Viel Einsatz, viel Dank?
Neben den Einsätzen selbst gehören auch Übungen im Winter und im Sommer zum Tätigkeitsprogramm der Bergretter. Foto: Christian Knoll CNSAS Sulden/BRD-Landesverband/Andrea Kuntner

Anerkennung tut not

Publiziert in 8 / 2015 - Erschienen am 4. März 2015
Ihr Einsatzgebiet liegt vorwiegend in den Bergen und sie investieren viel Zeit und Energie, um Menschenleben zu retten. Über die Herausforderungen der 13 Bergrettungsorganisationen im Tal. Schauplatz Bäckmanngrat: Ein 22-jähriger Holländer rutscht auf dem Eis- und Felsgrat zwischen Trafoier Eiswand und Geisterspitze ab und stürzt in eine darunterliegende Gletscherspalte. Trotz seiner misslichen Lage kann er einen Notruf absetzen. Anderer Schauplatz, andere Sportart: Ein Mountainbiker stürzt am neu angelegten Holly-Hansen-Weg am Schlanderser Nörderberg. Die Bikergruppe weiß zwar, auf welchem Trail sie sich befindet, kann aber keine genauen Angaben zum Unfallort mitten im Wald machen. In beiden Fällen ein schwieriger Einsatz für die Bergrettung. Wer ist die Bergrettung? Wer eilt in Not Geratenen nicht nur am Berg zu Hilfe? Einerseits gibt es die Bergrettung im AVS, andererseits den Südtiroler Berg- und Höhlenrettungsdienst, kurz ­CNSAS, der dem nationalen Zivilschutz unterstellt ist. Ziel beider Rettungsorganisationen ist es, Präventionsarbeit zu ­leisten, die Rettung und Bergung von Verunglückten, Gefährdeten und Vermissten durchzuführen, sprich Menschenleben zu retten. Im Vinschgau gibt es 13 Berg­rettungsstellen, sieben gehören dem AVS an, sechs dem ­CNSAS. Im Haupttal dominiert der mitgliederstärkere BRD, in den Seitentälern der aus dem italienischen Alpenverein hervorgegangene CNSAS. In Martell retten beide Organisationen gemeinsam, was seit dem Generationenwechsel an den Führungsspitzen möglich wurde. So werden sowohl in Mals und in Taufers i. M. als auch in Martell beiden Organisationen gleichzeitig alaramiert, wie Giordano Gentilini vom AVS-BRD Mals als auch Roman Eberhöfer, ehemaliger AVS-BRD-Ortsstellenleiter in Martell, bestätigen. Lokalisation Zurück zu den oben kurz angerissenen Unfällen. Sie sind deshalb schwierige Einsätze, weil das Auffinden der Verunfallten eine erste, große Hürde im Einsatz ist. „Ideal wäre, wenn bereits beim Notruf neben den wesentlichen Infos auch Daten zum Unfall­ort wie die GPS-Koordinaten, Meereshöhe, Wegmarkierungsnummer oder die Aufstiegsroute angegeben werden“, sagen Olaf Reinstadler vom CNSAS Sulden und Wolfgang Punter vom BRD Schlanders. Damit werde Zeit gewonnen und die Retter gelangen sofort auf dem kürzesten Zufahrts- oder Aufstiegsweg zum in Not Geratenen. Ansonsten wird das in der Ausbildung eingeübte Schema angewendet, wird auf frühere Erfahrungen und im besonderen Fall auf die Fotoortografie oder bei Vermisstensuchen auf die Handyortung zurückgegriffen. Ausbildung Gleich ob CNSAS oder AVS, alle aktiven Bergretter haben eine zeitaufwändige und intensive Ausbildung absolviert. Um als Anwärter aufgenommen zu werden, muss zuerst ein Sommer- (Klettern) und Wintertest (Skitour, Eisklettern) bestanden werden, wo die Geländetauglichkeit und die Kondition überprüft werden. Ca. 19 Kurstage umfasst die Grundausbildung mit Einheiten in Erste Hilfe, im Felsgrundkurs, in der Winterrettung