Zwei, bis zu sieben oder keine?
Grafik 1

Der Wind auf der Malser Haide

Publiziert in 3 / 2011 - Erschienen am 26. Januar 2011
Eine überprüfenswerte Energiequelle für den Aufbau einer autarken Energieregion im Vinschgau mit erneuerbaren Energiequellen, in Kooperation mit den Gemeinden und mit Bürgerbeteiligung. (eine Stellungnahme von Georg Wunderer) In den letzten Wochen wurden in verschiedenen Tages- und Wochenzeitungen zahlreiche Leserbriefe veröffentlicht, die sich mit dem Ausbau eines Windparks auf der Malser ­Haide befassen. Während einige Stellungnahmen die Nutzung der Windenergie als sinnvoll bewerten, äußern sich viele negativ zum optischen Erscheinungsbild, wobei beeinträchtigende Auswirkungen auf das Landschaftsbild am häufigsten befürchtet werden. Einige Beiträge stellen zudem Unwahres sowie Unrichtiges und leider auch Unfaires mir persönlich gegenüber in den Raum. Als beauftragter Koordinator für die Verwaltung des Windparks erlaube ich mir, zu einigen dieser Äußerungen zusammenfassend ­Stellung zu nehmen: Die Äußerungen „Der Windpark verstellt den Blick auf den Ortler und hat somit negative Auswirkungen auf den Tourismus“ Windräder als Monster zu betrachten, die die Landschaft verschandeln, halte ich für übertrieben. Es gibt viele, die die Windräder als elegante technische Konstruktionen betrachten, die eine Landschaft auch im positiven Sinn beleben können. Auch Skipisten und Aufstiegsanlagen beeinträchtigen das Landschaftsbild. Dieser Wirtschaftzweig ist für den Vinschgau aber ebenso unverzichtbar wie eine sichere und nachhaltige Energieversorgung. Solange mit Windkraft- und auch mit Aufstiegsanlagen nicht übertrieben wird, kann beides nicht nur verträglich, sondern auch wertvoll für eine Region sein. Grundsätzlich ist vorauszuschicken, dass mit den 2 Windrädern, die als Pilotan­lagen von der Fa. Leitner errichtet wurden und von der Miteigentumsgemeinschaft „Windkraft Marein“ betrieben werden, durchaus positive Erfahrungen in den letzten Jahren gemacht wurden. Der Wind weht relativ konstant und mit einer angemessenen Stärke, sodass im Schnitt 4 Mio. kWh sauberer Strom vorwiegend in den Wintermonaten, was versorgungstechnisch besonders vorteilhaft ist, erzeugt werden konnten und zudem funktionieren die beiden Windräder nach anfänglichen Kinderkrankheiten nunmehr ziemlich zuverlässig. Diese durchaus positiven Erfahrungen, die sicher von allen Miteigentümern bestätigt werden können, haben die Mitglieder (3 Gemeinden und 5 lokale Energiegenossenschaften) natürlich dazu motiviert, einen Ausbau der Windkraftnutzung in Erwägung zu ziehen. So wurde vereinbart, eine entsprechende UVS (Umweltverträglichkeitsstudie) in Auftrag zu geben, um die umweltrelevanten und energiewirtschaftlichen Faktoren für einen Ausbau zu überprüfen. Nach mehr als 2 Jahren Untersuchungen von Fachleuten liegt das Ergebnis vor, das 4 Ausbauvarianten am aktuellen Standort der 2 bestehenden Windräder und eine Variante an einem Standort hoch über Reschen (ca. 2.000 m) überprüft. Mit der größten Ausbauvariante könnten am aktuellen Standort rund 28 Mio. kWh und mit der kleinen Variante am gleichen Standort rund 19 Mio. kWh Strom erzeugt werden. Natürlich ist die optische Wirkung der größten Ausbau­variante am stärksten und jene der kleinsten Variante am geringsten. Und nunmehr gilt es abzuwägen, ob wir auf diese saubere Energiezeugung gänzlich verzichten wollen oder eine der 4 Ausbauvarianten ins Kalkül ziehen, deren Vorteile für den Zweck einer