Was hat die Haider Alm mit Rom zu tun?
Albrecht Plangger mit dem Bozner PD-Abgeordneten Gianclaudio Bressa in der Verfassungskommision; „Als ehemaliger Präsident dieser Kommision ist mir Bressa eine große Stütze bei der Arbeit,” sagt Plangger. Das Foto auf der Titelseite zeigt den Vinschger Kammerabgeordneten in seinem neuen Büro (2,5 x 3 Meter), das Albrecht Plangger liebevoll auch „sgabuzzino” nennt.

Albrecht Plangger zieht erste Bilanz

Publiziert in 28 / 2013 - Erschienen am 31. Juli 2013
Seit Mitte März sitzt Albrecht Plangger im römischen Abgeordnetenhaus. Wir wollten von ihm wissen, wo er sich in Rom rumtreibt, wen er mittlerweile kennt und ob es schon gelungen ist, Erfolge nach Hause zu bringen. Das Gespräch wurde am 22. Juli geführt. der Vinschger: Wenn jemand im Gasthaus oder am Stammtisch nach Albrecht Plangger fragt, bekommt er nicht selten zur Antwort: „Seit der ‚Abi’ in Rom ist, hört man nicht mehr viel von ihm.“ Stimmt das? Albrecht Plangger: Dass man nicht viel von mir hört und sieht, mag sein. Das hängt zum einen damit zusammen, dass ich kein Politiker bin, der Wert darauf legt, wegen jeden Antrages in der Zeitung zu stehen oder in die Kamera zu lachen. Es ist nicht meine Art, professionelle Medienarbeit zu leisten. Wer Bürgermeister war, weiß wie das ist: Zuerst muss man sich die „Souln ausrennen“ und erst dann gibt es öffentliche Anerkennung. In der Gemeinde Graun sieht man mich wenig, ich „beackere“ am Montag früh, auf der Fahrt nach Bozen, meine Wahlkreise Vinschgau und Burggrafenamt, am Nachmittag bin ich meistens bei der Parteileitungssitzung in Bozen und dann fahre ich mit dem Nachtzug nach Rom. Am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag bin ich in Rom. Am Freitag komme ich am Morgen um 8 Uhr mit dem Nachtzug in Bozen an und „­beackere“ die Landesämter und die SEL-Gruppe, bevor ich langsam „durchs Tal“ nach Hause zurückkehre, meist erst am Abend, und während der Heimfahrt noch etliche „Basistermine“ wahrnehme, um sicherzustellen, dass mir vor Ort in den Energiefragen „nichts anbrennt“ und die Kommunikation mit meinen Mitstreitern halbwegs passt. Bei den Basiswahlen Anfang Jänner bekamen Sie am meisten Stimmen als Kandidat für die Kammer. Wäre es nicht mehr als logisch gewesen, Sie als Sprecher der SVP in der Kammer zu nominieren? Das hängt damit zusammen, dass ich in der ganzen Stromgeschichte, die ich übrigens als „Hausaufgabe“ mit nach Rom nehmen musste, in einigen Punkten sozusagen als Gegner der Landesregierung auftreten musste und nach wie vor muss. Anfang März und Ende April war die Situation katastrophal. Ich wusste nicht, ob die Landesregierung in der Energiefrage mit dem Vinschgau den Weg der Verhandlungen geht oder mit der Neuüberprüfung der Konzessionsanträge (riesame) einen Frontalangriff gegen mich persönlich als Vinschger Verhandlungsführer startet. Ich mache dies jedoch aus tiefster Überzeugung, da man mir die Stimme und somit die politische Bedeutung gegeben hat, um dieses Problem im Vinschgau zu lösen und landesweit neue Akzente in der Energiepolitik zu setzen. In Situationen wie diesen ist klar, dass man nicht in der ersten Reihe stehen soll oder darf. Aber das bin ich gewohnt. Ich bin groß genug, um auch aus der zweiten Reihe ­alles zu sehen und auch gesehen zu werden. Ich lerne einstweilen das Parlamentshandwerk und werde meinen Weg sicher noch finden. Ich habe aus freien Stücken dem Daniel Alfreider, SVP-Obmann Stellvertreter, den Vortritt gelassen. Er wird die Arbeit schon gut machen. Ich habe einen guten Wahlkampf gemacht und ein gutes Ergebnis für die Partei eingefahren. Das berechtigt mich jedoch nicht irgendwelche Forderungen an die Partei zu stellen. Findet diese Energiegeschichte nicht endlich ein Ende? Besonders wir Vinschger - aber nicht nur wir - sind grundsätzlich bereit, die Geschichte außergerichtlich