Das Endspiel in Latsch bestreiten zwei Bauern

Publiziert in 13 / 2010 - Erschienen am 8. April 2010
Der eine Bauer, Karl Weiss, hat seit 1974 Erfahrungen in der Gemeindepolitik und im Genossenschaftswesen gesammelt und ist amtierender Bürgermeister, der andere, Helmut Fischer, ist seit wenigen Jahren Ortsobmann der Südtiroler Volkspartei und seit 31 Jahre im Rettungsdienst Weißes Kreuz tätig. Beide haben recht offen über ihre Einstellungen und Vorstellungen gesprochen und sich auch zu einigen programmatischen Aussagen bewegen lassen. Der Vinschger: Was sollte ein Wähler über Helmut Fischer wissen? Helmut Fischer: Dass es für mich eine neue Herausforderung ist und ich mich als Alter­native anbiete. Bei uns wird ja immer nur gefragt, zu welchem Stall gehörst du. Ich will keine alten Geschichten aufwärmen. Ich will mit denen, die die Bürger wählen, ­einen Ausschuss bilden. Ich trete sicher nicht mit einer alten Mannschaft an. Man hat ja gesehen, wohin das führt. Ich sage, der Bürger wählt und ich bilde den Ausschuss mit denen, die gewählt werden. Mich hat überrascht, dass es in Latsch anscheinend eine Sensation ist, schlicht und einfach zu sagen: ich kandidiere. Ich seh‘ mich als neues Gesicht und habe vor allem eines vor, die Gräben in Latsch zu überwinden und die Energien, die jahrelang zum gegenseitigen Bekämpfen aufgewendet worden sind, zum Wohl des Dorfes einzusetzen. Kann man Sie einen Kandidaten der ­Bauern nennen? Helmut Fischer: Das ist vorbei. Kein Berufs­stand wählt mehr nur einen Kandidaten durch wie früher. Als Bauer hätt ich ohnehin keine Chancen, weil wir Bauern immer weniger werden. Außer der Karriere beim Weißen Kreuz war der Helmut Fischer in Latsch kaum präsent. Sie sind sprichwörtlich das unbeschriebene Blatt? Helmut Fischer: In der Politik vielleicht, aber als Parteiobmann bin ich der höchste Vertreter einer politischen Gruppierung auf Ortsebene. Ich fühle mich als Vertreter der SVP, einer Partei, die viele Meinungen vertritt. Jetzt möchte ich mal ketzerisch sein. In der Politik fragt der Wähler den Kandidaten, was machst du, was willst du umsetzen. Ich schlage vor, die Frage umzudrehen. Was wollt ihr, das ich mache? An sich ist es überall so, wenn ich ein Gerät kaufe, muss es bestimmte Vorstellungen erfüllen. Nur in der Politik ist es umgekehrt, dort wählt man, weil der Kandidat vielleicht das hält, was einem zugute kommt. Wenn ich weiß, was der Wähler will, könnte ich auch absagen. Der Wähler will geradezu, dass ihm der Kandidat das Blaue vom Himmel verspricht, daher brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn er nicht alles für alle halten kann und dann zum Lügner gestempelt wird. Scherz beiseite. Ich habe es immer abgelehnt, bei x Vereinen dabei zu sein; lieber wollte ich in einem was bewegen. Seit sechs Jahren bin ich in der Ortspolitik, seit drei Jahren Ortsobmann der SVP. Als Bürgermeisterkandidat hat man bestimmte Vorstellungen. Die bisherige Verwaltung hat aber an Bauprojekten einiges vorgelegt. Was soll anders gemacht werden? Helmut Fischer: Wenn das Bauen oder das Verwalten alles ist, dann kann das der Sekretär auch allein machen; er braucht nur die Daten zu bekommen. Nachdem in den letzten fünf Jahren viel in Sport und Jugend investiert worden ist, müssen wir jetzt für die ganz Jungen und für die ganz Alten etwas tun. Nicht nur Sportanlagen und Schulen, auch Sozialeinrichtungen sind zu sanieren. Dann fährt der Kandidat also entschlossen auf einer sozialen Schiene? Helmut Fischer: Wenn wir ehrlich sind - niemand will sich vor den Wahlen festlegen -, die Kindergartler und die alten Menschen brauchen Strukturen. Die Jungen sind mobil und steigen in den Nightliner. Es ist wichtig, dass sie einen Raum haben, aber beileibe nicht so wichtig wie Altersheim und Kindergarten. Gibt es bereits ein konkretes Programm? Helmut Fischer: Das Programm werden wir festlegen, wenn die Kandidatenliste endgültig ist. Ich bin der Meinung, dass sich alle einbringen sollen und dass wir schauen müssen, ein Parteiprogramm der SVP zu erstellen, damit es für beide Kandidaten bindend ist. Das ist wohl logisch, in derselben Partei. Helmut Fischer: Muss es nicht sein. ­Leichter wäre