„Das neueste Medium ist immer das umstrittenste“

Publiziert in 45 / 2012 - Erschienen am 12. Dezember 2012
Der US-amerikanische Harvard-Student Mark Zuckerberg hat im Jahr 2004 das soziale Internet-Netzwerk Facebook gegründet. Die Grundidee: Menschen können sich mit einem eigenen Profil ­anmelden und sich mit anderen austauschen. Die Plattform erlebte seit der Gründung einen unaufhaltsamen Aufstieg. Momentan sind nach eigenen Angaben rund eine Milliarde monatlich aktive Nutzer angemeldet. Mit dem Siegeszug von ­Facebook startete auch die Kritik daran; insbesondere die Datenschutzpraktiken des Netzwerkes sind umstritten. Daten der ­Nutzer werden, der personalisierten Werbung zuliebe, häufig an Unternehmen weitergegeben. Viele Nutzer beschweren sich über die komplizierten Datenschutz-Einstellungen. Standardmäßig ist alles öffentlich, und für sämtliche Facebook-Nutzer zugängig. Nicht nur für Internet-Laien, sondern auch für erfahrene User, ist es oft schwierig die gewünschten Einstellungen zu finden. Viele Vorteile Das soziale Netzwerk hat aber natürlich auch jede Menge Vorteile. Für viele ist es eine nette Freizeitbeschäftigung, um sich mit Freunden und Bekannten auszutauschen. Klassische Fotoalben gehören für einige Facebook-­Nutzer schon heute der Vergangenheit an. Durch nur wenige Klicks kann man die digitalen Fotos ins Internet stellen. Durch Facebook bleibt man stets auf dem Laufenden, nicht nur was den neuesten Klatsch und Tratsch betrifft. Viele Studenten sehen das Netzwerk gar als essenziell für das Studium, da wichtige Informationen oft nur mehr über Facebook-Gruppen ausgetauscht werden. „Das neueste Medium ist immer das umstrittenste“, so Armin Bernhard, Lehrender an der Fakultät für Bildungswissenschaften in Brixen, bei einem Vortrag in Latsch. Auf Einladung des KFS-Latsch referierte der Schludernser im CulturForum über Facebook und Co. der Vinschger sprach mit Bernhard über Chancen und Risiken von Facebook. der Vinschger: Woran liegt Ihrer Meinung nach dieses große Interesse an Facebook? Armin Bernhard: Facebook bietet vor allem die Möglichkeit mit anderen zu kommunizieren, auf vielfältigste Weise. Darüber hinaus können sich Menschen kennenlernen, miteinander vernetzen und das unabhängig von Ort und Zeit. In einer Welt, welche vom Menschen immer mehr Flexibilität verlangt, bietet es die Möglichkeit die eigenen Kontakte aufrechtzuerhalten. Meist auf sehr oberflächliche Weise. Zudem kann die derzeitige Popularität auch sehr schnell wieder sinken. Für viele Menschen scheint das soziale Netzwerk mittlerweile zu den Grundbedürfnissen zu zählen. Wie gefährlich ist das? Ich würde nicht sagen, dass virtuelle soziale Netzwerke direkt zu den Grundbedürfnissen gezählt werden. Die Grundbedürfnisse sind eher mit anderen Menschen in Kontakt, in Kommunikation zu sein, sowie von anderen Anerkennung und Wertschätzung zu bekommen. Oder zum Beispiel die Möglichkeit sich als jemand zu erleben, der in der Welt etwas gestalten kann, der wirksam ist. Wenn virtuelle Möglichkeiten einige dieser Erfahrungen bieten, dann halte ich dies nicht für gefährlich. Ich finde es bedenklicher, wenn wir in unseren Dörfern immer mehr die Räume regulieren, mit Regeln belegen und insbesondere den jungen Menschen offene Gestaltungsmöglichkeiten nehmen. Dann können Jugendliche und Kinder keine Erfahrungen der Anerkennung und Selbstwirksamkeit machen und müssen ausweichen. In Südtirol entstanden in letzter Zeit Facebook-Gruppen, wo Jugendliche Bilder von sich und anderen ins Internet stellen. Unter Seiten wie „Die schönsten Mädchen Italiens“, präsentieren sich junge Damen. Wie bedenklich sind solche Gruppen? Für Jugendliche ist die Welt der Gleichaltrigen zentraler Orientierungspunkt. Dort suchen sie Anerkennung, testen und gestalten verschiedene Facetten einer möglichen eigenen Identität und kommunizieren miteinander. Es ist dabei aber wichtig zu überlegen, welche Daten und Bilder von sich selbst oder von anderen ins Internet gestellt, und der Welt somit zugänglich gemacht werden. Denn was ich einmal ins Netz stelle, gebe ich frei. Facebook-Nutzer werden immer jünger. Können Eltern ihren Kindern einen sinnvollen Umgang mit sozialen Netzwerken beibringen? Sollte man in unseren Schulen den Umgang mit neuen Medien gezielt erlernen? Der Umgang mit dem Medium Internet ist für uns alle immer selbstverständlicher und alltäg­licher. Deshalb bewegen sich auch Kinder immer öfter darin und somit auch in den sozialen Netzwerken. Ich finde es nicht unbedingt notwendig, die Technik der neuen Medien in der Schule zu lernen. Viel wichtiger erachte ich es, einen kritischen Umgang damit zu erlernen. Heute ist es angebracht zu wissen, welchen Quellen ich vertrauen kann, was Sinn macht und was wichtig ist. Ich brauche heute kein Wissen mehr zu lernen, ich muss vielmehr lernen zu fragen, was sinnvolles Wissen ist und was für mein Leben Sinn macht. Stichwort Datenschutz. Facebook gerät immer wieder ins Kreuzfeuer der Kritik. Auf was sollten Nutzer achten? Private Daten sind leider immer noch sehr wenig gesetzlich geschützt. Im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklung Richtung ­Sicherheit, Terrorbekämpfung und Überwachung sind es vorrangig die Staaten, welche Daten über möglichst alle Menschen sammeln. In zweiter Linie sind es Firmen, die mit Daten finanziellen Gewinn machen wollen. Facebook ist da nur ein Beispiel. Dabei gibt es viele Bereiche, bei denen wir freiwillig unsere Daten abgeben, etwa wenn wir Punkte beim Tanken oder Einkaufen sammeln, um ein Geschenk zu erhalten. Ich empfehle, die eigenen Daten nicht überall preiszugeben. Besonders bei Kindern ist es wichtig, dass sie Daten wie Adresse und Telefonnummer nicht ins Netz stellen. Zudem sollten wir die Hoheit unserer Daten immer wieder einfordern und von Staaten und Firmen verlangen, dass sie Transparenz zeigen. Haben Sie selbst ein Facebook-Profil? In welcher Form nutzen Sie soziale Netzwerke? Mein Facebook Profil nutze ich sehr sporadisch und mehr passiv. Ich muss mich bei denen bedanken, welche es aktiv mit guter Qualität nutzen und mich auf interessante Dinge aufmerksam machen. Manches wäre mir sonst entgangen. Michael Andres
Michael Andres
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