Der Vinschger Höhenweg: Eine touristische Schwergeburt
Publiziert in 20 / 2009 - Erschienen am 27. Mai 2009
„Das Wandererlebnis ist atemberaubend“ titelte die Lokalredaktion der Tageszeitung Dolomiten am 17. Oktober 2007 und meinte das Wandern auf dem Vinschger Höhenweg. Der Meldung war zu entnehmen, dass der Höhenweg entlang des Sonnenberges so gut wie fertig ist und dass er 108.000 Euro gekostet hat. Seither ist es still geworden. Der Höhenweg droht in den Urzustand zurückzufallen, obwohl sich mit dem Tourismusverband Vinschgau, dem Alpenverein Südtirol und dem Forstinspektorat Schlanders gleich drei Institutionen um seine Eröffnung bemühen. Für Außenstehende ist es nicht leicht zu durchschauen, warum der Höhenweg nicht jetzt schon eine Erfolgsgeschichte ist, sondern eine touristische Schwergeburt bleibt.
von Günther Schöpf
Tatsächlich ist der Höhenweg eine Perlenkette reizvoller, ja spektakulärer Wanderabschnitte, die größtenteils schon bestehen, zum Teil auf uralten Versorgungspfaden verlaufen, zum Teil historische Verbindungswege einbeziehen. Die Abschnitte, die für sich allein schon Höhepunkte genussvoller Sonnenbergwanderungen darstellen, werden seit Jahren von den verschiedenen Tourismusvereinen angeboten und beworben. Inzwischen sind sie zu einem durchgehenden Wanderweg von 50,18 Kilometern verbunden worden. Davon wurden 8,36 Kilometer vollkommen neu angelegt. Ausgangspunkt ist derzeit Altratheis auf 890 Metern, mit guten Aussichten, in naher Zukunft mit dem berühmten Vorgänger, dem Meraner Höhenweg bei Katharinaberg, verbunden zu werden. Derzeit folgt der Vinschger Höhenweg dem Schnalswaal, erreicht die Gemeinde Tschars Kastelbell bei Juval, setzt sich auf dem Tscharser Waalweg fort, führt auf bestehenden Steigen und Wegen ober Tschars durch, erreicht Trumsberg und überschreitet bei Luamtal die Gemeindegrenze von Latsch. Über St. Martin, die Höfe Egg und Forra, vorbei an den Ruinen von Zuckbichl und Laggar führt er auf Gemeindegebiet von Schlanders nach Tappein, wo ein bedeutendes Stück in Richtung Schlandrauntal neu trassiert worden ist. Der Weg führt an der Stierhütte vorbei nach Talatsch, über Waldental an Gmar vorbei und wurde im Abschnitt zwischen Matatsch und Rimpf neu erschlossen. Neu aufgenommen wurde ein weiteres Teilstück auf Laaser Gemeindegebiet nach Strimm ober Allitz, ein Stück am Dorferberg bis Panof ober Tanas, ebenso am Schludernser Berg von Obertels Richtung Gschneier, zwischen Marseilhof und Ellhof sowie von Oberaußerrun nach Run. Der Weg endet vorläufig im Matschertal auf ca. 1.700 Metern ü. M. Den drei beteiligten Forststationen, Latsch für den Abschnitt Altratheis bis St. Martin, Schlanders von St. Martin bis Tanas und Mals ab Tanas bis zu den Runerhöfen wurde sowohl vom Tourismusverband Vinschgau, als auch vom Alpenverein ausgezeichnete Arbeit bescheinigt. Sie haben das Projekt am 2. Juli 2007 begonnen und am 19. November 2007 die Geldmittel in der Höhe von 75.758 Euro, ausgeschüttet über das Leaderplus-Programm, verbaut. Die Mittel aus der Selbstbeteiligung des Tourismusverbandes in der Höhe von 32.467 Euro wurden zwischen 2. Oktober 2007 und 28. Oktober 2008 eingesetzt.