es für mich und meinem Mitbewerber, wenn jeder für sich seine Versprechungen machen könnte. Dann könnte man die Leute ausspielen. Aber nimmt man allein das Bauprogramm Kindergarten Latsch her, ein Projekt von 5 Millionen, und setzt man daneben die 1,4 – 1,5 Millionen an Investitionen, dann kann man sich ausrechnen, wie viel Platz für Versprechungen bleibt, die seriös sind. Ich möchte nicht als Bürger­meister die Wahlen gewinnen, weil ich alles ver­spreche und am Ende dem Ausschuss und dem Rat sagen zu müssen, so jetzt macht ihr mal. Ich möchte alle einbeziehen, sie wollen ja auch gewählt werden. Ich weiß aber nicht, ob mir das gelingt. Was auf uns zukommt, ist die Dorfgestaltung. Wir wissen alle, die Dorfkerne sind beim Aussterben und ich habe mir zum Ziel gesetzt, hier etwas zu tun. Seien es einfache Verbesserungen, Beispiel Straßen; überall wo Leitungen gelegt worden sind … Nur Straßen bauen und nicht auf die Kinder schauen, geht aber auch nicht. Auch die Wirtschaftstreibenden haben Wünsche, möchten ihre Betriebe erweitern. In diesem Bereich wäre vor allem die so genannte Vertragsurbanistik anzuwenden, damit wir ­etwas Zusammenhängendes schaffen können und nicht irgendwo neue Gewerbe­zonen entstehen lassen müssen. Genau weiß man immer noch nicht, worin Sie sich vom Mitbewerber unterscheiden. Helmut Fischer: Ich werde den Kontakt zu den Bürger suchen vor Ort, ebenso wichtig ist aber der Kontakt zu den Landesämtern. Da will ich mich mehr einsetzen als bisher geschehen; da ist noch mehr herauszuholen. Vor allem der Bereich Energie – Südtirols Thema Nummer 1 - liegt mir am Herzen. Wir haben uns als Gemeinde in einen Streit eingelassen, aber noch nie die Bürger gefragt, ob ihnen nicht der Spatz in der Hand mehr bedeutet als die Taube auf dem Dach. Mir ist die Sache zu wichtig als nur zu ­sagen, das ist zu kompliziert, das soll ein anderer machen, wie im Ortsausschuss schon geschehen. Es geht doch um die entscheidende Frage: wenn wir den Strom bekommen, gleichgültig in welcher Form, wird der Strom dann für den Bürger billiger oder geht das Geld in die Gemeindekasse? Und das hat noch kein Vinschger Bürgermeister eindeutig beantwortet. Wenn Sie als Bürgermeisteranwärter ­verlieren, gehen Sie trotzdem in den Rat? Helmut Fischer: Die Frage hab ich mir nie gestellt. Ich geh davon aus, dass ich es schaffe.­ Wenn ich sehe, dass ich eine Bereicher­ung bin… Ich möchte nicht ein Bremsklotz sein. Es hängt davon, wie ich mich fühle; wenn ich das Ergebnis als Enttäuschung empfinde, gehe ich nicht in den Rat. Ich bekomme viel Rückmeldung, man klopft mir auf die Schultern, aber dieselben Personen sagen mir, dass sie nicht offen zu mir stehen können. Es scheint, als ob man in Latsch nicht Bürgermeister werden kann, ohne dass der Moler Hias (Fraktionsvorsteher Mathias Ober­hofer, Anm. d. R.) zustimmt. Wenn aber die, die mir heute zustimmen, mir auch in der Kabine die Stimme geben, dann klappst, wenn nicht, dann sehe ich ­keinen Grund, für die im Rat zu arbeiten. Nur als frustrierter Gemeinderat drin sitzen, das Haar in der Suppe suchen und warten, bis ich jemand eins auswischen kann, möchte ich auf keinen Fall. „Der Vinschger“: War die Zeit als Bürgermeister so, wie es sich der Karl Weiss im Mai 2005 vorgestellt hatte? Karl Weiss: Die ­Praxis ist immer anders. Es waren Entscheidungen zu fällen, die man kaum absehen konnte. Eine meiner Vorstellungen habe ich aber verwirklicht: „Fulltime-Bürgermeister“ zu sein, immer da zu sein, und im Gemeinderat eine Einigung zusammenzubringen. Damals gab es die Südtiroler Volkspartei und die Bürgerliste. Und ich habe sie beide einbezogen und nun darf ich sagen: nicht die SVP Latsch hat ­diese Einigkeit erzielt, sondern sie ist im Gemeinderat gewachsen. Auf was sind sie besonders stolz? Karl Weiss: Eben, dass wieder Einigkeit herrscht im Rat und dass die meisten von denen, die zur Bürgerliste gehörten, jetzt wieder auf der Edelweißliste kandidieren. Was ist aber besonders gut gelungen? Karl Weiss: Ein Glanzstück ist das Hallenbad. Beim Sanieren des Eisstadions waren wir erst wenige Monate im Amt, aber wir haben bewiesen, dass wir schnell entscheiden können. Froh bin ich, dass