Ein Stück Alt-Graun kehrt heim
Das Taufbecken und eine der 4 Weihwasserschalen
Das Turmuhrwerk der Alt-Grauner Pfarrkirche kehrte im Sommer 2023 nach Graun zurück.
Peppi Mayr und das Taufbecken, das nun wieder nach Graun zurückkehrt.
Eine Besonderheit dieser Weihwasserschale ist der Bischofskopf am Fuß.
Peppi Mayr im Schaufriedhof.

„Die Steine in meiner Wies“

Der Zufall und Steinmetz Josef (Peppi) Mayr retteten ein Stück Alt-Graun. 

Publiziert in 11 / 2025 - Erschienen am 11. Juni 2025

Graun/Laas - 75 Jahre nach der Sprengung der alten Pfarrkirche St. Katharina in Graun im Zuge der Seestauung kehren nun das ursprüngliche Taufbecken und eine der vier großen, ehemaligen Weihwasserschalen nach Graun zurück. Mit großer Freude konnte Bürgermeister Franz Prieth dem neu gewählten Gemeinderat bei der konstituierenden Sitzung am 19. Mai mitteilen, dass sich das Taufbecken und die Weihwasserschale im Bildhauer- und Steinmetzmeisterbetrieb Mayr in Laas befinden und dass der Seniorchef Josef (Peppi) Mayr bereit ist, das Becken und die Schale der Gemeinde abzutreten. „Wir brauchen ausschließlich für die Instandhaltungskosten und den Materialwert aufkommen“, informierte der Bürgermeister. Diese Ausgaben belaufen sich auf 12.500 Euro. Einhellig sprach sich der Gemeinderat im Zuge einer Bilanzänderung dafür aus, diesen Betrag für die Rückführung des Taufbeckens und der Weihwasserschale auszugeben. Der Deckel des Taufbeckens ist leider verschollen. Mit dem Becken und der Schale kehrt ein weiteres Stück Alt-Graun in die Heimat zurück. Im Sommer 2023 war es gelungen, das Turmuhrwerk der am 24. Juli 1950 gesprengten Kirche heimzuholen. Es handelt sich um das ältere von zwei Uhrwerken. Das jüngere hatte in der neuen Kirche Platz gefunden. Es war Karl Platino, alias Onkel Taa, der das Uhrwerk der Gemeinde geschenkt hat. Rund 30 Jahre lang hatte er das Uhrwerk in einer Kapelle neben seinem K.u.K. Museum Bad Egart auf der Töll aufbewahrt, nachdem er es seinerzeit einem Sammler und Tischler in Bruneck abgekauft hatte. Er wollte, „dass die Uhr dorthin zurückkehrt, wo sie hingehört, nämlich nach Graun“, sagte Onkel Taa bei der Übergabe. Benannt werden solle das Uhrwerk - das Pendel ist übrigens mit 1723 datiert - nach der Heiligen Katharina. Das Uhrwerk befindet sich seit der Rückführung im Büro des Grauner Bürgermeisters. „Die Gemeinde wird sowohl für das Uhrwerk als auch für das Taufbecken eine würdige, bleibende und öffentlich zugängige Unterkunft finden“, kündigte Franz Prieth an. Sepp

Beim Peppi in Laas

Man saß im Wintergarten, am 22. Mai 2025. In Laas zogen Regenwolken durch. Wärmende Jacken waren nicht falsch. „Der Wintergarten war ein Wunsch meiner Frau Christine, als sie krank wurde“, erklärte Peppi Mayr, Seniorchef des 1928 gegründeten Marmorverarbeitungsbetriebes. „Christine wollte ins Laaser Tal sehen, den Bahnhof vor Augen und das Lager der Lasa Marmo im Blick haben.“ Wer jetzt glaubt, mit dem Steinmetz Peppi Mayr kann man so ohne weiteres über Marmor reden, der ist noch nie von Peppi empfangen und ins Haus geführt worden. Auf dem Weg zum Wintergarten wandert man regelrecht durch eine Trophäenschau, die sich vom Treppenhaus durch den Flur zum Wintergarten zieht. Überall preisgekrönte Hirschgeweihe aus Ungarn und Antilopenhörner aus Namibia, dazwischen Werke von Vinschger Künstlern und die Bronzeköpfe der Mayrschen Dynastie mit Josef Mayr, Großvater, Josef Mayr, Vater, und „Peppi“ Josef Mayr, Seniorchef und inzwischen kurz vor seinem 90. Geburtstag. Derzeit treibt er sein erfolgreiches Wesen als Sportschütze an den Schießständen nicht nur Südtirols und bringt Diplome, Meistertitel, Medaillen und Trinkgläser nach Hause. Peppi‘s Vater war 30, als er den Betrieb übernahm, Peppi stieg mit 26 ein und erteilte die Verantwortung 2006 zuerst an seinen Sohn Thomas. Zwei Jahre später wurde eine KG gegründet mit Peppi und seinen Kindern Thomas und Renate.

