Der Wahl(Zahl)tag naht
Buhlen um Stimmen und Sitze
Am Podium saßen (v.l.): Sergio Armanini (Lega), Peter Gasser (Grüne), Ida Lanbacher (BürgerUnion), Werner Perkmann (Freiheitliche) Toni Ebner (Moderator), Dieter Pinggera (SVP), Benjamin Pixner (Süd-Tiroler Freiheit), Dunja Tassiello (PD) und Erwin Wegmann (Team Köllensperger).

Alle wollen in den Landtag

Gesundheit, Verkehr und Einwanderung sind die Hauptthemen.

Publiziert in 34 / 2018 - Erschienen am 9. Oktober 2018

Schlanders - Es ist derzeit so gut wie unmöglich, in einer Bar einen Kaffee zu trinken, ohne ange-
lächelt zu werden - von strahlenden Frauen und Männern auf kleinen und größeren Plakaten, in dicken und dünneren Broschüren, auf Hochglanz- oder Recycling-Papier. Alle Parteien und Bewegungen und auch alle Kandidatinnen und Kandidaten wollen am 21. Oktober in den Landtag gewählt werden. Die Rechnung ist aber mit dem Wirt zu machen, und der Wirt ist die wahlberechtigte Bevölkerung.

Gemeinsamer „Feind“

Was alle wahlwerbenden Parteien vereint, sind nicht nur bestimmte Themen, sondern auch ein gemeinsamer „Feind“, wenn man das so sagen darf. Dieser „Feind“ ist die Partei der Nichtwähler. Im politischen Bezirk Vinschgau kamen die Nichtwähler vor 5 Jahren immerhin auf knapp 17 Prozent. Und weil wir schon bei den Wahlen 2013 sind: die SVP sackte damals von 59 Prozent im Jahr 2008 auf 54,8 Prozent ab. Die Freiheitlichen legten von 20,3 im Jahr 2008 auf 22,9 Prozent zu, die Süd-Tiroler Freiheit wuchs von 5,8 auf 9,8 Prozent und die Grünen steigerten das Ergebnis von 5,1 auf 7,3 Prozent. Im Landtag ist der politische Bezirk Vinschgau derzeit mit Landesrat Richard Theiner und Regionalassessor Sepp Noggler vertreten. Richard Theiner scheidet bekanntlich aus. Wie stark oder schwach der Vinschgau in Zukunft im „Landesparlament“ vertreten sein wird, werden wir am 22. Oktober wissen. Fest steht indessen, welche Anliegen und Probleme der Vinschger Bevölkerung am stärksten unter den Nägeln brennen. Gezeigt sich das bei einem Diskussionsabend, den die Tageszeitung „Dolomiten“ am 1. Oktober in Schlanders organisiert hat. Als Teilnehmer am Podium konnte Chefredakteur Toni Ebner im voll besetzten großen Saal des Kulturhauses 8 Landtagskandidaten/innen begrüßen: Sergio Armanini von der Lega, Peter Gasser von den Grünen, Ida Lanbacher von der BürgerUnion, Werner Perkmann von den Freiheitlichen, Dieter Pinggera von der SVP, Benjamin Pixner von der Süd-Tiroler Freiheit, Dunja Tassiello von der Demokratischen Partei und Erwin Wegmann vom Team Köllensperger. 