usw. Zudem sind jährliche Fortbildungen und mindestens alle zwei Jahre Pflichtkurse zu besuchen. Für den CNSAS gilt, sagt Olaf ­Reinstadler, erfahrener Ausbildner beim ­CNSAS, dass auf nationaler ­Ebene Gesetze strenger angewandt werden. So sind die Pflichtkurse je nach Einstufung zeitlich gestaffelt. Wird einer nicht besucht, droht sofort die Zurückstufung. Bei beiden Organisationen werden zusätzliche Spezialisierungen wie z. B. Hundeführer, Höhlen­rettung, Flugretter usw. angeboten. Viel Freizeit und Energie, die die ehrenamtlichen Bergretter in die Ausbildung investieren und damit den Qualitätsstandard hoch­halten. Frauen Sind die Frauen in der Feuerwehr im Vormarsch, bleiben sie bei der Bergrettung eine kleine Gruppe. Die Ortsstelle Schnals zählt drei Frauen, Martell beim AVS-BRD sowie CNSAS jeweils zwei, Latsch zwei, Schlanders und Prad jeweils eine Frau. Werden sie gleich- oder bevorzugt behandelt? „Natürlich werden sie gleich behandelt und müssen die gleiche Ausbildung absolvieren“, unterstreichen alle befragten Rettungsmänner einhellig. Risikomanagement Dass bei jedem Rettungseinsatz ein Restrisiko für die Bergretter bleibt, ist sich jeder bewusst, weiß Gentilini. „Bereits bei der Ausbildung versuchen wir den Rettern klar zu machen: zuerst zählt die Eigensicherheit, dann die der Kameraden und an dritter Stelle erst jene des zu Bergenden“, unterstreicht Toni Preindl, BRD-Landesleiter. Reinstadler vom CNSAS Sulden spricht von der „gesetzlichen Pflicht“ bei einem Notruf zu Hilfe zu eilen. Jeder Bergretter habe sich bei seinem Eintritt in die Bergrettung ausdrücklich dafür verpflichtet. „Aber jeder muss in jeder Situation selbst entscheiden, ob er sich dem momentanen Risiko aussetzt“, sagt Reinstadler. Denn bei einem Einsatz in der Ortler Nordwand um 3 Uhr in der Früh, „dürftest du objektiv gesehen, nie reingehen. Aber wenn ich weiß, da ist ein Verletzter oben…“. Wie wird mit Kameraden umgegangen, die sagen, „ich kann heute nicht, ich fühle mich nicht“? „Es gibt keine Diskussionen und wird akzeptiert“, betont er nüchtern. Danke Viel Einsatz, viel Dank? Nein, sagen Gentilini, Punter und ­Eberhöfer unisono. Eberhöfer, seit über 30 Jahren BRD-Mann, beobachtet in den letzten Jahren „die Tendenz, dass die Menschen nach dem Einsatz sich umdrehen und wieder ihrer Wege gehen“. Vielleicht im Schock, in der Unwissenheit, wo sie sich bedanken könnten oder aus Furcht vor den Folgekosten? Olaf Reinstadler unterscheidet zwischen Wanderern und Bergsteigern. „Bei den Bergsteigern gibt es eine lückenlose Anerkennung für unseren Einsatz“, sagt er. Sie wissen, mit welchem Aufwand und unter welchem Risiko die Retter arbeiten. Bei den Wanderern beobachte er eine gewisse Selbstverständlichkeit. Toni Preindl ergänzt das Thema Anerkennung durch einen weiteren Aspekt: „Nachdem mehr als 50 % der Einsätze Touristen gelten, könnte sich der BRD auch von den Touristikern mehr Unterstützung, insbesondere finanzieller Natur, erwarten“. Denn Hubschrauber können nicht immer fliegen, nicht bei Nebel, nicht in der Nacht. Die Bergretter retten ehrenamtlich, bezahlt wird derzeit höchstens der Hubschraubereinsatz. Aber wenn es keine Freiwilligen mehr gäbe...
Andrea Kuntner
Andrea Kuntner

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