nachhaltigen Verbesserung der Energieversorgung in der gesamten Region eine möglichst moderate optische Beeinträchtigung der Landschaft doch rechtfertigen könnte. Jedenfalls ist klar und sicher, sollte man sich für eine der Ausbauvarianten entscheiden, dass dann eine klar abgegrenzte Windparkzone mit der laut Variante vorgesehenen Größe und Anzahl an Windrädern ausgewiesen würde, welche wir auf der Grundlage eines Obervinschgauer Gemeinschaftsunternehmens (Miteigentumsgemeinschaft) errichten und beitreiben könnten und womit dann ganz sicher Schluss für weitere Windräder und ein „Wildwuchs“, den externe Spekulanten betreiben könnten, ausgeschlossen wäre. „Mit dem Bau des Windparks betreiben einzelne Geldmacherei und wollen sich nur bereichern“ Bei den zwei bestehenden Windkraftanlagen auf Marein und beim geplanten Ausbauprojekt des Windparks geht es nicht um ein Projekt eines oder mehrerer privater Betreiber, die spekulative Ziele verfolgen. Vielmehr handelt es sich ausschließlich um ein Kooperationsprojekt öffentlicher und genossenschaftlicher Körperschaften. Dabei wird ein Teil der Erträge den Gemeinden (Graun, Mals, Schluderns, Glurns) vorbehalten und der erzeugte Strom wird für den Eigenkonsum der Mitglieder der beteiligten Genossenschaften (EGO mit ca. 600 Mitgliedern, SEG mit ca. 800 Mitgliedern, EWP mit 1077 Mitgliedern, EW-Stilfs mit ca. 700 Mitgliedern, VEK mit 27 Mitgliedern) zum Selbstkostenpreis zur Verfügung gestellt. Die Verteilung des erzeugten Stromes an die Mitglieder (Familien, Betriebe und Gemeinden) soll - im Rahmen der geplanten „energieautarken Region Obervinschgau“ - über einen genossenschaftlichen Verteilerbetrieb erfolgen. Aufgrund der aufgezeigten, genossenschaftlichen Unternehmensstruktur muss ich den Vorwurf bezüglich „Geldmacherei und Bereicherung“ als bösartige Unterstellung und als völlig ungerechtfertigt zurückzuweisen. Ich bin weder Eigentümer noch einer der Besitzer der bestehenden bzw. geplanten Windkraftanlagen, sondern lediglich beauftragter Koordinator der Miteigentumsgemeinschaft, wobei ich für diese Funktion weder eine Entschädigung eingefordert noch erhalten habe. Auch habe ich in den vergangenen 30 Jahren noch nie eine Lira oder einen Cent für die zahlreichen Beratungen für energiewirtschaftliche Projekte verlangt, um die ich von Vinschgauer Gemeinden, Energiegenossenschaften, Fraktionen und auch Privaten bei ihren Planungen von Wasserkraftwerken, Fernwärmewerken, Biogasanlagen, Fotovoltaik-Anlagen usw. ersucht worden bin. „Der Windpark trägt kaum zu ­günstigeren Strompreisen bei und die Gemeinde Graun verfügt mit den drei bestehenden lokalen Wasserkraftwerken, die zusammen rund 13 Millionen KWh Strom liefern, ohnehin schon über genügend Eigenproduktion“ Hier wird übersehen, dass die drei Wasserkraftwerke in der Gemeinde Graun den Strom vorwiegend im Sommer und nicht im Winter liefern. Insbesondere im Winter benötigt aber vor allem der Tourismus sehr viel Strom, wobei allein die drei Aufstiegsanlagen im Oberland gut vier Millionen kWh Strom benötigen. Der Strombedarf im Winter könnte also sicher nicht mit den lokal bestehenden Kraftwerken gedeckt werden. Auch die Aussage, dass der Windpark kaum zu günstigeren Strompreisen beitragen würde, ist nicht korrekt. Dies kann allein schon mit den Leistungen der zwei bestehenden Windanlagen nachgewiesen werden: Die Gemeinde Graun und die E-Genossenschaft (EGO) sind mit 25 Prozent an den beiden Windrädern auf Marein beteiligt. Seit ihrer