Dreiminütige Statements

„In Südtirol definieren, in Rom agieren.“ So umriss der Unternehmer Sergio Armanini aus Meran in seinem Eingangsstatement das Motto der Lega, die in Rom mitregiert. Die Lega sei eine Partei, die für den Föderalismus eintrete und sich zur Autonomie bekenne. Der Tierarzt Peter Gasser aus Mals will sich in Bozen um Themen kümmern, „die den Großteil der Bevölkerung bewegen.“ Nicht um „billigen Wahlkampfpopulismus“ rund um Themen wie Wolf oder Doppelpass gehe es den Grünen, sondern um den Schutz von Natur und Landschaft, um die Zukunft der Berglandwirtschaft und um eine Ökologisierung der Landwirtschaft: „Weg von Masse und von Monokulturen und mehr ‚Malser Weg’ auch in Bozen.“ Für mehr soziale Gerechtigkeit, für gleichen Lohn für gleiche Arbeit, für eine Aufwertung der Frauen- und Familienarbeit und für Maßnahmen zur Absicherung von Kindern gegen die Armut will sich Ida Lanbacher aus Kastelbell (BürgerUnion), die Kindergartenköchin und langjährige Präsidentin der Plattform für Alleinerziehende,  stark machen. Nach Ansicht des Bergbauern und Frischfleischproduzenten Werner Perkmann aus St. Martin im Kofel von den Freiheitlichen, seines Zeichens auch Präsident und Geschäftsführer des dortigen Bodenverbesserungskonsortiums, ist in der Südtiroler Berglandwirtschaft einiges in Schieflage. Perkmann warnte vor einer Zweiklassengesellschaft. Dringend anzusetzen sei der Hebel beim Gesundheitswesen und beim leistbaren Wohnen. Dieter Pinggera (SVP) gab sich überzeugt, die vielen großen und kleinen Probleme der Menschen während seiner 9-jährigen Amtszeit als Schlanderser Bürgermeister und Vizepräsident der Bezirksgemeinschaft kennengelernt zu haben. Die „wirklich großen Dinge“ würden aber im Landtag thematisiert und behandelt. Als die drei Schwerpunkte nannte Pinggera das Krankenhaus Schlanders, den ländlichen Raum und die Chancengerechtigkeit. Die Volkstumspolitik ist laut Benjamin Pixner, Vertreter im Lebensmittelbereich aus Kastelbell, zwar nach wie vor das Steckenpferd der Süd-Tiroler Freiheit, aber es gebe noch viele weitere Themen, um die sich die Bewegung kümmere, etwa um das Thema Verkehr oder das Gesundheitswesen, konkret das Krankenhaus. Einem Zentralismus sei hierbei vorzubeugen. Dunja Tassiello aus Schlanders (Partito Democratico), seit 28 Jahren Lehrerin und seit 15 Jahren aktive Gemeindepolitikerin, gab sich überzeugt, „dass es mehr Frauen in der Politik braucht.“

Noch einiges zu verbessern

Südtirol sei zwar ein Land, „in dem man gut lebt, aber man muss noch einiges verbessern“, so Tassiello. Erwin Wegmann schaffte es nicht, in der vorgegebenen Redezeit von 3 Minuten die Grundanliegen des Teams Köllensperger darzulegen. Als er den Rückblick auf seine 10-jährige Bürgermeisterzeit in Schluderns (zunächst SVP, dann Bürgerliste) beendet hatte, war die Zeit schon um. Der Eisenbahnangestellte gab sich jedenfalls überzeugt, dass es mit dem Team Köllensperger zu einer „politischen Kehrtwende“ im Land kommen werde.

Thema Sanität

Im Anschluss an die kurzen Statements wurde im Wesentlichen über drei Themenblöcke diskutiert: Sanität, Verkehr und Einwanderung. Zum Thema Sanität und Krankenhaus meinte Gasser, dass es höchst an der Zeit sei, der Bevölkerung reinen Wein einzuschenken: „Das Chirurgie-Primariat ist seit über 2 Jahren nicht besetzt und nach der Verabschiedung von Anton Theiner ist jetzt auch das Anästhesie-Primariat vakant.“ Pixner beanstandete, dass es in punkto Gesundheitsreform „nie soweit hätte kommen dürfen. Die Regierungspartei hat vieles zerredet“. Der frühere Generaldirektor sei von der SVP angestellt worden. Im Gesundheitsbereich gebe es in vielen Bereichen Unsicherheit, stellte Prixner fest. Laut Tassiello sollte das Land noch mehr Geld in das Gesundheitswesen investieren. Kritik an der Reform und an Missständen wie es etwa die langen Wartezeiten sind, kam auch von Wegmann und Perkmann. Armanini meinte, „dass Gesundheit nicht eine Sache des Geldes sein darf, denn die Gesundheit ist ein Recht.“ Lanbacher warnte vor dem Abrutschen in eine Zweiklassen-Medizin.

