinschgau brauchen bei Gott nicht hinter dem Berg zu stehen, denn während die meisten Anbaugebiete überhaupt nicht mehr in die Lage sind, die gesamte Produktion zu vermarkten, ist unsere Hauptsorge gerade wegen unserer Vorzüge weniger „ob“ sondern „wie“ unsere Ware abgesetzt wird. Wie schon gesagt, werden leider auch wir vom Strudel der Billigangebote und der Eigenheiten der Großkonzerne nicht verschont.
Zu Beginn des Jahres 2007 wurde das gemeinsame, zentrale Markt- und Kundenbetreuungskonzept „VI-P 3“ auf den Weg gebracht. Wo stünde der Vinschger Obstbau heute, wenn es dieses Konzept nicht gäbe?
Sepp Wielander: Wenn wir in Zeiten wie diesen unsere Energien noch dazu aufwenden müssten, um die Nachbargenossenschaft zu unterbieten, um den Zuschlag des Kunden zu erhalten, stünden wir nicht gut da. Der Kunde würde 6 Angebote bekommen und sich danach richten können. Diese Frage brauchen wir uns somit nicht mehr zu stellen, aber rund herum im Inland wie im Ausland wird - wie man weiß - ja eifrig an ähnlichen Konzepten gebastelt. Somit müssten Sie diese „Was wäre wenn“-Frage eigentlich jenen stellen, die es nun eilig bekommen haben.
Sieht man sich die Erntemengen der vergangenen Jahre im Vinschgau an, so lässt sich feststellen, dass es Jahr für Jahr neue Rekorde gab. 2007 wurden fast 300.000 Tonnen eingefahren, 2008 waren es 311.000 und im Vorjahr sogar über 372.000 Tonnen. Ist zuviel Quantität irgendwann nicht kontraproduktiv zum Preis oder gar zur Qualität?
Sepp Wielander: Da ist sicher was Wahres dran, nicht aber wegen der Preisgestaltung, denn da macht die weltweite Produktion die Musik und nicht wir im Vinschgau. Qualitativ hingegen dürfen wir unter keinen Umständen abbauen und äußerste Konsequenz walten lassen, denn wie sonst sollen wir unsere Vormachtstellung halten können? Allerdings ist da auch hinzuzufügen, dass diese zitierten Mengen ja nur möglich sind, wenn zusätzlich zum großen Fleiß der einzelnen Bauern auch die Natur von der Blüte bis zur Ernte voll auf unserer Seite steht. Somit ist es gar nicht möglich, dies alles rein unternehmerisch zu erreichen.
Im Herbst 2009 waren logistische „Seiltänze“ notwendig, um die Masse an Äpfeln überhaupt einlagern zu können. Wird sich dieses Szenario 2010 und in den Jahren danach wiederholen bzw. müssen die Obstgenossenschaften die Lagerkapazitäten weiter vergrößern?
Sepp Wielander: Das Produktionsjahr 2009 war rein von den natürlichen Ressourcen her ein außergewöhnlicher Jahrgang, der sich sicher nicht so schnell wiederholen wird. Trotzdem sind die Genossenschaft drauf und dran, auch solche Szenarien in ihren Überlegungen zu berücksichtigen und somit werden die Lagerkapazitäten sicher angepasst.
Der Apfelanbau drängt weiter in Richtung Obervinschgau vor. Im Raum Glurns, Schluderns, Tartsch und auch weiter oben sind anstelle von Grünwiesen immer öfter junge Apfelplantagen zu sehen. Gibt es hier keinen Stopp?
Sepp Wielander: Eines muss uns in einer freien Marktwirtschaft klar sein: einen Stopp, in welchem Ausmaß auch immer, werden schlussendlich nur die Natur selbst und der Markt vorgeben. Denn in der Landwirtschaft ist es am Ende entgegen mancher anderer Meinungen immer noch so, dass man nicht gegen die Natur, sondern nur mit ihr produzieren kann, um langfristig Erfolg zu haben. Und das letzte Wort hat dann noch der Markt, also der Konsument, der sich ebenso von der Güte des Produkts nicht irreführen lässt. Somit ist für mich klar: wenn es dem oberen Vinschgau gelingt - was ich sehr hoffe und wünsche - im Einklang mit den natürlichen Voraussetzungen, die zweifelsohne vorhanden sind, gute Lebensmittel zu produzieren, dann können wir dies wohl als Bereicherung ansehen, sei es für den betreffenden Produzenten als auch für den kaufenden Konsumenten.
Was ist Ihre persönliche Meinung zum Thema „Gemeinde-Immobiliensteuer und Genossenschaften“? Die Freiheitlichen haben vorgeschlagen, dass die Genossenschaften freiwillig etwas zahlen sollten.
Sepp Wielander: Ich schließe mich voll und ganz der Aussage an, die kürzlich unser Obmann Karl Dietl in einem Interview gemacht hat, nämlich dass in einem Rechtsstaat jeder das an Steuern zu bezahlen hat, was das Gesetz vorsieht. Alles andere käme einer Spende gleich und da wird sich wohl jeder Kommentar erübrigen. Die Obstwirtschaft, sprich der Obstbauer ist immer den geltenden Verpflichtungen ohne Wenn und Aber nachgekommen und wird dies auch in Zukunft tun, so wie jeder andere Bürger auch.
Vor kurzem wurde der 20. Geburtstag der VI.P gefeiert. Wo steht der Vinschgau Obstbau, wenn die VI.P 40 wird?
Sepp Wielander: Ich gehe davon aus, dass neben den Äpfeln auch die Sonderkulturen wie Kirschen, Aprikosen und Beeren einen noch festeren Platz in unserem Angebot finden werden. In der Vermarktung wird es noch breiter gefächerte Allianzen geben. Alles in allem sehe ich die Zukunft positiv.
Interview: Sepp Laner
Josef Laner