Die “Kindermütter” und ihre Kinder
Publiziert in 7 / 2003 - Erschienen am 10. April 2003
[K] Jung, ausgelassen, frei und dann die Nachricht: schwanger! Was jetzt? Wie den Eltern sagen, wie wird der Freund reagieren? Immer wieder kommt es zu Teenagerschwangerschaften in einer Gesellschaft, in der die normbestimmende Schicht immer später Kinder bekommt. Ein Kind ist eine große Veränderung im Leben jeder Frau, wenn die Frau selbst noch fast ein Kind ist, um so mehr.
von Andrea Perger [/K]
Mit einem Anteil von 1,4 Prozent an den Gesamtgeburten im Jahr 2002 bilden die Mütter im Alter von 15 bis 19 Jahren statistisch gesehen einen sehr geringen Anteil und doch stecken hinter dieser Zahl 78 Einzelgeschichten von Mädchen, die recht jung und teilweise auch ungewollt schwanger geworden sind. Wir haben mit Betroffenen VinschgerInnen, Beratungsstellen und einer Frauenärztin über dieses Thema gesprochen.
Körperlich sind junge Frauen in diesem Alter durchaus reif für eine Schwangerschaft, doch innerlich bricht oft eine Welt zusammen. Aber wie gehen junge Mädchen mit der Schwangerschaft um? Was ist mit den Vätern der Kinder? Wir sind diesen und anderen Fragen nachgegangen.
*Priska: Ich war gerade 18 Jahre alt geworden, als ich schwanger wurde, allerdings war mein Sohn ein absolutes Wunschkind. Deswegen bin ich auch so stolz auf meinen Bauch gewesen und egal was andere sagen, für mich war auch die Geburt selbst ein ganz tolles Erlebnis. Ich hatte nicht unbedingt eine leichte Geburt, aber als ich aus dem Kreißsaal geschoben wurde, habe ich geglaubt, ich müsste die ganze Welt umarmen. Mit dem Erzeuger, ich nenne ihn so, weil er nie mehr gewesen ist, hatte ich nicht soviel Glück. Wir haben uns getrennt, weil er mich nicht gut behandelt hat und mit dem Kleinen hat er sich auch nur in der Öffentlichkeit abgegeben. Als Vater kann man ihn wirklich nicht bezeichnen. Mein Sohn war für mich dagegen immer das schönste und beste Kind der Welt. Ich hatte ein Babybuch und habe versucht, alles in der Erziehung richtig zu machen, z.B. habe ich ihn nur gebadet, wenn die Raumtemperatur und die Wassertemperatur hundertprozentig gepasst haben. Ich habe es nie bereut ihn zu bekommen, ich würde ihn sogar nochmals so früh bekommen. Allerdings glaub ich auch, dass junge Mädchen, die schwanger werden, gar nicht wissen was es bedeutet „Mutter zu sein“. Reale Kinder sind nicht wie die im Fernsehen. Die lassen sich nicht vorschreiben, wann sie zu schreien haben und wann nicht. Auf das sollte man gefasst sein. Der familiäre Rückhalt ist auch immens wichtig, ohne den weiß ich nicht, wie ich das damals geschafft hätte.
*Martin: Es war für mich ein totaler Schock als ich erfahren habe, dass meine Freundin schwanger ist. Ich hatte andere Dinge im Kopf mit 17, als Vater zu werden. Sie hat sofort gesagt, dass eine Abtreibung für sie nicht in Frage kommt und damit war ich einverstanden. Ich habe schon Angst gehabt, dass wir das nicht schaffen, aber sie zu verlassen habe ich keine Sekunde überlegt. Jetzt bin ich Papa und auch sehr stolz. Manchmal war es schon heftig, wenn der Kleine zum Beispiel mitten in der Nacht geschrien hat oder wenn er krank war. Einfach war es nicht immer, aber meistens ist es schön zu dritt. Ich glaube aber auch, dass sich die meisten Jungs drücken und ihre Freundin "stehen lassen". Das sind in meinen Augen Feiglinge. Ich würde es ewig bereuen, ohne meinen Sohn leben zu müssen.