Inbetriebnahme (November 2003) haben die beiden Anlagen 19,5 Millionen kWh produziert und somit bei einem durchschnittlichen Erzeugungspreis von 7,5 Cent je kWh circa 1,48 Millionen Euro an Erträgen erwirtschaftet, wobei an die Gemeinde und die EGO zusammen 364.000 Euro für den ihnen zustehenden Produktionsanteil von 4,86 Millionen kWh ausbezahlt worden ist. Beim geplanten Windpark würden die jährlichen Nettoerträge bei einem Maximalausbau des Windparks bei 1 Million Euro und bei einer minimalen Variante bei 0,5 Millionen Euro liegen. In der Gemeinde Graun könnten also die Strom­kosten zugunsten der Mitglieder jährlich um 250.000 Euro (Großausbauvariante) bzw. um 125.000 Euro (Kleinausbauvariante) vermindert werden. „Laut den Freiheitlichen im Vinschgau kann man mit einer größeren Beteiligung an den großen Wasserkraftwerken eine autarke Stromversorgung im Vinschgau realisieren, die Windräder braucht es dazu nicht“ Der Vorschlag des Sprechers der Freiheitlichen m Vinschgau, Stecher, erscheint mir kaum durchsetzbar. Aus folgendem Grund: Den Vinschgauer Gemeinden wurde nach hartem Ringen 8 Prozent der Stromproduktion an der Konzession der Kraftwerke unter dem Reschenstausee zugestanden, was einer Stromproduktion von knapp 50 Millionen kWh entspricht. Dabei kann dieser Strom nicht einmal als Eigenproduktion für die Deckung des lokalen Eigenverbrauchs eingesetzt werden, er kann lediglich an einen Trader verkauft werden, wobei nach Abzug der Gesellschaftskosten SEL-Edison ein Nettobetrag von rund 1,5 – 1,8 Cent, also (50 Mio. kWh x 1,5/1,8 Cent) rund 750.000 bis 900.000 Euro für die Vinschgauer Gemeinden übrig bleibt. Eine größere Beteilung an den großen Wasserkraftwerken im Obervinschgau war in der Vergangenheit trotz größter Anstrengungen der lokalen Politiker nicht zu erreichen und scheint auch in Zukunft wenig realistisch. Aus diesem Grund ist es umso wichtiger, dass sich der Obervinschgau selbst vor Ort für alternative Möglichkeiten der Energieproduktion mit erneuerbaren Energiequellen bei moderatem Ausbau und effizienten Versorgungs­systemen einsetzt. „Die Windräder erzeugen gesundheitsgefährdenden Infraschall und Lärm“ Das Thema der Gefahren des Infraschalls taucht gelegentlich auf, wenn neue Windkraftanlagen errichtet werden sollen. Unter Infraschall versteht man einen Schall, der Frequenzen unter 20 Hertz aufweist. Damit liegt er unter der Wahrnehmbarkeitsschwelle des Menschen und kann vom diesem nicht mehr gehört werden. Allerdings ist bei Infraschall, den übrigens auch Vulkanausbrüche, Straßenverkehr, Flugzeuge, Züge usw. auslösen, ein unterschiedlicher Schalldruck (dB) zu verspüren. In den 80er Jahren wurden die Wirkungen des Infraschalls auf den Menschen vom deutschen Bundesministerium für Gesundheit in umfangreichen Untersuchungen überprüft. Dabei ist man zum Ergebnis gekommen, dass der Infraschall, wenn er unter 130 dB liegt, keine Gesundheitsgefahr für den Menschen darstellt. Unabhängigen Messungen zufolge erreicht der Infraschall von Windanlagen selbst im Nahbereich bei weitem nicht diese Werte und wird somit als völlig harmlos eingestuft. Ein Leserbriefschreiber weist darauf hin, dass er vor allem in der Nacht, Geräusche, welche die bestehenden Windanlagen verur­sachen, hören und diese ihn stören würden. Die UVS hat die akustischen Wirkungen des Windparks ausführlich untersucht und festgestellt, dass normalerweise der Straßenverkehr die Geräusche des Windparks deutlich überlagert. Also geht von der Straße ein weit