„Windräder nur am Brenner und sonst nirgends“

Durnwalder nimmt kein Blatt vor den Mund

Publiziert in 6 / 2011 - Erschienen am 16. Februar 2011
Vinschgau – Geht es nach dem persön­lichen Willen des Landeshauptmannes Luis Durnwalder, soll in Südtirol nur ein einziges Windpark-Projekt umgesetzt werden, und zwar jenes am Brenner. Alle anderen Gebiete in Südtirol sollten von der Landesregierung als windkraftfrei erklärt werden. Diese seine Einstellung zum ­Thema Windkraftnutzung in Südtirol verriet Durnwalder am Samstag in einem Interview mit dem „Vinschger“. Dass er bei den Landtagswahlen 2013 nicht mehr antritt, ist nicht sicher: „Es waren schon mehrere politischen Gruppierungen bei mir, die mich ersucht haben, ja nicht aufzuhören.“ „Der Vinschger“: Das Windpark-Projekt auf der Malser Haide erhitzt schon seit Monaten die Gemüter, und zwar nicht nur in den Gemeinden Graun und Mals. Luis Durnwalder: Es wurden bisher verschiedene Windpark-Projekte vorgelegt und es sind noch etliche weitere An­suchen zu erwarten. Meine persönliche Meinung ist, dass in Südtirol nur ein einziges Windparkprojekt umgesetzt werden sollte, und zwar jenes am Brenner. Es ist dies zum einen das größte Projekt mit rund 40 Windrädern und zum anderen würde dieser Windpark die Landschaft im Vergleich zu anderen Projekten am wenigsten beeinträchtigen, denn die Einsehbarkeit ist relativ gering. Außerdem stimmen dort die Windverhältnisse und die Zufahrtsstraßen sind auch schon da Also ein klares Nein zum Windpark auf der Malser Haide? Luis Durnwalder: Geht es nach mir, so soll ganz Südtirol mit Ausnahme des Windparks am Brenner für windkraftfrei erklärt werden. Das ist aber „nur“ ihre persönliche ­Meinung. Luis Durnwalder: Ja, so denke ich persönlich, aber ich werde mich dafür ein­setzen, dass die Landesregierung einen entsprechenden Beschluss fasst. Und wie Sie wissen, zählt meine Stimme in der Landesregierung manchmal schon etwas. Und was geschieht mit den zwei bestehenden Windrädern? Luis Durnwalder: Sie sollen noch für ­einige Jahre betrieben werden, und zwar bis die Kosten gedeckt, sprich bis sie amortisiert sind. Nach dieser Zeit sollen sie abgebaut werden. Noch ein „energetisches“ Thema: Sind Sie dafür, dass der Vinschgau das ENEL-Verteilernetz übernimmt? Luis Durnwalder: Wir haben das Netz zwar zum Jahresbeginn übernommen, das ENEL aber gebeten, es für ein Jahr weiterzuführen. Wenn die Vinschger Gemeinden das Netz übernehmen wollen, so ist das nicht nur ihr gesetzlich verankertes Recht, sondern ich wäre sehr, sehr dankbar, wenn sie das tun würden. Dann hätten wir ein geschlossenes Verteilergebiet. Allerdings ist auch zu sagen, dass wir das Netz nur zu jenen Bedingungen weitergeben können, zu denen wir es bekommen haben. Meinen Sie damit auch die Kosten? Luis Durnwalder: Ja natürlich. Viele hätten das Netz gerne kostenlos. Es ist schon auch zu sagen, dass die Stromverteilung an und für sich kein Geschäft ist. Die Netze sind auszubauen, denn seitens des ENEL hat sich in letzter Zeit diesbezüglich kaum etwas getan. Es braucht in den nächsten 6 bis 7 Jahren sicher zwischen 10 und 20 Millionen Euro, um das Verteilernetz landesweit in Schuss zu bringen. Sollte der Vinschgau das Netz übernehmen, wären wir sicher bereit, die anteilsmäßigen Beiträge für die Instandsetzung zu ge­währen. Wie schon gesagt: Ein Geschäft ist die Verteilung keines, aber sie ist ein Dienst für die Bürger. Die Vinschger wissen sehr wohl, dass eine Verteilung nur dann Sinn macht, wenn man auch selbst an der Stromproduktion beteiligt ist, also selbst über Strom verfügt. Die Vinschger wollen Strom in natura. Luis Durnwalder: Mit den Vinschgern wurde zum Beispiel bereits ausgehandelt, dass sie im Ausmaß von 30 Millionen ­Kilowattsunden am Wasserkraftwerk Laas-Martell beteiligt sein können. Wir