*Julia: Ich bin trotz Pille mit 14 schwanger geworden. Als mir immer öfter übel wurde und ich ein Ziehen in der Brust spürte, bin ich zum Frauenarzt gegangen. Der hat mir dann eben gesagt, dass ich schwanger bin. Als Allererste hat es meine Freundin erfahren, dann mein Freund. Meinen Eltern habe ich es erst im vierten Monat erzählt, aus Angst sie könnten eine Abtreibung von mir verlangen. Ich habe es ihnen in einem Brief mitgeteilt, aber sie standen total hinter mir, was in meinen Augen echt wichtig ist. Am Anfang der Schwangerschaft hatte ich Angst vor den Reaktionen der Umwelt. Im Dorf hat man schon über mich gelästert. Heute lass ich mich nicht mehr von anderen Leuten beeinflussen, ich bin stolz auf mein Kind. Die Geburt war kompliziert und mein Kind danach sehr schwach und die ersten beiden Monate danach waren auch nicht einfach. Es war schon eine große Umstellung. Meine Mama hat mir aber alles gezeigt, was ich wissen muss und hat uns natürlich finanziell unterstützt. Auch mein Freund und dessen Eltern haben mir sehr geholfen. Dann bin ich wieder zur Schule. Vormittags Schule, nachmittags Kind, da benötigt man schon eine gute Planung. Heute bin ich nicht mehr auf meine Eltern angewiesen. Ausgehen kann ich auch, denn am Wochenende schaut mein Freund auf das Kind. Jedem Mädchen, das so jung wie ich schwanger wird, kann ich nur raten: Lass dich nicht von den Leuten fertig machen und sag nicht, das kriege ich schon alles hin, wenn du Hilfe brauchst, lass dir helfen.
*Daniela: Ich habe selbst noch kein Kind, aber meine Mutter hat mich mit 17 bekommen. Sie spricht allerdings nicht darüber und blockt auch jedesmal ab, wenn ich sie darauf anspreche. Ich glaube, sie hat es nicht leicht mit mir gehabt. Von meinem Erzeuger weiß ich auch nichts. Ich möchte schon wissen, wer er war und warum ich ihm offensichtlich egal bin. Ich möchte erst später, wenn ich verheiratet bin Kinder kriegen, weil ich glaube, dass Kinder einen Vater brauchen. Meine Mutter hat sich zwar immer große Mühe gegeben, dass mir nichts fehlt, aber Vater hatte ich eben keinen. Trotzdem bin ich froh, dass sie mich nicht abgetrieben hat.
*Sarah: Ich war 16 als ich schwanger wurde. Aber bis zur Geburt habe ich das nicht richtig wahrhaben wollen. Ich dachte immer, das sei nur ein Traum. Im ersten Moment war es ein totaler Schock, ich hatte Angst vor den Reaktionen der Umwelt und vor den Reaktionen meiner Eltern, aber beides war dann halb so schlimm. Erst als ich meine Tochter im Arm hielt, erkannte ich, dass ich jetzt Verantwortung für jemanden habe und erst da habe ich richtig realisiert, dass ich nun Mutter bin. Das seltsame war, dass mich Freunde von denen ich es nicht erwartet hatte im Stich ließen und andere dagegen, mit denen ich vorher nicht viel zu tun hatte, mir plötzlich Mut zugesprochen haben und mir geholfen haben. Das war eine sehr positive Erfahrung. Ohne meine Tochter könnte ich nicht mehr sein, sie gibt mir Halt. Nach der Geburt bin ich nicht mehr zur Schule gegangen und habe die Zeit als Hausfrau auch sehr genossen. Ich bin durch meine Tochter gereift, denn wenn man ein Kind hat, kann man nicht mehr nur an sich denken.
