Apfeltriebsucht breitet sich aus
Publiziert in 43 / 2013 - Erschienen am 4. Dezember 2013
Viele Obstbauern befürchten große finanzielle Schäden
Vinschgau - Eines vorweg: Für viele Landwirte bedeutet der Befall ihrer Obstanlagen eine existentielle Bedrohung und kann zumindest zu schweren finanziellen Schäden führen. Dieser Tatsache müssen alle betroffenen Obstbauern, die Laimburg und der Bauernbund samt den damit befassten Abteilungen des Landes mit dem nötigen Ernst ins Auge schauen. In den vergangenen Jahren konnten bestimmte Probleme, die in den Obstbau-Monokulturen auftraten, durch intensive Forschungsarbeit der Laimburg und durch die Beratungstätigkeit der Bauernverbände und des Landes erfolgreich bewältigt werden. Der Feuerbrand und jetzt der Besenwuchs scheinen jedoch zu signalisieren, dass man an eine gewisse Grenze gestoßen ist. der Vinschger war bei einer Flurbegehung in den Kortscher Wiesen dabei. Die Informationen der Kontrollorgane der Vertreter des Amtes für Obst- und Weinbau sowie des Bezirksamtes für Landwirtschaft zeigten die derzeitige fast aussichtslose Situation in einem erschreckenden Ausmaß: „Der Besenwuchs ist die noch schlimmere Gefahr als der Feuerbrand“, meinte Markus Joos vom Bezirksamt für Landwirtschaft. Bei der Kontrolle der seit 50 Jahren bestehenden Obstanlage des Kortscher Bauern Otto Prieth konnte der Amtsdirektor des Amtes für Obst- und Weinbau, Andreas Kraus, mit Diplomagraringenieur Fabian Pernter und Josef Linser, Mitarbeiter des Bezirksamtes für Landwirtschaft, eine Reihe von Bäumen feststellen, die ernsthaft von der Apfeltriebsucht befallen waren und von einem anonymen „Helfer“ widerrechtlich mit schwarzem Metallspray gekennzeichnet worden waren. Die Frage „Ist dieser Baum vom Besenwuchs befallen oder nicht?“ konnte auch von den Experten nicht in allen Fällen eindeutig beantwortet werden. Von dieser Frage hängt es jedoch ab, ob ein Baum oder eine ganze Obstanlage gerodet werden muss. Die klassischen Symptome der Apfeltriebsucht, so Kraus, treten vor allem im Herbst auf. Allerdings könnten auch im Frühjahr Symptome beim Blattaustrieb beobachtet werden. Typisch für die Apfeltriebsucht ist der „Hexenbesen“. Das ist ein gerötetes, schlecht ausgereiftes Holz mit vergrößerten, gezahnten Nebenblättern. Daneben kommen noch zusätzliche Symptome wie Rotlaubigkeit, Blattverfärbungen, kleine Früchte und fallweise Blüte im Herbst. Die Krankheit scheint auch einen Zusammenhang mit dem Klima und der Außentemperatur zu haben. Der Erreger der Krankheit wurde auch festgestellt. Es handelt sich um ein Bakterium, das mit den Pflanzensäften mitwandern kann. Die Überträger des Bakteriums, die bisher durch Forschungsarbeiten auch der Laimburg erkannt wurden, sind der Weißdornblattsauger und vor allem der Sommerapfelblattsauger. Das sind Insekten, die den Winter auf Nadelgehölzen verbringen und im Frühjahr zur Vermehrung und Eiablage auf die Obstbäume zurückkehren. Aber das ist nicht der einzige Weg, auf dem das Bakterium in den Obstbaum eindringen kann. Infizierung kann auch durch Veredelungen, Aufpfropfungen und, was besonders tückisch ist, durch Wurzelverwachsungen erfolgen. Dadurch wird die Bekämpfung der Krankheit derzeit nahezu unmöglich gemacht, wie der Landespflanzenschutzdienst feststellen muss. Bekämpft werden können derzeit nur die Überträger der Krankheit, wofür das Pestizid Chlorpyriphos empfohlen wird. Dieses erledigt allerdings auch die Nützlinge, was den Obstbauer in einen weiteren Spritzkreislauf hineintreiben könnte. Eindeutig an Apfeltriebsucht erkrankte Bäume müssen daher gerodet werden. Wie bei der Flurbegehung jedoch zu beobachten war, kann es schwierig sein, kranke Bäume auch eindeutig zu identifizieren. Denn zwischen der Infektion und dem eindeutigen Krankheitsausbruch können zwei, drei Jahre vergehen. In dieser Zeit kann der Krankheitserreger aber schon auf weitere Bäume übergegangen sein. Bei starkem Befall bleibt daher oft nichts anderes übrig, als die gesamte Obstanlage zu roden, was für manche Obstbauern Existenz bedrohende Auswirkungen haben kann. Der Besenwuchs nimmt im Untervinschgau, besonders aber im Meraner Raum, beängstigende Ausmaße an. In einigen Obstanlagen sind allein heuer teilweise bis zu 15% der Bäume befallen. Die Apfeltriebsucht hat für den Erwerbsobstbau in Europa verheerende Folgen. Laut Berechnungen wird in Deutschland von einem jährlichen Schaden von etwa 25 Mio. Euro ausgegangen und von über 100 Mio. Euro in Italien. Die Laimburg hat die Forschung im Bereich Apfeltriebsucht auch aus diesem Grund intensiviert. 7 Mitarbeiter und saisonale Angestellte forschen mit Hochdruck. Es soll geklärt werden, wieso gerade der Raum Meran so stark betroffen ist, ob noch andere Überträger als der Sommerapfelblattsauger in Frage kommen und wann bzw. wie die Infektion stattfindet. Bereits bis 2011 sind 1,5 Mio. Euro in Forschungsprojekte zum Schwerpunkt Besenwuchs in Südtirol geflossen. Bis 2017 werden weitere 3,2 Mio. Euro für Schwerpunktprojekte zur Erforschung des Besenwuchses eingesetzt. Die Forscher, die Abhilfe gegen die Krankheit finden sollten, stehen allerdings vor vielen Rätseln, die derzeit noch nicht gelöst werden können.
Friedrich Haring
Friedrich Haring