Das Musterbeispiel einer Rettungsaktion
Walter Stecher überlebte Dank vorbild­licher Erste-Hilfe-Leistung.

„Dr Petrus hot nu nit offtean gwellt“

Publiziert in 29 / 2007 - Erschienen am 29. August 2007
Walter Stecher, ein allseits bekannter und sympathischer Mann aus Agums, hatte erst kürzlich einen Herz-Kreislauf-Stillstand wie durch ein Wunder ohne jegliche gesundheitlichen Folgen überlebt. Ein Musterbeispiel einer Rettungsaktion, bei welcher der gesamte Ablauf in Perfektion funktionierte, machte dies möglich. Der „Bürgermeister von Agums“, wie er von der Prader Bevölkerung liebevoll genannt wird, hat sein Leben Toni Stocker und dem Weißen Kreuz Prad zu verdanken. Mit der Aussage „I muas in Hergott still und laut donkn“, begann Walter Stecher über den 16. Juni 2007 zu erzählen. Er war mit seinem Fahrrad auf dem Weg nach Hause, als ihm auf einmal schwarz vor Augen wurde und er gegen das Tor ­einer Garage krachte. „Von einem Moment auf den anderen wurde mir schwarz vor Augen und ich kann mich an nichts mehr erinnern“, schildert Walter Stecher. Der frühere Straßenwärter hatte nämlich ein Kammerflimmern, das bedeutete, dass das Herz keine Auswurfleistung mehr hatte und somit der nötige Sauerstoff im Kreislauf fehlte. Einer Statistik zufolge haben südtirolweit nur acht von 32 Betroffenen das Ganze ohne Folgeschäden überlebt. Toni Stocker, Rettungsleiter des AVS-Bergrettungsdienstes Prad, war an diesem Tag zufällig in Agums, weil er dort seinem Bruder bei der Arbeit zur Hand ging. „Ich war nur 20 bis 30 Meter von der Unfallstelle entfernt und wurde aufmerksam, als eine Dorfbewohnerin lautstark Alarm schlug“, so Stocker. Der Rettungsleiter der Bergrettung Prad vermutete gleich, dass der 70-jährige Agumser einen Herzinfarkt erlitten hatte und begann sofort mit der Herzdruckmassage. „Es hat eher schlecht ausgesehen, er war meiner Ansicht nach bereits klinisch tot“, so der Prader weiter. Nach der gekonnten Erste-Hilfe-Leistung des Ersthelfers, kam in kürzester Zeit das Weiße Kreuz aus Prad an die Unfallstelle. Auf der Fahrt ins Krankenhaus begann Walter das erste Mal zu sprechen. Er selbst konnte sich erst wieder an alles erinnern, als er sich im Krankenhaus Schlanders wieder fand. Kurze Zeit später wurde der „Agumser Bürgermeister“ in das Krankenhaus von Bozen überstellt, wo er einer Herzkon­trolle unterzogen wurde. Wenig später wurde ihm ein Elektroschockgerät (Defibrillator) implantiert. Das Gerät reanimiert das Herz bei einem weiteren Stillstand wieder von selbst. „Ich denke nicht viel über das alles nach“, sagt der Agumser ganz nüchtern. Obwohl er natürlich ausschließlich lobende Worte für seine Lebensretter parat hat, erzählt er aber lieber von vergangenen Tagen und lustigen Ereignissen mit seinen Bekannten und Freunden. Aufgrund Anraten seines Arztes macht Walter Stecher nun jeden Tag eine schöne Runde von ­Agums bis nach Prad und wieder retour, da ihm die frische Luft und ein wenig Bewegung, vor allem kurze Zeit nach diesem Zwischenfall, sehr gut tut. Wie tadellos die gesamte Rettungskette funktionierte, zeigt die Tatsache, dass ein solches Unfallopfer keine Chance zum Überleben hat oder nachhaltige gesundheitliche Folgen davonträgt, da dies bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand bereits nach kürzester Zeit zu schweren irreparablen Schäden im Gehirn führt. Es ist deshalb notwendig so schnell wie möglich mit den lebensrettenden Erstmaßnahmen zu beginnen bzw. so bald wie möglich einen Notruf abzugeben. Während Toni Stocker die Standardversorgung mit Bravour meisterte und sofort den Notruf alarmierte, hatte das Weiße Kreuz Prad in dieser prekären Situation nur mehr die Möglichkeit eine Elektrotherapie durchzuführen, um den Patienten zu retten. Noch so gut ausgebildete Rettungssanitäter und die beste ärztliche Fürsorge sind aber im Endeffekt nichts wert, sobald der Erste, der an die Unfallstelle gelangt, die lebensrettenden Sofortmaßnahmen nicht anwenden kann. Jeder Mensch entscheidet somit über Leben und Tod eines anderen. Toni Stocker (Leiter der Rettungsstelle Prad des AVS-Bergrettungsdienstes): „Viele Schaulustige waren vor Ort, auch junge Leute. Es hat aber keiner etwas getan, das macht einen schon ein wenig nachdenklich.