Vinschger Ritter nehmen Sigmundskron ein
Foto: Linsinger P1010018

Die Herren der Türme

Publiziert in 4 / 2003 - Erschienen am 27. Februar 2003
[F] Reinhold Messner wird die Türme von Schloss Sigmundskron übernehmen und das „Messner Mountain Museum“ dort einrichten. Bis es soweit ist, ist die Burganlage in der Hand von Werner Tscholl, der die Sanierung geplant hat und in den Gemäuern eine nackte Bühne schaffen wird. von Erwin Bernhart [/F] Sigmund der Münzreiche, der auch die Münzprägung von Meran nach Hall verlegte, hat das Schloss im Jahr 1473 erworben und komplett umgekrempelt, bis hin zur Namensgebung. Aus der ehemaligen Festung „Formigar“ wurde „Sigmundskron“. Seit der Kundgebung 1957 („Los von Trient“) hat zumindest der Schlossname Eingang in die jüngere Geschichte des Landes gefunden. 1996 kaufte das Land Südtirol die Ruine von den Grafen Toggenburg. [F] Ebners Niederlage [/F] Die Presse-Lords am Weinbergweg haben die Schlacht um Schloss Sigmundskron verloren. Das Kesseltreiben in der Ebner´schen Tageszeitung „Dolomiten“ hat nicht verhindern können, dass Reinhold Messner für 30 Jahre das geschichtsträchtige Schloss besetzen wird. Das „Messner Mountain Museum“ ist in greifbarer Nähe. Am Freitag vergangener Woche hat Messner vor der Wettbewerbskommission die letzten Zweifel beseitigt. Albert Plitzner, Direktor der Landesabteilung für deutsche Kultur, der in der Wettbewerbsbehörde sitzt: „Messner hat den Zuschlag bekommen.“ Ab Mitte 2005 wird Messner das Schloss für das von ihm geplante Berg-Museum in Beschlag nehmen. Der Konzessionsvertrag wird derzeit ausgearbeitet. Bis dahin werden die Schloss-Geschicke in den Händen des Star-Architekten Werner Tscholl aus Morter liegen, selbst Schlossherr von Reichenberg bei Taufers im Münstertal. Sein Sanierungsprojekt ist in der Polemik der vergangenen Monate untergegangen - und - mittlerweile ausgeschrieben. Mitte März werden die ersten Angebote eröffnet und voraussichtlich im Mai soll mit den Baumeisterarbeiten begonnen werden. [F] Alles in Stahl [/F] Tscholl scheint sein architektonisch radikalster Wurf zu gelingen. Seine Sanierungstechniken, erprobt an der Bibliothek Schlandersburg, an der Fürstenburg zu Burgeis, um nur einige zu nennen, hat er auf ein niedrigs-tes Maß gebracht. Die Ruine Sigmundskron wird Ruine bleiben. Von außen wird nichts auf eine Sanierung hinweisen. Im Inneren wird die von Tscholl geplante Bauart die bestehenden Mauern kaum berühren. Tscholl: „Ich stelle meine Strukturen so in die Türme, dass sie leicht wieder entfernt werden können. Sollte es in 20 Jahren etwa heißen, der Tscholl hat einen Blödsinn gemacht, kann die Konstruktion mit einem Hubschrauber wieder aus den Türmen genommen werden.“ Dass seine Idee von verschiedenen Ausschüssen mit Begeisterung aufgenommen wurde, bestätigt auch Giacomo Barducci, selbst Architekt und Vorsitzender der 2. Landschaftsschutzkommission: „Tscholl hat sein Projekt mit großer Sensibilität gegenüber dem Bestand gemacht.“ In die bestehenden Türme setzt Tscholl Stahltürme ein, alles verschraubt, nicht verschweißt. „Kompromisslos modern und genauso stark wie der Bestand. Ein Nebeneinander, das sich nicht weh tut“, so Tscholl, „Wir finden in der Ruine nur ein Material vor, nämlich Steinmauern, und antworten darauf mit nur einem Material, nämlich Stahl.“ Böden, Decken, Stiegen, Geländer, alles ist in Stahl geplant. Für die Elektroinstallation und für die Regenwasserableitung wird die alte Bausubstanz nicht angegriffen. Die Leitungen verlaufen in Stahlrohren. Neue und alte Bauart werden sich nur dort berühren, wo eine statische Notwendigkeit gegeben ist. Die Türme werden auf mehreren Stockwerken begehbar sein. Diese Plattformen sind durch ein Geländer vom alten Gemäuer getrennt. Einzig in einige der gewaltigen Schussscharten wird man über kleine Brücken gehen können. Die Türme bleiben durch den Abstand des Neuen auch im Innenraum von unten bis oben sichtbar. Vom Geländer kann bis zum Grund und durch das Dach hinaus gesehen werden. Die Dächer sind aus Glas geplant, von der Turmkrone etwas nach unten versetzt, so dass sie von außen nicht sichtbar sein werden. „Bei manchen Restaurierungen hat man Kegeldächer aufgesetzt. Das ist eine Geschichtsverfälschung“, meint Tscholl und: „Wir lassen den Zustand so, wie er ist.