„Banal und stumpfsinnig“

Pinggera sah sich und seine Partei angesichts der teils harschen Kritik zu Unrecht in die Mangel genommen: „Es tut mir weh zu hören, wie banal und stumpfsinnig links und rechts vor mir diskutiert und argumentiert wird.“ Das größte Problem im Gesundheitswesen sei der Mangel an Fachärzten und Pflegepersonal. Ganz Europa habe unter diesem Mangel zu leiden. Zur Gesundheitsreform meinte Pinggera,
dass diese zu 80% in Ordnung sei. Den SVP-Vertretern des Vinschgaus sei es gelungen, „einige für die Peripherie nachteilige Aspekte abzuwehren“. Er verwies u.a. auf den Weiterbestand der Geburtenabteilung in Schlanders und den Wiederbeginn der Fachärzteausbildung. Dass eine Verunsicherung da ist, bestritt Pinggera nicht. In Bezug auf die Primariate erinnerte er daran, dass die SVP Vinschgau geschlossen eingefordert habe, vakante Primariate nachzubesetzen.

Thema Verkehr

Einig waren sich alle darin, dass der wachsende Verkehr zu immer größeren Belastungen führt und dass Handlungsbedarf gegeben ist. Die Ansichten aber, wie dies bewerkstelligt werden soll, gingen auseinander. Wegmann gab zu Bedenken, dass es nach der Elektrifizierung der Bahn keine Schnellzüge mehr geben wird. Der Individualverkehr auf der Straße sei mittlerweile enorm. Armanini plädierte für einen „radikalen Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel“. Außerdem sollte überlegt werden, ob mit der Bahn nicht auch Waren bzw. LKWs transportiert werden könnten. Gasser sagte, „dass wir keine Schnellstraße wollen, auch nicht auf einem schleichenden Weg, sondern kurze und schnelle Umfahrungen.“ Die „saudummen“ Ampeln sollten verschwinden und mit der Bahn sollte man in Zukunft „mindestens gleich schnell nach Bozen kommen wie mit dem Auto“. Tassiello warnte vor Schäden, die der Verkehr für die Gesundheit mit sich bringt, während Lanbacher bedauerte, dass in vielen Autos nur jeweils eine Person sitzt. Laut Pixner braucht es ein Gesamtkonzept für das ganze Tal. Er brach eine Lanze für die Reschenbahn, sprich eine Zugverbindung von Landeck bis Mals. Der Aussage, wonach ein Gesamtkonzept fehle, trat Pinggera entschieden entgegen: „Es gibt seit vielen Jahren die Knoflacher-Studie, die Schritt für Schritt systematisch umgesetzt wird.“ Was den Obervinschgau betrifft, so werde eine große Umfahrung ins Auge gefasst, für die es einen breiten Konsens gebe und mit der man die Belastungen von 5 bis 6 Gemeinden mit einem Schlag in den Griff bekomme. Ab Rabland in Richtung Meran sei nur eine große Tunnellösung vorstellbar. Zur Reschenbahn meinte Pinggera, dass man keineswegs von einem Projekt reden können, „sondern höchstens von einer Skizze. Mehr ist das Ganze nicht“.

Einwanderung

Zum Themenkreis Migration, Asylwerber und Flüchtlinge ohne Bleiberecht meinte Lanbacher, dass man den Flüchtlingen in ihren Ursprungsländern helfen sollte, „und wenn wirklich arme Menschen zu uns kommen, ist zu schauen, dass sie würdig leben und arbeiten können“. Laut Armanini „können wir in dieser Frage hier in Südtirol wenig ausrichten“. Auch in diesem Punkt verwies er auf die Lega in Rom. Eine weitgehende Übereinstimmung gab es darin, dass Asylbewerber ohne Bleiberecht das Land zu verlassen hätten. Dasselbe gelte für Flüchtlinge, die Straftaten begangen haben. Gasser meinte zum Thema Migration, „dass man nicht auf Kosten der Ärmsten Politik machen sollte“. Die SVP bekenne sich laut Pinggera klar zu den christlich-sozialen Werten, „aber wenn Flüchtlinge kein Bleiberecht haben oder kriminell werden, sind sie abzuschieben“. Zum Abschluss hatten die Podiumsgäste die Möglichkeit, kurz für ihre Wahlprogramme und Kandidaten/innen zu werben und zur Teilnahme an der Wahl aufzurufen.

Josef Laner
Josef Laner

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