“ ­Wunibald Wallnöfer (Gemeindearzt Prad): „Der flächendeckende Einsatz der halbautomatischen Defibrillatoren durch den Rettungsdienst Weißes Kreuz hat in den letzten Jahren in Südtirol zahlreichen Menschen mit Kammerflimmern bzw. Herzstillstand das Leben gerettet. Ohne dieses Rettungsmittel sind früher Patienten mit Kammerflimmern zu mehr als 90% verstorben, weil es aus logistischen Gründen zu lange dauerte, bis eine elektrische Defibrillation erfolgen konnte. Besonders wichtig ist aber immer noch der sofortige Beginn von Basismaßnahmen wie der Herzdruckmassage und Beatmung durch die Ersthelfer, weil ohne diese die Erfolgsaussichten deutlich verringert werden. Man kann ruhig sagen, dass das beherzte Eingreifen des Bergretters Toni Stocker dem Patienten im vorliegenden Falle das Leben gerettet hat.“ Klaus Obwegeser (Dienstleiter Weißes Kreuz Prad): „Der genannte Fall ist ein perfektes Beispiel für das Funktionieren der Rettungskette. Unmittelbar nach dem Geschehen, welches beobachtet wurde, war die Situation durch Anton Stocker sofort richtig eingeschätzt, der Notruf veranlasst und mit den Wiederbelebungsmaßnahmen begonnen worden. Diese ersten Maßnahmen mit Herzdruckmassage haben für ausreichende Sauerstoffversorgung für die Organe des Patienten bis zum Eintreffen des Rettungswagens des Weißen Kreuz Prad gesorgt und brachten den bedeutenden Vorteil, dass keine laut internen Standard vorgesehene initiale Herzdruckmassage durch die Sanitäter mehr durchgeführt werden musste. Nachdem diese Maßnahme bereits effizient vom Ersthelfer vorgenommen wurde, konnte somit direkt mit der Elektroschocktherapie begonnen werden. Diese erfolgreiche Wiederbelebung zeigt zum einen die Wichtigkeit der Ersthelfer mit Sofortmaßnahmen sowie Notruf und bestätigt mit Erfolg die jahrelange Ausbildungs- und Fortbildungstätigkeit der Mitarbeiter des Weißen Kreuz Prad. Die Sektion verfügt dank der Spenden von Raiffeisenkasse und Privaten bzw. Vereinen über zwei solcher Geräte. Können wir nur einen Menschen mit einem Gerät retten und am Leben erhalten so hat sich diese Investition ausgezahlt.“ Gabriel Wunderer (beteiligter Weißes Kreuz-Rettungsdienstmitarbeiter): „Es war für mich ein wunderschönes Erlebnis und das aus zwei Gründen. Erstens weil Passanten bzw. Ersthelfer die Situation erkannt haben und sofort mit den Wiederbelebungsmaßnahmen begonnen haben und zweitens, dass sich die gesamte Ausbildung der Weiß Kreuz-Mitarbeiter bezahlt macht. Deshalb ein besonderes Lob an die Ausbildung des Weißen Kreuzes.“ Matthias Horrer (beteiligter Weißes Kreuz-Rettungsdienstmitarbeiter): „Ich lag noch vom Nachtdienst im Bett als kurz nach sieben Uhr der Alarm einging. Laut Angaben, welche wir über Funk bekamen, sollte es sich eigentlich um einen Fahrradunfall handeln und wir waren auch alle auf so eine Einsatzart eingestellt. Als wir los fuhren und an der Unfallstelle ankamen, sahen wir jedoch sofort wie bereits ein Laie die Wiederbelebungsmaßnahmen am Patienten durchführte. Für uns war ab diesem Moment klar, dass es sich um einen Patienten handelt welcher zwischen Leben und Tod steht und dass wir erweiterte Maßnahmen mittels AED anwenden müssen um das Leben des Patienten retten zu können. Als der AED den ersten Schock auslöste und wir wieder mit der Reanimation weiter machten, sagte Gabriel plötzlich zu mir: „Er kimp wieder“. Ich traute meinen Augen nicht, unser Patient, welcher vor ein paar Minuten noch regungslos am Boden lag, atmete ab diesem Zeitpunkt wieder eigenständig. Anschließend lieferten wir unseren Patienten ins Krankenhaus von Schlanders ein und wir waren stolz auf uns und freuten uns gemeinsam über einen so erfolgreichen Start in den Tag.“ Christian Horrer (Fahrer beim Rettungseinsatz von Walter Stecher): „Als ich mit dem Fahrzeug gestartet bin, hat Walter das erste Mal wieder begonnen zu reden. Ich war mir deshalb bewusst, dass er wieder klar zu denken begann und er überleben würde.“ Rudi Mazagg Vorgehensweise für den Ersthelfer: • Eigenschutz beachten • Bewusstseinskontrolle durch ansprechen/anschreien und anfassen • ist der Patient nicht ansprechbar oder bewusstlos: laut um Hilfe rufen • es folgt die Kontrolle der Atmung, durch Beobachtung des Brustkorbes (heben und senken), durch hören und fühlen der Luftbewegungen am Mund, nach vorheriger Überstreckung des Kopfes nach hinten • wird keine bzw. keine normale Atmung festgestellt, sofortiger Notruf 118 • nach Durchführung des Notrufes, sofortige Herzdruckmasage – diese erfolgt durch 30 Druckbewegungen mit den Handballen in die Mitte des Brustkorbes • nach 30 Herzdruckmassagen 2 Mal Beatmen, durch Überstreckung von Kopf in den Nacken und einblasen der Luft in den Mund, die Nase muss dabei mit den Fingern verschlossen werden • fortführen der Maßnahmen bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes bzw. bis der Patient eventl. Lebenszeichen gibt
Rudi Mazagg
Rudi Mazagg
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