Eine „Horrorgeschichte“

Dann war es soweit. Peppi begann vom Marmor zu erzählen, von den Blöcken, die beim Transport vom Bruch zum Lager in den Laaser Bach rutschten und von dort geborgen werden mussten. Es folgte eine Horrorgeschichte, die der damals 15-jährige Peppi Mayr erlebt hatte. Er gehörte zur Arbeitergruppe seines Vaters, der es übernommen hatte, den vom Wasseranstieg bedrohten Friedhof in Graun zu verlegen. Man war nur für die Grabanlagen, nicht aber für Leichen, Gebeine, Särge oder Urnen zuständig. Peppi Mayrs Aufgabe bestand im Beschreiben und Nummerieren der Grabmäler. „Die Grauner hatten sehr interessante und sehr schöne Grabmäler“. Es schüttelte ihn aber immer noch, auch mehr als 50 Jahre nach dem Umbetten der Gräber. Er sieht heute noch die Arbeiter, wie sie Leichen bargen und ohne sich zu waschen ihre Jausen aßen.

Zeitzeuge der Seestauung

Die Wucht der grausigen Erinnerungen zeigte sich bei Peppi fast körperlich. Er war ein Zeitzeuge der Seestauung. Irgendwann ergab sich dann doch noch die Gelegenheit zu fragen: Wie seid ihr zum Taufbecken und zur Weihwasserschale aus Graun gekommen? Fast dankbar, abgelenkt zu werden, antwortete er: „Ich habe mal für einen Grauner Bauern gearbeitet, weiß aber weder Namen noch Hofstelle.“ Der habe ihm vorgeschlagen, seine Arbeiten im Tausch mit besonderen Steinen zu vergelten: „Vorne in meinem Anger liegen ein paar Steine. Die hätte ich gern verräumt. Ich wäre froh, wenn sie verschwinden würden.“ Dem Marmor-Experten genügte damals ein schneller Blick. Mayr‘s Steinmetz-Herz habe schneller geschlagen, als er die „Steine im Anger“ vor sich sah. „Zum Teil im Erdboden vergraben lagen ein paar ‚Grabsteinlen‘, das Taufbecken und Reste von Weihwasserschalen vor mir“, erinnerte er sich. Sie waren in einem miserablen Zustand. Heuer - „im Langes“ – ließ es dem Peppi keine Ruhe mehr. Er hatte am aufwändig verzierten Fuß der Weihwasserschale ein Bischofsgesicht entdeckt. Es ergaben sich längst Fragen, unter anderem: Wann und in welchem Stil sind Becken und Schale entstanden? Taufbecken gehören übrigens zu den wichtigsten Ausstattungsstücken einer christlichen Kirche. Hier kann man spekulieren oder versuchen, sich an anderen Kirchen im Tale zu orientieren oder sich in der Literatur zu vertiefen. Taufsteine mit vollständigem Holzaufbau stehen in Schlanders (auf 1519 datiert) und in Latsch (datiert 1603). Am Grauner Taufbecken wurden keine Steinmetzzeichen entdeckt, so dass nicht auszuschließen ist, dass Schale und Becken erst in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden sind. Der erste Blick auf das Muster des Taufbeckens lässt eine  Entstehung vor der Weihwasserschale vermuten. Das Taufbecken wurde zu einem Ausstellungsstück des Laaser Steinmetzbetriebes Mayr in Laas. Die Frage nach der hölzernen Abdeckung des Marmorbeckens und deren Befestigungspunkte regten Peppi zu einem ausgiebigen und temperamentvollen Zwischenbericht an über eine Steinmetz-Tagung auf Schloss Goldrain. Es sei zu einem Streitgespräch gekommen. „Ich gegen sogenannte Fachleute. Eine Stunde lang haben wir gestritten.“ Am Ende musste man dem „sturen Mayr“ Recht geben mit dem Argument, dass sich um eingebleite Nägel nach Erkalten des flüssigen Bleis winzige Hohlräume bilden, in die Wasser dringen kann und sich das Volumen des Nagels versiebenfacht. „So war es dann auch!“ Energisch klopfte Peppi Mayr auf die fachmännisch bearbeiteten Stellen am Taufbecken. 

Günther Schöpf
Günther Schöpf
Vinschger Sonderausgabe

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