Enkel langen zu: Omas Sparstrumpf für Traumhaus

Der Traum von den eigenen vier Wänden

Publiziert in 11 / 2003 - Erschienen am 5. Juni 2003
[F] Die Wohnungskäufer und Hausbauer werden immer jünger. Wohnungseigentum liegt im Trend. Konsumgewohnheiten und der Wunsch nach den eigenen vier Wänden kommen sich dabei oft in die Quere. Trotzdem geht die Rechnung immer öfters auf: Wohnbauförderungen und Omas Sparstrumpf machens möglich. von Stefan Schwienbacher [/F] Unkündbar, weitervererbbar, frei gestaltbar, unabhängig von Vermieterplänen- und –vorschriften und "geschenktes Geld" vom Land: Die Vorteile eines Wohnungseigentums liegen auf der Hand. Mietwohnungen hingegen werden als Provisorium, als Übergang betrachtet, sind außerdem teuer und rar. So existiert weder im Vinschgau noch im restlichen Landesgebiet ein florierender Mietwohnungsmarkt. Die Zeitungen sind voll mit Anzeigen "Haus oder Wohnung zu verkaufen", Anzeigen, in denen Mietwohnungen angeboten werden, sind jedoch äußerst dünn gesät. Bewohnern von Mietwohnungen haftet etwas Nomadenhaftes an. Erst die Eigentumswohnung oder das eigene Haus untermauert die Zugehörigkeit zum jeweiligen Dorf. In kaum einer anderen Provinz Italiens, aber auch im Vergleich zu unseren Nachbarländern Österreich, Schweiz oder Deutschland, ist der Anteil der Eigentumswohnungen derart hoch wie in Südtirol. Mit rund achtzig Prozent beziffert ihn Adolf Spitaler, Abteilungsdirektor des Amtes für Wohnbauförderung. "Es ist bei uns ein gesellschaftlicher Trend Wohnungseigentum zu haben. Das hängt auch mit der Vorstellung zusammen, die vor allem in den Dörfern vorherrscht, dass man erst als Wohnungseigentümer ein vollwertiger Mensch ist." Pro Jahr finanziert das Amt für Wohnbauförderung südtirolweit zirka 2500 Beitragsgesuche. Wenn gleichzeitig 25 bis 50 Wohnungen oder Häuser pro Jahr versteigert werden, so sind das bloß 1 bis 2 Prozent. Es gibt zwar keine statistischen Zahlen, die das im Detail belegen würden, weder vom Amt für Wohnbauförderung, noch von den Banken oder den verschiedenen sozialen Stellen, bei denen die Fäden der Überschuldungsknäuel im Falle eines Scheiterns wieder zusammenlaufen, doch die Aussagen der entsprechenden Instanzen stimmen überein. Wer sich an das Unternehmen Wohnungskauf oder auch Hausbau heranwagt, dem geht die Rechnung in der Regel auf. Es wird inzwischen aber wesentlich genauer geprüft, ob derjenige, der sich seinen Traum von den eigenen vier Wänden verwirklichen will, aufgrund seiner finanziellen Situation und seines Lebensstils auch längerfristig dazu in der Lage ist. Seit 1998 schreibt das Landesgesetz für den geförderten Wohnbau einen detaillierten Finanzierungsplan vor. "Wenn jemand ein Darlehen aufnimmt, muss er nachweisen, dass ihm nach Abzug der Darlehensraten das Lebensminimum übrig bleibt," so Adolf Spitaler. Dieses Gesetz aus dem Jahre 1998 war eine Reaktion auf jene Fälle, die in den Genuss einer Wohnbauförderung gekommen sind, obwohl ihr Einkommen nur knapp über dem Lebensminimum lag, das gegenwärtig für eine einzelne Person mit 4953 Euro, für ein Ehepaar mit 6687 Euro angegeben wird. Auch die Banken gehen bei der Kreditvergabe vorsichtiger vor. Sie sind grundsätzlich daran interessiert, dass der Betreffende mit seiner Schuldenlast fertig wird. Sie befürchten weniger den Ausfall der Ratenrückzahlung als vielmehr eine Beschädigung ihres Images, das durch die Versteigerung von Wohneigentum in Dörfern, wo jeder jeden kennt, entsteht. "Der Bank ist es lieber, wenn der Kredit langsam, aber schlussendlich doch abgestottert wird," erklärt der Pressesprecher der Volksbank Karl Psenner. Die psychologische Belastung für eine Partnerbeziehung, die daraus entstehen kann, dass Tag und Nacht an eine Schuldenlast gedacht werden muss, die kein Ende zu nehmen droht, ist oft der Grund für Trennung oder Scheidung und damit Ursache Nummer eins für das Scheitern des gemeinsamen Wohnungs- oder Hausprojektes. Im klassischen Fall ist es nämlich nicht ein einzelner, dessen Lebensgestaltung mit diesen Tilgungsplänen auf Jahre hinaus verknüpft ist, sondern ein Paar. In der Regel sind beide berufstätig, beide auch in finanzieller Hinsicht aufeinander