abzuschließen. Damit es dazu kommt, sind aber bestimmte berechtigte Forderungen ­unsererseits zu berücksichtigen. Wir halten uns derzeit eher verdeckt, denn die Verhandlungen sind intensiv und heikel. Es steht sehr viel auf dem Spiel. Es geht um sehr viele Millionen Euro und wichtige Zukunftsperspektiven für den Vinschgau. Ich hätte jeden Tag eine interessante Nachricht für die Presse, aber dies würde dem Verhandlungsverlauf eindeutig schaden. Also halte ich mich, im Sinne der Verhandlungen, oft lieber etwas bedeckt. Können Sie in der Energiefrage in Rom überhaupt etwas bewirken? Ich kann das Thema nicht abgeben, weil es viel zu komplex ist und das historische Wissen von großer Bedeutung ist. Obwohl die Energiefrage eine gewaltige Doppelbelastung für mich darstellt, möchte ich alles zu einem guten Ende führen. Mein Wunsch wäre eine einvernehmliche Lösung ohne Gewinner und Verlierer. Auch als VEK-Obmann muss ich mich erst behaupten und den Weg für die eigenständige Stromversorgung im Vinschgau öffnen. Kraft meines Amtes bzw. des eindeutigen Wählerauftrages bin ich trotz aller Rückschläge zuversichtlich, dass ich es schaffe. Gelöst werden kann dieser Konflikt sicher nicht in Rom, sondern nur in Bozen. Gefragt ist vor allem der Landeshauptmann. An einigen Problemen hänge ich schon seit 15 Jahren. Aber ich sehe Licht am Ende des Tunnels. Von Politikern weiß man, dass sie kommen und gehen. Die Beamten aber bleiben und „überleben“ in der Regel mehrere Legislaturperioden. Haben Sie bereits „wichtige“ Beamte kennengelernt? Ich habe mir schon von allem Anfang an vorgenommen, auch mit ranghohen Beamten in Ministerien und Ämtern in Kontakt zu treten. Schon öfters vorgesprochen habe ich zum Beispiel bei der GSE-Behörde, welche die Strombörse und die elektrischen Dienste verwaltet, beim nationalen Stromnetzverwalter TERNA, im Umweltministerium (risorse idriche) und im Ministerium für wirtschaftliche Tätigkeiten, um Vorschläge für den neuen Energieweg in Südtirol und die neue Landesregierung zu erarbeiten. Es ist mir grundsätzlich ein Anliegen, ein Netz auf der Ebene der Beamten und Verwalter aufzubauen, denn nur so kann ich das erreichen, was ich wirklich möchte, nämlich eine Anlaufstelle für Südtiroler Behörden, Betriebe und Bürger zu werden, um deren Anliegen möglichst rasch bei der zuständigen Stelle vorzubringen und möglicherweise auch einer Lösung zuzuführen. Dieses Ziel ist noch lange nicht erreicht. Es braucht noch Zeit, aber ich arbeite hart und be­mühe mich redlich. Wenn es uns gelingt, bestimmte Dinge auf der Ebene der Verwaltungen zu erreichen, bliebe uns in Kammer und Senat so manches erspart. Rom liegt doch ziemlich weit im Süden. Sie haben schon vor und auch nach dem Wahlkampf versprochen, für Land und Leute etwas nach Hause bringen zu wollen. Können Sie schon etwas vorweisen? Wir arbeiten als SVP-Vertreter in der Kammer, im Senat und auch in den Kommissionen als „Team Südtirol“ zusammen. Es gibt genug Anliegen und Themen, welche die Menschen in Südtirol ganz konkret betreffen. Dass es etwa gelungen ist, die Müllsteuer TARES von Südtirol abzuwenden, kommt nicht von ungefähr. Auch ich durfte hier meinen Beitrag leisten. Können Sie auch als Vertreter im Verfassungsausschuss Interessen der Südtiroler bzw. der Vinschger vertreten? Sicher, und zwar mehr als man meinen möchte. Ich möchte vor allem in das sogenannte „comitato dei 42“ (21 Abgeordnete und 21 Senatoren) berufen werden, das sich spezifisch mit der Verfassungsreform befasst. Alle wichtigen Gesetzte laufen zur Zeit im Verfassungsausschuss – die Verfassungsreform, die Parteifinanzierung, das „decreto del fare“ usw.. Jüngsthin wurde im Ausschuss halbe Nächte lang über das Wirtschafts-Omnibusgesetz diskutiert. 2.200 Abänderungsanträge sind von den verschiedenen Parteien eingegangen. 