“ Dies gilt auch für die Mauerlöcher in den Türmen, die den Deckenbalken als Halt gedient haben. Einzig lockere und daher für die Besucher möglicherweise gefährliche Steine sollen befestigt ebenso kleinere Steinausbrüche ausgebessert werden. [F] Ruine bleibt Ruine [/F] Ein Rundgang wird im Schloss angeboten, von einem Turm zum anderen. Die Burganlage ist so angelegt, dass der Südhof vom Nordhof durch einen Felsen getrennt ist. Eine Treppe aus Stahl wird dieses Hindernis überwinden. Rosten soll die Treppe, damit sie sich in das Gelände, auch optisch, einfügt. „In etwa 10 Jahren wird der Stahl regelmäßig gerostet sein,“ so Tscholl. Angedacht war auch einmal ein Stollen, der allerdings aus Kostengründen wieder verworfen wurde. Behindertengerecht erschlossen wird der Nordwest teil der Schlossanlage. Die Konstruktion von Tscholl wird eine Begehung und eine Besichtigung des Schlosses und im Besonderen der Türme ermöglichen, unabhängig davon, ob ein Museum errichtet werden wird. Auch die Ausschreibungsform ist neu. Um für die heikle Mission der Sanierung von vornherein „Schlangelfirmen“ (Tscholl) ausschließen zu können, wird für die Ausschreibungsbewertung eine Kommission eingesetzt, die neben dem Preisangebot zusätzlich Referenzen der Anbieter und zudem, und das ist neu, Muster im Maßstab 1 : 1 bewerten wird. Dabei wird das Preisangebot nur ein Drittel der möglichen Bewertungspunkte ausmachen. „Dann haben wir im Laufe der Bauausführungen immer einen konkreten Bezugspunkt in Punkto Qualität,“ rechtfertigt Tscholl den neuen Modus. Die Kosten für das Sanierungsprojekt sind mit rund 5,3 Millionen Euro beziffert. Die Baukosten selbst schlagen mit 4 Millionen Euro zu Buche, der Rest ist für technische Spesen und Mehrwertsteuer vorgesehen. Tscholl hat ursprünglich einen Kostenvoranschlag von rund 6 Millionen Euro eingereicht. Das war der Landesregierung zu teuer. Tscholl meint zu der abgespeckten Version: „Die minimalistische Idee hat sich ganz gut mit den Baukosten getroffen.“ Der Burghügel selbst bleibt, unabhängig vom Sanierungsprojekt und auch unabhängig von Messners Bergmuseum eine didaktische Baustelle. Dort werden Archäologen weiterhin Ausgrabungen machen, so dass Schlossbesucher, Schulklassen etwa, den Archäologen bei ihrer Arbeit über die Schultern schauen können. [F] didaktische Baustelle [/F] Rund 1200 Quadratmeter Ausstellungsfläche sind geplant, aufgeteilt zwischen den Stockwerken der Türme und dem Wirtschaftsgebäude, welches lange Zeit als Restaurant genutzt wurde und von dem ein Teil wiederum als Restaurant geplant ist. In den Türmen selbst ist weder eine Heizung noch eine Klimaanlage vorgesehen. Der künftige Museumsbetreiber, die Besucher und auch die Ausstellungsstücke werden auf diese Annehmlichkeiten verzichten müssen. Messner wird, so Tscholl, eine „nackte Bühne“ vorfinden, die er nicht verändern darf. Für 30 Jahre wird Messners Name mit Sigmundkron in Verbindung stehen. Laut Vereinbarung wird Mess-ner die Führungskosten selbst übernehmen. In keinem Museum des Landes ist eine derartige Vereinbarung getroffen worden. Messner ist demnach zum Erfolg verdammt. Sigmundskron ist eine Perle in der Museumskette, die Reinhold Messner derzeit plant. Seinen sommerlichen Wohnsitz Schloss Juval will er so umgestalten, dass dort „der religiöse Zugang des Menschen zu den Bergen“ verdeutlicht wird. „Ein weiteres Museum wird Eis- und Kristallwelten demonstrieren. Es ist unterirdisch angelegt und wird unter dem höchsten Berg Südtirols entstehen“, so Messner in einem dpa-Interview. Ein weiteres Museum solle sich dem Schwerpunkt Bergvölker widmen und im Trentino entstehen. Aus Sigmundskron wird Reinholdskron und Reinhold wird sich den Beinamen der Münzreiche verdienen müssen.
Erwin Bernhart

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