größerer Lärm als von den Windanlagen aus. Allerdings wurde auch festgestellt, dass in Nächten, in denen der Straßenverkehr einmal ruht, ein leises Geräusch von ca. 40 – 45 dB in der Umgebung von Alsack gehört werden könnte. Dies sollte aber laut UVS eher selten der Fall sein. Jedenfalls wird dieser möglichen akustischen Störung noch genauer nachgegangen. Insgesamt kann aber gesagt werden, dass die neue Generation von Windanlagen bei weitem nicht mehr so laut ist, wie das früher einmal der Fall war, als bei Windanlagen Ein- oder Zweiflüglersysteme mit einer relativ hohen Drehzahl des Rotors sowie Getriebe bei der Kraftübertragung zum Einsatz kamen. Heute werden nahezu ausschließlich Dreiflüglersysteme gebaut. Zudem ist bei den modernen Windanlagen die Drehzahl der Rotoren, welche der Windgeschwindigkeit folgt, also ein etwas schnellerer Umlauf der Rotoren bei starkem Wind und eine langsamere Drehzahl bei schwachem Wind, wesentlich vermindert worden und zudem ist es auch gelungen, die Geräusche an den Rotorblättern durch aerodynamische Gestaltung stark zu reduzieren. Und schließlich erfolgt die Kraftübertragung bei den neuen Windrädern von der Nabe auf den Generator nur mehr direkt und somit ohne ein lärmendes Getriebe. „Der Windpark erhöht die ­Unfallgefahr im Straßenverkehr“ Wenn dem so wäre, würde bei sämtlichen Attraktionen entlang von Straßen, wie beispielsweise in Graun beim Turm im Reschensee, die Unfallgefahr steigen, was aber meines Wissens mit Sicherheit nicht der Fall ist. Als Autolenker muss man sich halt der Verantwortung bewusst sein und es wäre schon eigenartig, wenn plötzlich bei den Windrädern der „Hans guck in die Luft“ für nichts mehr grade stehen müsste. „Der Windpark verhindert den Bau einer Beregnungsanlage und ­beeinträchtigt den Wert der Felder“ Diese Aussage entbehrt jeder Grundlage. Eine Beregnungsanlage kann trotz Windräder problemlos errichtet werden und das Wachstum der Pflanzen sowie der Werte der Grundstücke würde ganz sicher nicht vermindert werden, ganz im Gegenteil. Schon jetzt gibt es Grundstückseigen­tümer, die ein Feldstück zu einem guten Preis veräußern möchten. Die Fakten Das Windpark-Projekt und die ­Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) Für jene Bewohner im obersten Vinschgau, die dem Windpark am nächsten liegen, könnte dieser sicherlich in erster Linie ein optisches Problem darstellen, was durchaus verständlich ist. Auch die Betreiber der beiden im Betrieb stehenden Windanlagen, die neun Miteigentümer (die vier Gemeinden Graun, Mals, Glurns, Schluderns­ und die fünf Energie-Genossenschaften: EGO, SEG, EWP, EWST, VEK) sind sich der raumrelevanten Wirkungen eines Windparks bewusst. Vor nunmehr fast drei Jahren (März 2008) wurde daher eine Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) in Auftrag gegeben, um fundierte Erkenntnisse über den Ausbau des Windparks zu erhalten. Diese UVS liegt seit September 2010 vor und dokumentiert das Überprüfungsergebnis zu folgenden raumrelevanten Aspekten und zu vier verschiedenen Ausbauvarianten: a) Überprüfung der räumlichen Windverhältnisse und Auskundschaftung der Zonen mit dem stärksten Wind b) Abgrenzung einer Windparkzone mit Anordnung der Standorte für effizient zu betreibende Windanlagen c) Wirkungen des Windparks auf Fauna und Flora d) Akustische Wirkungen des Windparks e) Optische Wirkungen von 2 Windparkstandorten und Überprüfung der optischen Wirkungen des bestehenden Standorts bei 4 Ausbauvarianten f) Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der 4 Ausbauvarianten Die Erstellung der UVS und die Beauftragung des technischen Büros ist einstimmig von den Vertretern der 4 Gemeinden und der 5 Genossenschaften beschlossen worden. Auch sind die Vertreter immer wieder über die Entwicklung der Studie auf dem Laufenden gehalten worden. Nach dem Vorliegen der UVS haben zunächst einmal die Verantwortlichen der Miteigentumsgemeinschaft die Studie zur Kenntnis genommen, um dann anschließend die Gemeindeausschüsse von Graun und Mals über die Studie zu informieren. Dabei wurden vor allem vom Ausschuss der Gemeinde Graun Bedenken zum Erscheinungsbild des Windparks vorgebracht. Schließlich wurde gemeinsam vereinbart: 1) Es sollte ein umfassender Meinungsbildungsprozess sichergestellt und in die Wege geleitet werden 2) Es sollte eine allgemein verständliche Informationsschrift ausgearbeitet und sämtlichen Familien (Jänner/Februar 2011) zugestellt werden. 3) Nach der schriftlichen Information sollen in den einzelnen Orten Bürgerversammlungen abgehalten werden (Februar 2011-April 2011) 4) Abschließend soll eine Bürgerbefragung stattfinden Nun hat es den Anschein, dass die vereinbarte Vorgangsweise für eine sachlich ausgewogene Entscheidungsfindung nicht mehr von allen Beteiligten mitgetragen wird. Zudem kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass fast eine Art Wettbewerb voreiliger Meinungsbildung in Gang gesetzt wurde. Das ist schade, denn politisches Kalkül, Emotionen und Unkenntnis über den wirklichen Sachverhalt sind sicher nicht die Grundlage für eine ausgewogene und fundierte Entscheidungsfindung. Deshalb wäre es wohl angebracht und kohärent, sich vorerst einmal die Zeit zu nehmen, die vorliegenden und aufbereiteten Informationen genau zu über­prüfen, sich des Stellenwerts des Projekts in einem regionalen energiewirtschaftlichen Gesamtzusammenhang bewusst zu werden, die Vor- und Nachteile detailliert zu bewerten und dann in Ruhe und mit Verantwortungsbewusstsein zu entscheiden. Über 3 Jahre lang wurden Unter­suchungen angestellt und daher sollte nun nicht einfach ohne Beachtung des Unter­suchungsergebnisses voreilig gegen den Ausbau eines Windparks entschieden werden. Was steckt hinter dem Windpark-Projekt? Der Ausbau der Windkraftanlage auf der Malser Haide steht im Zusammenhang mit der Errichtung einer autarken Energieregion im Obervinschgau. Schon seit über zehn Jahren gibt es im Vinschgau Bestrebungen, eine möglichst autarke Energieregion zu errichten, die auf lokal vorhandenen erneuerbaren Energiequellen aufbaut und vor allem für den Bürger die Voraussetzungen schafft, unmittelbar auf der Basis einer Genossenschaft eingebunden zu werden und sich unmittelbar am Unternehmen beteiligen zu können. Hinter der Vision und dem Projekt einer nachhaltigen Energieregion im Tal stehen bzw. standen zumindest noch bis vor ein paar Monaten die Bürgermeister mit ihren Gemeinde­räten sowie die Obmänner und Verwalter der lokalen Energiegenossenschaften und Umweltakteure. Es wäre schade, wenn der bisher wohl einmalige Zusammenhalt der Vinschgauer beim Energiethema über die Kirchtürme hinweg mit der Diskussion um den Windpark Gefahr läuft, aus den Fugen zu geraten. Wenn der Vinschgau eine nachhaltige und eigenständige Energieversorgung errichten will, dann kann dies nur effizient mit Kooperation und Zusammenarbeit sowie durch ein Geben und Nehmen in Bezug der verschiedenen vor Ort zur Verfügung stehenden Energiequellen verwirklicht