400 wurden letztlich zugelassen, davon auch 10 von der SVP-Fraktion. Diese haben wir in 3 Nachtsitzungen - einmal bis 2 Uhr, dann bis 5 Uhr und zuletzt bis vormittags um 11 Uhr - abgearbeitet. Viele Anträge berühren uns Südtiroler und Vinschger direkt. Zum Beispiel? Das wichtigste Ergebnis ist, dass der Gerichtsstandort Bozen speziell für deutsche und öster­reichische Firmen, die in Italien keinen Rechtssitz haben, bleibt und nicht nach Mailand „zen­tralisiert“ wird. Zudem habe ich mich bisher leider vergeblich bemüht, ein Dekret aus der Zeit Monti zu Fall zu bringen , welches den Gemeinden vorschreibt, eigene Anteile an Liftgesellschaften, die defizitär sind, mit spätestens September 2013 abzustoßen bzw. zu verkaufen. Solche Liftanlagen stellen häufig eine wichtige wirtschaftliche Grundlage für die Bevölkerung dar. Was das speziell für die Skigebiete im Westen Südtirols bedeutet, kann sich jeder ausmalen. Es gibt viele Skigebiete, bei denen die Gemeinden Anteile halten. Angesichts dieser Sachlage hat Rom sehr wohl mit der Haider Alm zu tun, dem Watles und anderen Skigebieten. Das Thema ist nicht gelöst, aber es ist in den Ministerien, bei den zuständigen Regierungsmitgliedern und vor allem bei vielen Parlamentskollegen „angekommen“. Jetzt versuchen wir es im Senat, dann mit einer parlamentarischen Anfrage oder in den demnächst zu behandelnden Gesetzen. So ist eben die Parlamentsarbeit. Wenn sich jemand auch im persönlichen Interesse darum kümmert, dann besteht immer Hoffnung, eine Lösung zu finden. Sie sitzen in der Kammer Schulter an Schulter mit den „Grillini?“ Wie halten Sie von diesen „Fünf-­Sterne“-Kollegen? Sie tun mir leid, weil sie durchwegs auch sehr sinnvolle Vorschläge einbringen, die finanzierbar wären. In der Regel wird aber alles abgelehnt. Auch haben sie kein bestimmtes Territorium bzw. Wahlvolk hinter sich, für deren Probleme man sich einsetzen kann, sondern nur die „Internet Familie“, die sie persönlich aber keineswegs kennen. Wie oft trinken Sie mit dem SEL-­Kollegen Florian Kronbichler ein Bier? Habe leider noch keines getrunken. In Rom trinkt man eher „Frascati Superiore“. Wir sind aber zusammen in der Verfassungskommission und „tauschen“ daher auch viele Informationen, die Südtirol betreffen, aus. In Südtirol-Fragen liegt unsere Sicht der Dinge oft nicht weit auseinander. Wie lange wird Letta an der Regierung bleiben? Ich hoffe lange. Ich setzte große Hoffnungen, auch für Südtirol, in den neuen Ministerpräsidenten, auch wenn ich persönlich dem Pier Luigi Bersani nachtrauere. Was wird sich für die SVP-Vertreter in Rom ändern, wenn der Landeshauptmann Luis Durnwalder im Herbst die politische Bühne verlässt? Wir verlieren einen großen Landeshauptmann, der sich vor allem in Rom ausgezeichnet durch­setzen konnte. Viele hier kennen ihn und empfinden ihm gegenüber große Sympathie. Was hat Sie in Rom bisher am meisten geärgert und am meisten gefreut? Am meisten hat mich der „Leerlauf“ in den Parlamentsdebatten geärgert und dass alles der sogenannten „visibilità” (Sichtbarkeit) untergeordnet ist. Ärgern tu ich mich auch wenn man sich den ganzen Tag die Schuhsohlen heiß läuft und dann am Abend nicht behaupten kann, eine „Tagschicht“ für Südtirol verdient zu haben. Am meisten gefreut hat mich bisher der gemeinsame Erfolg unseres „Teams Südtirol“, dem es gelungen ist, die staatliche Müllsteuer TARES für Südtirol abzuwenden. In Ihrer Heimatgemeinde gibt es zwar schöne Jagdgründe, aber im Gegensatz zu Graun dürfte es in Rom doch ein ziemlich lebhafteres Nachtleben geben. Haben Sie das schon genossen? Nein, überhaupt nicht. Ich habe mit dem Alt-Parlamentarier ­Widmann eine Nacht durchgezecht. Das war´s. In Rom interessiert mich schon eher das gute Essen. Übrigens wohne ich immer noch im Kloster mit geregelten Zeiten.
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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