Schwergeburt in Naturns
Von 18 anwesenden Räten stimmten nur 10 für die Umsetzung des Konzeptes.

Bahnbrechend, aber teuer

Publiziert in 7 / 2014 - Erschienen am 26. Februar 2014
Mit 4,5 Millionen Euro soll das Konzept für eine integrierte Altenpflege und für begleitetes Wohnen in Naturns umgesetzt werden. Naturns - Angeregt und teils emotional wurde im Naturnser Gemeinderat am 17. Februar darüber diskutiert, ob die Gemeinde das Konzept „Integrierte Altenpflege“ umsetzen soll oder nicht. Die zuständige Referentin Marianna Holzeisen Bauer, die sich seit Jahren mit Herzblut für dieses Vorhaben stark macht, holte weit aus und ließ die bisherigen Bemühungen und Arbeitsschritte Revue passieren. 2006, als das neue Seniorenheim bezogen wurde, waren die 48 zur Verfügung stehenden Betten zunächst nicht alle ausgelastet. Auch für die Tages- und Kurzzeitbetreuung gab es keinen Bedarf, sodass die dafür vorgesehenen Räume der Kindertagesstätte zur Verfügung gestellt wurden. Seit 2008 ist das Seniorenheim ausgelastet und es gibt eine Warteliste. Zu dieser Zeit beginnen auch erste Gespräche mit dem Eigentümer der so genannten „Trenker-Wiese“, die im Westen an das Seniorenheim angrenzt. Im Gemeinderat werden aber diesbezüglich starke Zweifel laut. Ein Urbanistikvertrag kommt nicht zustande. „Seit über zwei Jahren wurde nun intensiv am Konzept einer integrierten Altenpflege gearbeitet“, so Marianna Holzeisen Bauer. Sie erinnerte an Bedarfserhebungen, an die Einsetzung einer erweiterten Arbeitsgruppe mit Stefan Habicher als Projektbegleiter, an die Bemühungen von vier ­speziellen Arbeitsgruppen, an Besichtigungen ähnlicher Strukturen im Ausland, an Konzept-Vorstellungen im Gemeinderat sowie an die Bürgerversammlung im Jänner 2014. „Notwendigkeit ist klar gegeben“ Die Ergebnisse der Projektarbeit bestätigen laut Holzeisen Bauer nicht nur die Notwendigkeit einer Struktur für betreutes Wohnen in der Nähe des Seniorenheims, sondern auch die Notwendigkeit, die Kurzzeitpflege, die Tagesbetreuung, die Wochenendbetreuung, die Nachtdienste sowie den Hauspflegedienst und den Freiwilligendienst auszubauen. Es seien alle Dienste zu vernetzen. Geführt werden soll die neue Struktur vom Seniorenheim. Als Grundsatz nannte Holzeisen Bauer, „dass alles getan werden muss, damit der ältere Mensch solange wie möglich in seiner vertrauten Umgebung bleiben kann.“ In der neuen Struktur sollen 9 Einheiten für betreutes Wohnen Platz finden, 2 Einheiten für Wohngemeinschaften sowie Räume für Kurzzeit- und Tagesbetreuung. Die Struktur sei so zu bauen, dass in Zukunft Erweiterungsmöglichkeiten bestehen. Die neue Struktur sei als indirekte Erweiterung des Seniorenheims anzusehen, „die vom Land gefördert wird, während eine direkte Erweiterung zurzeit nicht genehmigt werden würde.“ Die neue Struktur wäre ein weiterer Meilenstein im Mosaik der bestehenden Angebote. Mit der Umsetzung des Vorhabens würde die Gemeinde nicht nur ein Zeichen der Wertschätzung älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern gegenüber setzen, sondern auch zeigen, dass sie die aktuellen Bedürfnisse und Anforderungen im Bereich der Seniorenbetreuung tatsächlich ernst nimmt. Allein der Grund kostet ca. 900.000 Euro Bürgermeister Andreas ­Heidegger stellte die überschlägigen Kosten und den ins Auge gefassten Zeitplan für die ­Umsetzung des Konzeptes vor. Für den Grundankauf seien ca. 900.000 Euro