reden hier von Strom zum Selbstkostenpreis. ­Außerdem wurde ja landesweit festgelegt, dass die Gemeinden mit 20 % an der Stromproduktion beteiligt werden, wobei 70 % davon an die Standort- bzw. Ufergemeinden gehen. In Geld umgelegt bedeuten die genannten 20 % in etwa 10,6 Millionen Euro. Auch die Gemeinden Martell, Laas und Latsch sind Standortgemeinden und sie bekommen 30 Millionen Kilowattstunden zum Selbstkostenpreis. Nun müssen die Gemeinden entscheiden, wie sie mit den Einnahmen vorgehen. Sie könnten zum Beispiel auch beschließen, dass sie den Bürgern verbilligten Strom anbieten. Themenwechsel: Sehen Sie im Vinschgau noch Möglichkeiten für skitechnische Zusammenschlüsse? Luis Durnwalder: Es sollte endlich ein Gesamtkonzept erstellt werden. Klar ist, dass es keine Neuerschließungen geben soll. Und wenn man schoon von Zusammenschlüssen spricht, dann kommen für mich nur Sulden-Martell und Latsch-­Ulten in Frage, wobei aber in beiden Fällen genaueste Überprüfungen, Studien und Untersuchungen notwendig wären. Was die Skigebiete Watles, Haideralm, ­Schöneben und Maseben betrifft, so ist eine Zusammenarbeit wünschenswert, nicht aber in dem Sinn, dass eine neue Gesellschaft entsteht, sondern dass sich die derzeitigen Gesellschaften zusammentun. Eine Verbindung mit dem Kaunertaler Gletscher kommt nur dann in Frage, wenn alle gemeinsam dahinter stehen, aber davon ist man derzeit noch sehr weit entfernt. Im Bereich Tourismus gibt es im Vinschgau noch Nachholbedarf. Luis Durnwalder: Der Vinschgau ist wunderbar und einzigartig, von der Landschaft und Natur her ebenso wie im Bereich der Kultur und Kunst. Auch die Mentalität der Vinschger ist eine besondere. Was es im Vinschgau sicher braucht, sind mehr Gästebetten. Mehr herausholen könnte man auch aufgrund der geografischen Lage, denn das Tal liegt ja als Grenz­region im Dreiländereck. Was der Vinschgau vor allem noch braucht, ist mehr Werbung, und zwar eine spezifische, eigene Werbung, mit der das Tal nicht „verkauft“ wird, sondern mit der die Besonderheiten und Einzigartigkeiten vermittelt werden. Die Verwaltungs- und Finanzierungs-Kompetenz für den Südtiroler Anteil des Natio­nalparks Stilfserjoch ist jetzt beim Land. Was wird sich ändern? Luis Durnwalder: Wir wollen den Nationalpark erhalten. All jene, die geglaubt haben, dass wir darauf aus wären, ihn zu zerstören, werden enttäuscht sein. Es wird sicher nicht so sein, dass jetzt im Nationalpark Hotels, Skilifte oder neue Wohnsiedlungen gebaut werden können. Wir haben den Südtiroler Parkanteil übernommen, um ihn gemeinsam und im Einverständnis mit der Bevölkerung und den Gemeinden aufzuwerten. Dass wir Schutzgebiete gemeinsam mit der Bevölkerung gut führen können, haben wir - so glaube ich zumindest - mit der Führung unserer Naturparke deutlich gezeigt. Es gibt sehr viele Möglichkeiten, den Nationalpark aufzuwerten. Wird es auch zu Änderungen der Parkgrenzen kommen? Luis Durnwalder: Bei den Abgrenzungen wird es im Großen und Ganzen keine Veränderungen geben. Kleinere und notwendige Verschiebungen sollten aber schon möglich sein. Etwas mehr Flexibilität und auch eine Einschränkung des bürokratischen Aufwandes erhoffen wir uns bei den Genehmigungsprozeduren. Wir möchten diese Prozeduren auf die Landesprozeduren abstimmen. Schon allein dadurch dürfte vieles unkomplizierter werden, ich nenne hier als eines der Beispiele die baurechtlichen Bestimmungen. Werden die Marteller und Stilfser Jäger in absehbarer Zeit wieder in ihren eigenen Tälern auf die Jagd gehen können? Luis Durnwalder: Von einer Jagd kann im Nationalpark nicht gesprochen werden. Uns geht es grundsätzlich darum, ein vernünftiges Gleichgewicht zwischen dem Wildbestand im Nationalpark sowie der Land- und Forstwirtschaft zu erzielen. Den Weg der bisherigen, auf wissenschaftlichen