werden. Mit Einzelgängen ist ­sicher kein Gesamterfolg zu erreichen. Eine nachhaltige autarke Energieregion ist eine besondere Vision, aber auch ein Gebot der Stunde. Dabei soll Nachhaltigkeit in zweifacher Hinsicht erreicht werden: einmal durch moderate Nutzung lokaler Energiequellen (Wasser, Sonne, Wind und Biomasse bei höchstmöglicher Effizienz) und zweitens durch die unmittelbare Einbindung der Bürger über genossenschaftlich organisierte Energiebetriebe. Nicht eine spekulative Gewinnmaximierung, sondern eine sozialverträgliche und auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Energieversorgung der Familien und Betriebe im Tal ist das Ziel. Was ist der aktuelle Stand der ­Energieproduktion im Oberen Vinschgau? In den Gemeinden zwischen dem ­Reschenpass und Laas (inklusive) werden circa 100 Millionen kWh Strom pro Jahr konsumiert. Mit den derzeit lokal zur Verfügung stehenden Kraftwerken (kleine Wasserkraftwerke und Kraftwärmekoppelungsanlagen) können rund 70 Millionen kWh Strom pro Jahr an Eigenerzeugung aufgebracht werden. Der Windpark, vorausgesetzt er würde voll ausgebaut werden, könnte im Durchschnitt rund 28 Millionen kWh Strom beisteuern (siehe Grafik 1). Damit würde also der lokale Strombedarf zwischen Laas und Reschenpass zumindest mengenmäßig abgedeckt und der Windpark insbesondere im Winter einen bedeutenden Beitrag für die Deckung des lokalen Strombedarfs leisten. Wie die Grafik 2 zeigt, stünde der Windstrom vornehmlich im Winter zur Verfügung, also in einer Periode, in der die Stromproduktion der lokalen Wasserkraftwerke eher bescheiden ausfällt. Wie könnte die Energieproduktion in Zukunft aussehen? In einer autarken Energieregion könnten bestehende Wasserkraftwerke kleinerer und mittlerer Größe, bestehende Kraftwärmekoppelungsanlagen (Biogas und Biomasse), Windanlagen und neue Kraftwerke, die lokale erneuerbare Energiequellen nutzen und sich im Besitz von Gemeinden und Genossenschaften befinden, den Strom in eine Mittelspannungsschiene (20 kV-Schiene) zwischen Reschen und Laas einspeisen und über verschiedene Speichersysteme einer Lastregelung unterworfen werden. Der damit leistungsmodulierbare Strom könnte einer Obervinschgauer Stromverteilungsgenossenschaft, an der sich alle Familien und Betriebe beteiligen können, übergeben werden. Nur auf diese Art und Weise, sprich mit der genossenschaftlichen Produktion und Verteilung, wäre es möglich, die für den Endverbraucher günstigsten Strompreise anzubieten. Warum macht die Schaffung einer ­autarken Energieregion im Vinschgau bzw. Oberen Vinschgau überhaupt Sinn? Das derzeitige weltweite Energieversorgungssystem baut noch immer zu 87 Prozent auf fossilen und atomaren Energiequellen auf und kann so nicht weitergeführt werden, ohne unser Klima und auch unsere Gesundheit bei einem CO2-Ausstoß von rund 30 Milliarden Tonnen jährlich zu gefährden. Vor diesem Hintergrund ist es ein Gebot der Stunde, sich für eine radikale Wende des vorhandenen Energieversorgungssystems einzusetzen und dafür zu kämpfen. Dabei ist es schon klar, dass wir im Vinschgau diese Wende sicher nicht alleine herbeiführen können. Es ist aber ebenso klar, dass wir dazu einen Beitrag leisten müssen und es nicht gerade intelligent wäre, es wie bisher einfach „anderen“ überlassen, uns auch künftig mit Energie zu versorgen. Es braucht eine große Wende bei der Energieversorgung und diese ist nur möglich, wenn sie von der breiten Basis her erfolgt und sich so viele als möglich beteiligen. Auch für