notwendig. Der Flächenbedarf liege bei knapp 2.600 Quadratmeter (350 Euro pro Quadratmeter). Die Baukosten der neuen Struktur bezifferte Heidegger mit geschätzten 3,2 Mio. Euro. Rund 460.000 Euro dürfte die Einrichtung kosten. Insgesamt sei von Ausgaben in Höhe von ca. 4,5 Mio. Euro auszugehen. Finanziert werden soll das Vorhaben mit Beiträgen des Landes (1,2 Mio. Euro) und mit einem auf 20 Jahre ausgelegten Darlehen (3,3 Mio. Euro) aus dem Rotationsfonds des Landes. Die jährliche Rückzahlungsrate würde sich auf ca. 154.000 Euro belaufen. „Rund 50.000 Euro werden wir jährlich aus der Vermietung der Wohnungen einnehmen. Und wenn wir berücksichtigen, dass sich auch die Gemeinden Schnals und Plaus mit 20% bzw. 7% beteiligen, dürfte für Naturns eine Jahresrate von letztendlich ca. 73.000 Euro herauskommen“, rechnete Heidegger vor. Er sei sich bewusst, dass die Gemeinde derzeit ziemlich stark verschuldet sei, „aber in 3 Jahren werden wir wieder etwas Spielraum haben.“ Heuer soll die Bauleitplanänderung durchgeführt werden. 2015 sollen der Grundankauf und die Projektierung erfolgen. An den Baubeginn wird 2016 gedacht. Der Einzug in die neue Struktur soll 2018 erfolgen. Kosten bereiten Bauchweh Aus vielen Wortmeldungen von Ratsmitgliedern der Opposition, zum Teil aber auch der SVP, war herauszuhören, dass es vor allem die Kosten sind, die Bauchweh verursachen. Neben Wolfgang Stocker (unabhängiges Ratsmitglied), Dietmar Rainer (Süd-Tiroler Freiheit) und Franz Gritsch (BürgerUnion) äußerten sich in diesem Punkt auch mehrere Vertreter der Liste „Zukunft Naturns“ ziemlich skeptisch. Hans Pöll etwa gab sich von den Vorteilen des Vorhabens, wie sie Holzeisen Bauer dargelegt hat, wenig überzeugt. Die Kosten seien sehr hoch und außerdem gebe es andere Prioritäten, etwa den Kindergarten. Rudi Fasolt sieht keinen unmittelbaren Handlungsbedarf. Auch Annelies Fliri äußerte sich skeptisch. Karin Thaler (SVP) gab unter anderem zu bedenken, dass dieses Konzept noch nicht reif sei. Außerdem käme es einer relativ kleinen Gruppe zugute. Mehrere Mitglieder des Ausschusses sowie SVP-Vertreter mit Fraktionssprecher Hans Unterthurner an der Spitze ­stellten sich hingegen voll hinter das Vorhaben. Ihr Grundtenor: Die Umsetzung kostet zwar viel Geld und man sei sich dessen durchaus bewusst, aber es handle sich um ein bahnbrechendes Projekt, dessen Notwendigkeit vor allem angesichts der demografischen Entwicklung immer notwendiger wird. Auch die Referentin ­Margot Tschager Svaldi („Zukunft Naturns“) äußerte sich in diesem Sinn. Besonders deutlich wurde Vizebürgermeister Helmut ­Müller: „Wir geben viel Geld für Sport, Kultur und andere Dinge aus und jetzt, wenn es darum geht, unsere Wertschätzung der älteren Generation gegenüber unter Beweis zu stellen, wird von Kosten geredet. Ich bin schwer enttäuscht.“ Auch Helmuth Pircher gab sich von der Sinnhaftigkeit des Projektes voll überzeugt. Allerdings sei darauf zu achten, dass der ins Auge gefasste Kostenrahmen nicht gesprengt wird. Knappe Mehrheit Der Grundsatzbeschluss für die Umsetzung des Konzeptes wurde mit 10 Ja-Stimmen knapp genehmigt. 5 Räte waren dagegen (Hans Pöll, Annelies Fliri, Rudi Fasolt, Wolfgang Stocker, Thomas Lanthaler), 3 enthielten sich der Stimme (Franz Gritsch, Dietmar Rainer, Karin Thaler). Sepp
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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