Über 50-Jährige tun sich schwer
Robert Grüner, Koordinator des Arbeitsvermittlungszentrums Schlanders

„Die Lage ist nicht dramatisch, aber ernst“

Publiziert in 41 / 2012 - Erschienen am 14. November 2012
Auch im Vinschgau steigt die Zahl der gemeldeten Arbeitslosen Jahr für Jahr. Besonders schwerwiegend ist die Lage für jene, die über 50 sind und keinen Job mehr finden. Es vergeht jüngsthin kaum ein Tag, an dem das Thema Arbeitslosigkeit nicht aufs Tapet kommt. Auf der Ebene der EU ebenso wie in Italien und auch in Südtirol. Laut jüngsten Prognosen soll die Arbeitslosenquote in Italien im nächsten Jahr sogar auf über 11 Prozent ansteigen. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 36 Prozent. Das heißt, dass in Italien fast jeder dritte junge Mensch unter 25 Jahren kaum Perspektiven hat, eine feste Arbeit zu finden. In Südtirol liegt die Arbeitslosigkeit der unter 30-Jährigen derzeit bei 7 Prozent. In Bezug auf den Südtiroler Arbeitsmarkt insgesamt wurde kürzlich bei der Vorstellung des Arbeitsmarktberichtes 2012 von Stillstand und einer „leichten Verschlechterung“ gesprochen. Die landesweite Arbeitslosenquote von derzeit 3,7 Prozent wurde von der Landesregierung als „höchste Alarmstufe“ bezeichnet. Die größten Einbrüche gab es in den vergangenen Jahren im Bauwesen und im Transportsektor. Zuwächse sind hingegen im Gastgewerbe und zum Teil im Handel zu verzeichnen. Angesichts der derzeit knapp 8.000 Arbeitslosen in Südtirol und des allgemeinen Stillstandes hat die Landesregierung am 5. November die Grundlagen der Beschäftigungspolitik neu definiert. Es sollen zum einen hochwertige Arbeitsplätze geschaffen und zum anderen Arbeitslose effizienter vermittelt werden. Die Bildungs-, Weiterbildungs- und Beratungsangebote will die Landesregierung ausbauen. Die Situation im Vinschgau „Im Vergleich zu den landesweiten Statistiken ähnelt die Arbeitsmarktlage des Bezirks Vinschgau, in dem großteils kleinere und mittlere Unternehmen tätig sind, der allgemeinen Situation in Südtirol, wenngleich die Arbeitslosenquote etwas niedriger ist,“ sagt Robert Grüner, Koordinator des Arbeitsvermittlungszentrums Schlanders. Er hat für den "Der Vinschger" Zahlen und Statistiken des Zeitraums 2002 bis 2011 hervorgeholt. Belief sich die Zahl der gemeldeten und im Bezirk Vinschgau wohnhaften Arbeitslosen 2002 noch auf durchschnittlich 141, so wuchs sie bis 2009 auf 476 an, was einer Quote von 2 Prozent entspricht. Im Vorjahr waren es 441. Der sprunghafte Anstieg von 2009 ist laut Grüner u. a. auch auf die Entlassung einer für den Vinschgau nicht unbedeutenden Anzahl von HOPPE-Mitarbeitern zurückzuführen. Insgesamt ist der Prozentsatz der Arbeitslosen von 0,6 im Jahr 2002 auf knapp 2 im Vorjahr angestiegen. Arbeitslose nach Herkunft und Alter Von den 441 gemeldeten Arbeitslosen im Jahr 2011 waren 349 Einheimische (italienische Staatsbürger). 33 stammten aus den neuen EU-Ländern, 26 aus Ländern außerhalb Europas und 22 aus europäischen Ländern, die nicht zu den 27 EU-Mitgliedsstaaten gehören. Aufgeschlüsselt nach Alter waren die 30- bis 39-Jährigen mit 113 die am stärksten betroffene Gruppe, gefolgt von den 40- bis 49-Jährigen (96) und den 25- bis 29-Jährigen (77). 48 der gemeldeten Arbeitslosen des Jahres 2011 waren zwischen 55 und 59 Jahre alt, 47 zwischen 20 und 24 und 44 zwischen 50 und 54. Die Zahl der weiblichen Arbeitslosen ist seit 2005 höher als jene der männ­lichen. 