Für viele Mädchen ist die Nachricht über die Schwangerschaft ein Schock. In diesen Fällen, und falls Probleme mit dem Elternhaus bestehen, aber auch bei allen anderen Problemen sollte man sich an Beratungsstellen wenden. Manchmal ist jedoch die Hemmschwelle Hilfe anzunehmen sehr groß, worin oft das Hauptproblem besteht. Die jungen Frauen wollen dann beweisen, dass sie alleine mit ihrer Situation zurechtkommen. Die Annahme von Hilfe in der Schwangerschaft oder in der Kindererziehung wird von vielen bereits als Scheitern betrachtet. Trennen sich die Mütter von den Erzeugern der Kinder, lehnen sehr viele das Vaterschaftsgeld ab, mit der Begründung, so ihr Kind ganz alleine groß zu ziehen. Dies ist jedoch der falsche Weg. Auch in dieser Frage können Beratungsstellen weiterhelfen. Allerdings ist der Vinschgau in diesem Bereich unterentwickelt. So ist der Beratungsdienst der Bezirksgemeinschaft in Schlanders nur ein mal pro Woche besetzt. Deswegen wenden sich die meisten Hilfesuchenden an Beratungsstellen in Meran.
*Namen von der Redaktion geändert
[F] „... die Tragweite wird ihnen erst allmählich klar ...“ [/F]
[K] Sind Jugendliche heute früher körperlich reif? [/K]
Waltraud Stanzl: Obwohl der Trend schon in die Richtung geht, glaube ich nicht, dass darin das Problem liegt. Früh reif war auch schon meine Generation. Es ist eher das Bild, das die Jugendlichen von der Sexualität haben. Dieses wird oft von den Medien verzerrt. Außerdem glaube ich, dass sich die Jugendlichen ähnlich wie in anderen Bereichen hier eine große Freiheit herausnehmen und ihre Neugier ausleben. Oft ist eben der Körper reif und der Kopf noch nicht. Die Hemmschwelle ist oft sehr niedrig. Dabei denke ich, dass die Jungs frecher sind und oft ist eben beiden Geschlechtern die Tragweite ihres Handelns nicht bewusst.
[K] Wie reagieren die Mädchen, wenn sie zu Ihnen kommen und erfahren, dass sie schwanger sind? [/K]
Viele freuen sich im ersten Moment über die Nachricht. Ich glaube die Tragweite wird ihnen erst allmählich klar, sobald sich der Körper in der Schwangerschaft verändert, ihnen übel wird und sich ein Wandel in ihrem Leben abzeichnet, wenn sie z.B. nicht mehr am Samstag in die Disko gehen können. Vielen wird auch erst klar, in welcher Situation sie sich befinden, wenn die Kinder geboren sind. Da ist so manche Mutti schon überfordert. Ich glaube in diesem Zusammenhang muss man auch zwischen Schulmädchen und Mädchen, die in der Arbeitswelt stehen unterscheiden. Bei Schulmädchen springen sehr oft die werdenden Großeltern ein, denn die meisten möchten, dass ihre Töchter die Ausbildung abschließen. Mädchen, die schon in der Arbeitswelt stehen, müssen hingegen oft alleine klarkommen. Das Finanzielle spielt schon eine große Rolle. Hier möchte ich auf einen Missstand aufmerksam machen: Es haben nur solche Muttis Anrecht auf Geburtengeld, die vorher versichert waren. Ungewollt schwanger Gewordene erhalten deshalb oft nichts.
[K] Wie verhalten sich die Mädchen während der Schwangerschaft und der Geburt? [/K]
Während der Schwangerschaft sind die Mädchen sehr gewissenhaft und kommen regelmäßig zu den Untersuchungen. Sie sind meistens überaus positiv eingestellt und sind auch während der Geburt sehr tapfer. Ich glaube schon, dass die Mädchen durch ihre Kinder reifen.
[K] Lassen junge Mädchen eher abtreiben? [/K]
Nein, im Gegenteil. Junge Mädchen entscheiden sich meist für das Kind. Eine Adoption kommt für die meis-ten auch nicht in Frage.
[K] Was ist mit den Vätern? [/K]
Zu mir kommen meist sowieso nur die Mädchen, aber ich glaube, dass sich viele Väter vor ihrer Verantwortung drücken.
Interview:
Andrea Perger