den Vinschgau muss es daher ein besonderes Ziel sein, sich eine möglichst unabhängige Energieversorgung mit moderater, jedoch effizienter Nutzung der lokalen erneuerbaren Energie­ressourcen aufzubauen. Warum stellt ein autarkes und nachhaltiges Energieversorgungssystem eine große Chance für unser Tal dar? Hinter dem Projekt einer autarken Energieregion steckt nun wirklich nicht das Ziel, dass „sich damit einzelne nur profi­lieren wollen“, wie einzelne Leserbriefschreiber unterstellen, sondern es geht neben der Sicherstellung einer weitgehend unabhängigen Energieversorgung auch um die Stabilisierung des Vinschgauer Sozial-und Wirtschaftsraumes. So strukturstark ist insbesondere der Obervischgau nun wirklich nicht, dass die Hände einfach in den Schoß gelegt werden können. Wir brauchen sicherlich kein neoliberales Turbowachstum aber auf nachhaltiges Wirtschaften und auf eine ausgewogene Entwicklung können wir künftig sicherlich nicht verzichten. Eine lokale Stromversorgungswirtschaft würde mehrere Millionen Euro pro Jahr an Wertschöpfung unmittelbar in die lokalen Wirtschaftskreisläufe einspeisen und somit zur sozioökonomischen Stabilisierung der Region „Oberer Vinschgau“ entscheidend beitragen. Über einen genossenschaftlich organisierten Betrieb ist es sicher möglich, den Strom zu günstigeren Preisen an die Familien und Betriebe zu liefern und es würden somit auch die Voraussetzungen für Bürgerbeteiligung und Mitgestaltung geschaffen. Auch können mit der Organisation einer lokalen Stromversorgung qualifizierte Arbeitsplätze geboten und Frauen und Männern neue berufliche Per­spektiven eröffnet werden. Schließlich könnte eine autarke Energieregion, die auf eine nachhaltige Energieversorgung mit erneuerbaren Energiequellen setzt, einen regionalen Mehrwert darstellen und somit eine Vorbildfunktion einnehmen. Ich bin überzeugt, dass eine derartige Region, doch auch eine starke Anziehungskraft vor allem auf jene Menschen ausüben würde, die ihr Urlaubsziel nicht zuletzt aufgrund des Kriteriums des Nachhaltigkeitsgrades auswählen. Ich habe auch keinen Zweifel, dass die Zahl derart eingestellter Urlauber künftig noch stark zunehmen wird. Und diesen Mehrwert der regionalen Nachhaltigkeit habe ich übrigens gemeint, der künftig touristisch stärker vorgezeigt werden sollte und nicht unmittelbar das Erscheinungsbild der Windkraftanlagen, das ist eine oberflächliche Fehlinterpretation einzelner Leserbriefschreiber, die ich zurückweise. Fakt ist übrigens auch, dass der Tourismus, wie die UVS nachweist, wegen der 2 bestehenden Windanlagen bis zum heutigen Datum sicher keine Einbußen erlitten hat. In den letzten 3 Wintersaisonen wurde nämlich der langjährige Trend von Mals und Graun eingehalten und es wurden sogar weitere Zuwächse erzielt. Was kann der Vinschgau selbst tun? Wir Vinschger beklagen uns sicher zu Recht, dass uns die lokalen Energie­ressourcen, vorwiegend die Wasserkraft genommen worden sind und bis heute noch immer nicht eine angemessene Wiedergutmachung stattgefunden hat. Ohne Zweifel hatten die Bürger der Gemeinde Graun, der Gemeinde Martell und der Gemeinde Schnals mit den großen Stauseen die schwersten Lasten zu tragen. In den vergangenen 10 Jahren haben sich die Vertreter der Gemeinden und der lokalen Energiebetriebe mit vorbildlichem Zusammenhalt und Einsatz für eine Wiedergutmachung eingesetzt. Dabei ist eines bald klar geworden, dass eine Wiedergutmachung nur dann zu erreichen ist, wenn der Vinschgau die Energie- und