wir die Führ­ungsgesellschaft „Viva Latsch“ gegründet haben. Ich hätte mir erwartet, dass Sie besonders auf das Fernheizwerk stolz wären. Karl Weiss: Ja sicher, das Projekt ist in­zwischen auf 18 Millionen angewachsen, das ist keine Kleinigkeit und wenn das mit Tarsch gelingt, dann kommt noch was dazu. Es war und ist immer unser Team, das hervorragend zusammengewirkt hat. Gibt’s etwas, was Sie als zukünftiger Bürgermeister anders anpacken würden? Karl Weiss: Eigentlich nicht viel. Ich bin wie ich bin. Ich habe mich von niemand beeinflussen lassen. Beispiel Bauleitplanänderung in Morter, wir haben uns im Rat nicht ge­duckt. Genauso im Fall der Pappeln. Ich bin zwei Mal als MIVO-Obmann vor Gericht gestanden. Ich weiß, was es heißt, für Sicherheit verantwortlich zu sein. Nur wegen ein paar Stimmen mehr, werde ich mich nicht unterkriegen lassen. Warum soll man den Weiss Karl noch einmal wählen? Karl Weiss: Weil ich glaube, ordentlich verwaltet und dafür ein gewisses Vertrauen verdient zu haben. 2005 hat man mich auch gewählt, weil man mich als zuverlässigen Genossenschaftsmensch gekannt hat und vielleicht haben sich einige erinnert, dass ich auf Landesebene viel für das Genossenschaftswesen getan habe. Hätten sie damals nicht jeden genommen, um zu einem Bürgermeisterwechsel zu kommen? Karl Weiss: Ich weiß es nicht. Ich bin froh, dass ich im Falle des Skizentrums mein Wort gehalten habe. Ebenso mit der Gasleitung. Sie für bestimmte Unternehmer mit öffentlichen Geldern verlegen zu lassen, kam aber nicht in Frage. Beim Fernheizwerk hat die vorhergehende Verwaltung auch schon die SEL mit einer Machbarkeitsstudie beauftragt. Weil aber kein Gemeinderatsbeschluss bestand, konnten wir alles abgeblasen. Seither ist etwas Krieg. Auch die Gas-Leitung wollten sie schon über den Tieftalweg nach Latsch verlegen. Ich habe mich aber geweigert, dafür eine Genehmigung auszustellen. Stattdessen hab ich die Radwegtrasse als Alternative vorgeschlagen. Das Ergebnis dieser Hartnäckigkeit war, dass innerhalb von wenigen Monaten das Dekret für die Radwegtrasse durch die Latschander vorlag. So etwas bringe ich nicht groß in der Zeitung. Was steckt hinter der Vermutung, dass eine „graue Eminenz“ für Sie die Fäden zieht? Karl Weiss: Da kann wohl nur der Moler Hias (Fraktionsvorsteher Mathias Ober­hofer, Anm.) gemeint sein. Es gibt Leute, die es mir und meinem Ausschuss nicht gönnen, wenn im Sinne des Dorfes konstruktiv zusammengearbeitet wird. Ich habe den Fraktionsvorsteher weder um etwas gebettelt, noch hat er mir je etwas angeschafft. Die Zusammenarbeit ging immer über den Ausschuss. Allerdings, wenn wir nicht zusammengearbeitet hätten, wären heute das Eisstadion, das Ex-Schwimmbadareal, das Areal um das Hallenbad, der Reservefußballplatz und viele Straßenabschnitte nicht an die Gemeinde übergegangen. Und eines steht fest, der Fraktionsvorsteher war und ist einer der Zugpferde beim Bau des Vereinshauses. Was traut der Karl Weiss der Opposition zu und was macht er, - angenommen, er wird Bürgermeister - wenn ihm eine starke ­Op­position gegenüber sitzt? Karl Weiss: Wenn ich SVP-Ortsobmann wäre, könnte ich schon lange nicht mehr ruhig schlafen. Sie haben sich allein auf die Vorwahlen verlassen… Was immer auch geschieht, oppositionelle Gemeinderäte werde ich respektieren, so lange sie sachlich bleiben. Ein Beispiel meiner Einstellung hab ich schon gegeben. Auf Anfrage der Freiheitlichen, ob sie nicht auch im Ratssaal wie die SVP Sitzungen halten könnten, hab ich sofort zugesagt und ihnen einen Schlüssel übergeben. Sie sind auch Bürger von Latsch und das Rathaus ist für alle da. Nehmen wir an, es geht knapp aus. Ein großer Teil der Bevölkerung wählt den Gegenkandidaten. Würden Sie ihn in den Ausschuss nehmen? Karl Weiss: Wenn es knapp wird, werd ich‘s mir überlegen, ob ich annehme. Ob ich den Mitbewerber in den Ausschuss nehme, möchte ich jetzt nicht festlegen. Das hat bisher auch noch niemand getan. Umgekehrt, wenn es schief geht, gehen Sie wenigstens in den Rat? Karl Weiss: Auf keinen Fall. Dann soll jemand nachrücken.
Günther Schöpf
Günther Schöpf
Vinschger Sonderausgabe

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