Soweit zu den erfreulichen Tatsachen rund um einen noch ungehobenen Tourismusschatz, den der Vinschgau neben der Vinschgerbahn und dem Radweg zu bieten hat oder hätte, und der für viele Berghöfe ein besseres Auskommen mit ihrem Einkommen nach sich ziehen würde. Anstatt mit Schwung an das zweite Baulos von Matsch bis Reschen heranzugehen, sogar die Umrundung des Tales ins Auge zu fassen und eine effiziente Werbekampagne zu starten, ist derzeit alles still gelegt. Die Gründe aus der Sicht des Auftraggebers und Koordinators hat der Präsident des Tourismusverbandes Vinschgau Hansjörg Dietl mitgeteilt (siehe Bericht). Auf Anfrage hat der Geschäftsführer des Alpenvereins, Gislar Sulzenbacher, „zwischenmenschliche Gräben“ angedeutet und von Mangel an Sensibilität gegenüber ehrenamtlichen Mitarbeitern des AVS gesprochen, aber er hat angemahnt, im Sinne der Sache nicht „Öl ins Feuer zu schütten“. Vorläufig existiert die schönste Wanderroute der Alpen so gut wie nicht. Sie ist übers Internet-Portal „www.trekking.suedtirol.info“ nicht abrufbar. Der für die Digitalisierung zuständige Alpenverein hat in einem Schreiben vom 28. Oktober 2008 dem Tourismusverband mitgeteilt, dem zweiten Baulos erst zuzustimmen, wenn die „Zuständigkeiten auf den neuen Wegstrecken im Hinblick auf eine langfristige Instandhaltung“ zwischen Alpenverein und Tourismusverband geklärt sind und „die Einbindung des Vinschger Höhenweges in das digitale Wanderinformationssystem“ in die Wege geleitet worden ist. Der AVS teilte dem Verband mit, dass 18 Kilometer nachträglich zu vermessen und die Zuständigkeit der Wegehalter zu definieren seien. Laut Forstinspektor Andreas Feichter müsse noch ein Betrag von ca. 30.000 Euro aufgebracht werden, um Vermessung, Markierung und Beschilderung abzuschließen. „Dabei könnte es der schönste, längste und höchste Höhenweg Europas sein und wenn erst die Umrundung kommt…“ begann Feichter zu schwärmen. Bereits schon in der Schublade des Forstinspektorats liegen die Kostenvoranschläge der Forststationen Mals und Graun für die restlichen 30 Kilometer von Matsch nach Reschen.
Die „touristische Schwergeburt“ ist gleich zwei Mal bei der Vollversammlung des Tourismusvereins Schlanders-Laas angesprochen worden. Der Präsident der Ferienregion Obervinschgau, Gerhard Malloth, blieb wortkarg auf die Frage, wie es weitergehe mit dem Höhenweg: „Wenn er nur bald käme“, war ihm zu entlocken. Übrigens, tippt man Vinschger Höhenweg in die Google-Suchmaschine, taucht die Werbung der „Wellness-Hotels Vinschgau“ auf, die mit der Feststellung beginnt: „Der Vinschgau ist ein Tal der Querulanten…“.
„Gut, dass man uns sagt, was zu tun sei“
Latsch - Hansjörg Dietl nahm‘s mit leichtem Sarkasmus, als er nach dem Ist-Stand in Sachen Höhenweg befragt wurde. Er legte ein ausgiebiges Vorwort vor, spielte auf jüngste Äußerungen zum Höhenweg an und meinte ironisch: „Ich finde es sehr, sehr positiv, dass sich jetzt - Klammer auf ‚endlich‘ Klammer zu – auch andere Verbände für Tourismus und im Besonderen für den Höhenweg interessieren.“ Auf die Frage, warum nichts weitergehe, warum der Alpenverein behaupten könne, dass die für Beschilderung und Markierung vorgesehenen Mittel einfach verbaut worden seien, meinte Dietl: „Wir Touristiker sind immer froh, wenn uns andere Leute sagen, was zu tun sei. In den vom Forstinspektorat beantragten EU-Fördermitteln mag auch ein Beitrag für die Beschilderung gewesen sein. Aber was ist wichtiger, die Beschilderung oder der Bau einer Brücke über den Schlandraunbach, die nicht geplant, aber notwendig war? Inzwischen haben wir (Tourismusverband Vinschgau, Anmerkung der Redaktion) wieder um einen Beitrag angesucht, der sehr bescheiden ausgefallen ist. Da wir aber nicht wissen, welche Abmachungen zwischen den betroffenen Tourismusvereinen (Kastelbell-Tschars, Latsch-Martell, Schlanders-Laas, Ferienregion Obervinschgau) und den für Beschilderung zuständigen AVS-Sektionen bestehen, ist dies zuerst zu klären. Klar ist inzwischen, dass die Vereine und die für den Wegabschnitt zuständigen Gemeinden sich um die Beschilderung kümmern und dafür aufkommen müssen“.
![Günther Schöpf](/grafik/resize/100x100_upload-newspaper-editor--guenther-schoepf--33_17991.jpg)
Günther Schöpf