Stromversorgung möglichst selbst in die Hand nimmt, denn jammern allein, das bringt uns nicht weiter. Wir müssen das „Handwerk der Energieversorgung“ selber verstehen und beherrschen, nur dann werden wir mitreden und auch professionell handeln können. Auf der Grundlage dieser Erkenntnis sind dann auch die ersten Energiekonzepte auf Bezirksebene entworfen und anschließend in den meisten Gemeinden lokale Projekte, vor allem Fernwärmewerke, verwirklicht worden. Als Schwerpunkt für eine regionale Energiewirtschaft wurde stets der Aufbau einer eigenständigen Stromversorgung mit eigenen Kraftwerken und eigenem Stromverteilungsnetz angesehen. Auch dazu wurden Studien erstellt, wobei sich ergab, dass eine lokale Stromversorgung im Vinschgau wohl nur auf der Basis einer Kooperation der Gemeinden und der lokalen Energieversorgungs­unternehmen sowie mit unmittelbarer Beteiligung der Familien und Betriebe über Genossenschaften realisiert werden kann. Schließlich räumt das DPR 235/1977 den Gemeinden auch das Recht ein, die elektrizitätswirtschaftliche Tätigkeiten anstelle des ENEL auszuüben, weshalb auch aus dieser normativen Perspektive in einem ersten Schritt das Vinschgauer Energie Konsortium (VEK) gegründet wurde. Im Vinschgau werden heute knapp 1,2 bis 1,3 Milliarden kWh Strom erzeugt und im gesamten Bezirk rund 180 Millionen kWh Strom konsumiert. Aufgrund dieser Verhältnisse war man also zuversichtlich, dass das VEK das ENEL-Netz übernehmen und zumindest so viel Beteiligung an den großen Wasserkraftwerken anlässlich der Übernahme der Kraftwerke durch das Land erhalten würde, dass damit zusammen mit den bestehenden kleinen Kraftwerken im Besitz der Gemeinden und Genossenschaften des Vinschgaus (circa. 90 Millionen. kWh) der Strombedarf des Bezirkes Vinschgau gedeckt werden könnte. Trotz der aufgezeigten widrigen „politischen“ Verhältnisse für die Realisierung einer eigenständigen Stromversorgung wollen die Gemeinden und die lokalen Energiebetriebe das Projekt einer eigenständigen Stromversorgung auf keinen Fall ad acta legen und es wird derzeit nach alternativen Realisierungsmöglichkeiten gesucht. Wie geht es nun weiter? Die Verantwortlichen der Miteigentumsgemeinschaft des Windparks werden niemals über die Köpfe ihrer Mitglieder hinweg eine Entscheidung fällen. Die Bürgermeister haben ihren Gemeinderat und die Obmänner der Genossenschaften ihre Mitglieder zu vertreten. Das Windparkprojekt ist Teil eines Kooperationsprojektes und Kooperation kann doch niemals funktionieren, wenn diese nicht auf einer solidarischen Zusammenarbeit und einem allgemeinen Konsens aufbauen kann. Daher ersuche ich alle Obervinschger, sich zunächst einmal die Zeit zu nehmen, um sich ausführlich und gelassen über den Windpark und die untersuchten Ausbauvarianten zu informieren und dann verantwortungsbewusst im Interesse einer nachhaltigen Entwicklung der Region, die bei der Energieversorgung auf einen Mix von lokal zur Verfügung stehenden Energiequellen, insbesondere auf Wasserkraft, Sonne, Wind und Biomasse bei moderater Nutzung angewiesen ist und die übergemeindliche Zusammenarbeit und den Zusammenhalt benötigt, zu entscheiden. Nur gemeinsam sind wir stark und nur gemeinsam werden wir den künftigen ­Herausforderungen der Energieversorgung, die künftig wohl oder übel auf mehr lokale Eigenständigkeit sowie intelligente und sparsame Versorgungssysteme setzen muss, gewachsen sein.
Vinschger Sonderausgabe

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