2006 zum Beispiel waren 144 Männer arbeitslos und 167 Frauen, im Vorjahr waren 197 Männer auf Jobsuche und 245 Frauen. Starke Einbrüche im Bausektor Bei der Anzahl der Beschäftigten verzeichnen das Baugewerbe und der Transport in den letzten Jahren die größten Einbrüche, während wir in der Landwirtschaft, im Handel und Gastgewerbe konstante bis leicht steigende Zahlen vermerken können. Einen deutlichen Abwärtstrend in den meisten Sektoren - am deutlichsten im Baugewerbe - erleben wir bei den offenen Stellenangeboten. Das kann einerseits auf einer geringeren Auftragslage beruhen, andererseits verhalten sich die Arbeitgeber aufgrund der Krise auch bei vollen Auftrags­büchern sehr abwartend hinsichtlich der Anstellung neuer Mitarbeiter/innen. „Was mehr oder weniger verschwindet, ist der klassische Hilfsarbeiter,“ bestätigt Robert Grüner. Eines der größten Probleme sei die fehlende Ausbildung: „Personen, die keine Ausbildung haben, trifft es am härtesten.“ Die Realität zeige auch, dass es oft alles eher als leicht ist, von einer Arbeit zur anderen zu wechseln. Ein Hilfsarbeiter am Bau zum Beispiel oder ein landwirtschaftlicher Arbeiter tut sich schwer, plötzlich als Kellner sein Geld zu verdienen. In diesem Sinne sei es auch kein Widerspruch, dass sowohl die Zahl der Arbeitslosen wächst also auch jene der freien Stellen. Maßnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit sind laut Grüner wichtig und notwendig, „aber noch dringender sind Hilfestellungen für Menschen, die über 50 sind und plötzlich ohne Arbeit dastehen.“ Speziell in diesem Bereich ortet der Koordinator Handlungsbedarf. Jugendliche haben es heute insofern schwieriger, als dass der Einstieg in die Arbeitswelt oft mit Problemen verbunden ist. Der Einstieg erfolgt oft über Praktika, es gibt atypische und prekäre Arbeitsverhältnisse sowie Arbeitsangebote auf Abruf, also alles Umstände, die wenig Arbeitssicherheit garantieren. Weniger Lehrlinge Anlass zur Sorge gibt auch der Rückgang der Zahl der Lehrlinge im Vinschgau. 2002 wurden noch durchschnittlich 568 beschäftigte Lehrlinge gezählt, im Vorjahr waren es nur noch 423. Die stärksten Rückgänge sind im verarbeitenden Gewerbe Handwerk (von 130 auf 83), im Bauhandwerk (von 168 auf 124) und im Handel (von 131 auf 78) zu verzeichnen. 2002 waren im Vinschgau durchschnittlich 64 Tischlerlehrlinge beschäftigt, 2011 waren es nur mehr 37. Bei den Verkäufern sank die Zahl der Lehrlinge im selben Zeitraum von 47 auf 27, bei den Installateuren von 30 auf 17 und bei den Kfz-Mechanikern sogar von 36 auf 11. Immer mehr Pendler Die seit Jahren anhaltende Wirtschaftskrise und die damit einhergehende Verschlechterung der Arbeitsmarksituation dürften auch die Hauptgründe dafür sein, dass die Anzahl der Grenzpendler, die ihr tägliches Brot in der Schweiz und anderen Grenzregionen verdienen, seit einigen Jahren wieder im Steigen begriffen ist. 1980 lag sie bei 667 und 1990 bei 944. Ab diesem Jahr ging die Zahl rapide zurück. 1993 zum Beispiel wurden nur mehr 282 Grenzpendler gezählt. 2006 und 2007 waren es 400. 2008 stieg die Zahl auf 422 und 2009 waren es 620. Sepp Laner
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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