Die Nacht für alle
Beim „denk.Mal Festival“ wurde über inklusive Nachtkultur diskutiert. Was das heißt und wie eine solche auch in Südtirol gelingen kann.
Schlanders - „Als wir den Namen denk.Mal ausgesucht haben, dann war das mit verschiedenen Intentionen“, erklärte Katrin Gruber, Präsidentin von BASIS Vinschgau Venosta, bei der Auftaktveranstaltung des denk.Mal Festivals am Freitagabend in den Räumlichkeiten der ehemaligen Drusus-Kaserne. Einerseits beziehe sich der Name auf Denkmäler, in erster Linie aber gehe es um die Intention des Festivals: „Zum Nachdenken anzuregen“, so Gruber. Dies sollte vor allem bei der eröffnenden Podiumsdiskussion „Nachts sind ALLE…“ Programm sein. Das Motto des Abends, „loud & bright“ sei passend, „denn genau darum geht es auch hier im KASINO“, so BASIS-Mitarbeiterin Anna Hilber, die für die Organisation verantwortlich zeichnete. Der Abend sollte das Miteinander feiern, bei dem Gemeinsamkeit und Zugehörigkeit gelebt werden. So stand als späterer Höhepunkt noch die Show „Best Drag Queen Experience“ an. Aber der Reihe nach: Für die Diskussion hatten sich Eva Rottensteiner – Feministin und im Kompetenzteam für Frauen mit Behinderungen –, Evelin Mahlknecht (Forum Prävention Nachteulen), Trans-Frau Miriam Masten (Pride Südtirol) sowie Moderatorin Sarah Trevisol eingefunden. Das Thema: Inklusives Nachtleben, was das bedeute und wie ein solches mitgestaltet werden könne. „Wir sind nicht als Fachleute hier, sondern als Teilnehmende des Nachtlebens“, stellte Trevisol einleitend klar. Die erste Frage der Runde lautete: „Wann und wo habe ich mich das letzte Mal im Nachtleben wirklich wohlgefühlt?“ Evelin Mahlknecht erinnerte sich an ihre eigene Geburtstagsparty: „Was das Gefühl ausmacht, sind die Menschen, die Musik, die Atmosphäre.“ Eva Rottensteiner, selbst eine Frau mit Behinderung, berichtete von ihrer ersten FLINTA*-Party (Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre, trans und agender Personen). Dort habe sie sich sicher und frei gefühlt, weil Übergriffigkeit dort aktiv minimiert werde. Auch aus dem Publikum kamen Beiträge. Oft seien die besten Partys jene, die in privaten Räumen wie Küchen oder Wohnzimmern stattfinden, Orte, an denen man sich sicher und angenommen fühlt. Akzeptanz und das Gefühl, so sein zu dürfen, wie man ist, wurden als zentrale Aspekte genannt. Hannes Götsch von der BASIS brachte das Thema „Safe Spaces“ auf: Räume, die durch achtsame Menschen, sowohl Besucher/innen als auch Personal, Sicherheit bieten, ohne auf Repression zu setzen. „Es braucht Respekt und Offenheit. Auch der öffentliche Raum kann Qualitäten haben, wenn er gut organisiert ist“, so Götsch.
Zwischen Übergriffen und fehlender Sichtbarkeit
Miriam Masten, schilderte eindrücklich eigene Diskriminierungserfahrungen. Sie wurde in Südtirol etwa nicht in einen Club gelassen, wobei ihr der Türsteher entgegnete, „du kommst nicht rein, du bist Trans, dein Aussehen stimmt nicht mit Name und Foto im Ausweis überein“. Aus demselben Grund wurde sie auch bereits vor einer Diskothek verprügelt. „Das Clubpersonal ist oft nicht geschult. Viele wissen nicht, wie man mit queeren Personen respektvoll umgeht“, unterstrich die 18-Jährige. Es gebe aber auch positive Beispiele, etwa Clubs in Innsbruck, in denen das Personal Awareness-Trainings erhält. Unter Awareness versteht man ein Bewusstsein und eine Aufmerksamkeit für Situationen, in denen grenzverletzendes oder -überschreitendes Verhalten vorkommt. Eva Rottensteiner erklärte, dass auch positive Diskriminierung verletzend sei. Denn wer ständig Komplimente erhalte, wie „Wahnsinn, wie du das schaffst“, der fühle sich nicht als Teil, sondern als Ausnahme. Evelin Mahlknecht sprach das Thema sexualisierte Grenzüberschreitungen an. „Bei traditionelleren Veranstaltungen ist es fast normal, dass man unangenehm angemacht wird.“ Hier brauche es ständige Sensibilisierungsarbeit und das Bewusstsein, dass alle Verantwortung tragen.
Kollektive Verantwortung
Sarah Trevisol betonte, dass auf der Tanzfläche bestimmte Grenzverletzungen oft gar nicht mehr wahrgenommen würden. „Wenn jemand zu nahekommt, wird das oft einfach hingenommen.“ Sie berichtete von einer Situation, in der bei einer Veranstaltung in der BASIS solidarisch ein Schutzkreis um eine bedrängte Person gebildet wurde. Ein positives Beispiel dafür, wie kollektive Verantwortung aussehen kann. Miriam wies darauf hin, wie wichtig es ist, die Augen offen zu halten. „Man muss hinschauen und sich fragen: Wird hier gerade jemand bedrängt? Wir brauchen Mitgefühl, Awareness und die Bereitschaft, Grenzen klar zu setzen.“ Auch wurde betont, dass Inklusion im Hinblick auf Menschen mit Behinderung mehr ist als nur eine Rampe am Eingang. Eva Rottensteiner erklärte: „Schreibt nicht einfach ‚barrierefrei‘ auf das Plakat. Das ist es nie. Beschreibt konkret, wie die Situation vor Ort ist, im Detail, dann können sich Menschen mit Behinderung selbst ein Bild machen.“ Sarah Trevisol unterstrich, dass es zig Formen von Diskriminierung gebe. Awareness heiße nicht nur, Grenzverletzungen zu verhindern, sondern sich laufend Gedanken über gesellschaftliche Ausschlüsse zu machen. Offenheit, Toleranz und gegenseitiger Respekt seien Grundvoraussetzungen. „Fehler machen ist okay, wenn wir sie als Lernprozess sehen“, so Trevisol. Es gehe darum, sich immer wieder zu fragen: Wie können wir ein gemeinsames und sicheres Nachtleben für alle schaffen? Die Podiumsdiskussion sei nicht als abschließende Antwort gedacht, im Gegenteil: Sie sollte Denkanstöße geben und zur weiteren Auseinandersetzung einladen. Die BASIS sei ein gutes Beispiel und ein optimaler Ort dafür.
Benno Fürmann zu Gast
Viel Lob für den Abend äußerte der bekannte deutsche Schauspieler Benno Fürmann bei seinem ersten Besuch in den Räumen der früheren Drusus-Kaserne. Er urlaubte in der Nähe von Mals und war durch Brigitta Villaronga zur BASIS gekommen. Die Diskussion zum Nachtleben empfand er als spannend. Generell zeigte er sich von der BASIS begeistert, es sei wichtiger denn je, „Inseln zu bauen, wo alternative Ideen wachsen können“, so Fürmann.
Einen ausführlichen Bericht zum denk.Mal Festival am Samstag gibt es auf Seite 53.