angewiesen. Aber selbst wenn in diesem Zusammenhang nichts Unvorhergesehenes passiert, geht es dennoch zumeist nicht ohne Hilfe der Eltern- oder Großelterngeneration. Einerseits fressen Konsumverhalten und Lebensstil der Jüngeren deren Gehälter fast vollständig auf, wenn sie einmal von zu Hause ausgezogen sind und die Kosten für den Lebensunterhalt alleine bestreiten, andererseits gehört die Vorstellung von den eigenen vier Wänden zu diesem Lebensstil unbedingt dazu. In diese Schneise tritt ein Faktor, der das rechnerisch unmöglich Erscheinende möglich macht. Die Eltern- und Großeltern, deren Häuser oder Wohnungen bereits abbezahlt sind, die Abfertigungen erhalten haben und Renten beziehen, mit denen sie ihren Kindern in Zeiten finanzieller Engpässe unter die Arme greifen, spielen bei der Finanzierung von Eigentumswohnungen oder -häusern eine nicht zu unterschätzende Rolle. Auch wenn ihre Renten vielfach nicht hoch sind, unterscheiden sich ihre Konsumgewohnheiten doch deutlich von denen der jüngeren Generation. Sparen, entstanden aus einer unmittelbaren wirtschaftlichen Not, entwickelte sich für sie zu einer diese Not überdauernden Tugend, die sie auch dann noch beibehalten haben, als es ihnen die wirtschaftliche Lage längst erlaubt hätte, beispielsweise in den Urlaub zu fahren, sich ein größeres Auto anzuschaffen oder öfters "gut essen zu gehen". Mit einem durchschnittlichen Einkommen und ohne Eltern, Großeltern oder ähnlichen Quellen, ist, von Ausnahmen abgesehen, der Traum von den eigenen vier Wänden nicht zu realisieren. [F] Wohnungsmarkt muss sich gesundschrumpfen [/F] [K] “Der Vinschger”: Wie ist die Lage auf dem Immobilienmarkt im Vinschgau? TONI ALBER: Sehr unterschiedlich. Wir haben Gebiete auf dem Immobiliensektor mit Aufholbedarf und andere, die unter Übersättigung leiden. Der untere Vinschgau hat in den letzten Jahren zu viel gebaut, während im oberen Vinschgau Nachholbedarf besteht. Im unteren Vinschgau stehen also viele Wohnungen leer? Vor ungefähr 10 Jahren verkauften sich die Wohnungen dort auch über dem normalen Preisniveau. So entstand eine Situation, in der die Immobilien preismäßig in die Höhe schnellten und das hat natürlich viele dazu animiert, Wohnungen zu bauen. Die Wohnungen sind so nacheinander verkauft worden, aber die Nachfrage hat mit dieser Entwicklung nicht Schritt gehalten. Das hat dazu geführt, dass in vielen Orten Wohnungen leer stehen, die nicht verkauft werden können. In Latsch beispielsweise erzählte mir ein Vertreter einer Baufirma, er habe am Jahresanfang 100 leer stehende Wohnungseinheiten gezählt, die Gemeinde selbst sagt, es wären nur die Hälfte. Die tatsächliche Anzahl wird irgendwo in der Mitte liegen. Gibt es relevante Unterschiede im Preisniveau zwischen oberem und unterem Vinschgau? Wir haben in Schlanders zum Beispiel eine bessere Situation als Latsch oder Naturns. Schlanders bildet eine Ausnahme, weil wir hier einen starken Zuzug haben. Das ist in Latsch nicht so, aber auch in Naturns nicht in diesem Ausmaß. In Latsch kostet eine große Dreizimmerwohnung mit Garage oder Autoabstellplatz ungefähr 200.000 Euro, eine 50 bis 60 Quadratmeterwohnung 140 bis 160.000 Euro. Für Latsch wären diese Preise bereits auf einem hohen Niveau, für Schlanders an der unteren Grenze. Die Fraktionen sind grundsätzlich 10 bis 20 Prozent billiger als die Hauptorte. Und im oberen Vinschgau? Mals ist vom Preisniveau her vergleichbar mit Latsch und Naturns, während die anderen Gemeinden ungefähr auf dem Preisniveau liegen wie bei uns hier die Fraktionen. Wie schätzen Sie die Zukunft auf dem Immobiliensektor im Vinschgau ein? Gemeinden wie Latsch oder Naturns werden sich gesundschrumpfen müssen. Die Bautätigkeit wird automatisch zurückgehen. Die Preise dort sind ja bereits zurückgegangen, wie lange sich das in Schlanders halten wird, hängt ab von der Arbeitsmarktsituation. Solange die Wirtschaft wächst und damit neue Arbeitsplätze entstehen, wird es gehen, aber sollte es hier in Zukunft einmal Einbrüche geben, sind wir natürlich auch dran. Interview: Stefan Schwienbacher [/K]
Stefan Schwienbacher
Vinschger Sonderausgabe

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