Kriterien fußenden Wild­regulierung wollen wir fortsetzen, wobei allerdings die Wildentnahme von der heimischen Bevölkerung durchgeführt werden soll. Vom Nationalpark nun kurz nach Rom, genauer gesagt zum Stichtag 17. März, dem Tag der nationalen Einheit Italiens. Staatspräsident Giorgio Napolitano hat Ihnen einen nicht sehr „freundlichen“ Brief geschrieben. Was würden Sie zu Napolitano sagen, wenn er jetzt vor Ihnen säße: Luis Durnwalder: Lieber Herr ­Napolitano, Sie wissen ganz genau, dass wir Ihre Arbeit schätzen. Ich war selbst einige Male bei Ihnen in Ihrer Funktion als Innenminister und Staatspräsident und wir konnten einiges zusammen erreichen. Wir schätzen auch Ihre derzeitige Tätigkeit als sicherer Bezugspunkt und Ruhepol in der derzeitigen, verworrenen politischen Situation Italiens. Ich ersuche Sie andererseits aber auch darum, als intelligente und geschichtsversierte Person, die Sie sind, unsere Realität zu verstehen und zu respektieren. Wir sind nun einmal als deutsch- und ladinischprachige Bevölkerung eine österreichische Minderheit. Wir wollen sicher nicht die Einheit Italiens sprengen, aber Sie müssen schon verstehen, dass wir als annektierte Minderheit keinen Grund zum Feiern haben. Aber Sie sind doch der Landeshauptmann aller Sprachgruppen. Luis Durnwalder: Ja, und genau des­wegen ist meine Position die eben geschilderte. Die Italiener können feiern, ich habe beileibe nichts dagegen. Wir haben ja zwei italienische Landesräte, welche als offizielle Vertreter der Italiener an den Feierlichkeiten teilnehmen können. Das Verständnis dafür, dass den meisten Deutschen und Ladinern alles andere zumute ist als zum Feiern, darf man hoffentlich noch einfordern. Wieder zurück zur Sachpolitik: Könnte es sein, dass die Umfahrung des Ortsteils Forst in Algund früher gebaut wird als der Tunnel Kastelbell/Galsaun? Luis Durnwalder: Auch bezüglich der Umfahrungen im Vinschgau wäre ein Gesamtkonzept wünschenswert. Zur Um­fahrung Forst kann ich versichern, dass aufgrund dieses Vorhabens die Umfahrung Kastelbell/Galsaun um keinen Tag später gebaut wird. Die Sache ist die: Wenn Private oder Gemeinden bereit sind, mitzuzahlen, sollten solche Projekte rasch umgesetzt werden. Wenn die Brauerei Forst zum Beispiel sagen würde, 50 % der Kosten zu übernehmen, müssten wir dieses Angebot schnell annehmen. Was aber nicht hieße, dass andere Vorhaben deswegen hintan gestellt werden. Erste Priorität im Vinschgau hat meiner Meinung nach Kastelbell/Galsaun. Allerdings darf man mir nicht mit Kosten von 70 oder 80 Millionen Euro kommen, sondern mit ca. 45 Millionen. Auch Rabland pocht auf eine Umfahrung. In Tartsch könnte ich mir eine nicht allzu teure Übergangslösung vorstellen. Stufen Sie die zwei Landtagsabgeordneten Sepp Noggler und Arnold Schuler als ­Rebellen ein? Luis Durnwalder: Mit Noggler und Schuler, mit denen ich menschlich sehr gut auskomme, ist es politisch nicht immer sehr angenehm. Sie sollten akzeptieren, dass sie einer Partei angehören und dass die Dinge zunächst intern auszudiskutieren sind und dass man nach außen geschlossen aufzutreten hat. Ich bin nicht einverstanden, dass man wegen jeder Kleinigkeit in die Presse geht. Zu den Zeiten von Achmüller oder Franzelin haben wir intern sehr viel gestritten, doch nach außen ­waren wir geeint. Wenn Noggler und Schuler zum Beispiel etwas für den Vinschgau erreichen wollen, müssen sie auch bereit sein, zum Beispiel Zugeständnisse für andere Bezirke mit zu tragen, dann können sie auch mit der Unterstützung für Vinschger Anliegen ­rechnen. Richard Theiner arbeitet genau auf diese Weise und das ist gut so. Wird Richard Theiner Ihr Nachfolger? Luis Durnwalder: Das bestimme nicht ich, sondern die Partei und die Wähler. Theiner hat sicher die menschlichen und fachlichen Voraussetzungen, Landeshauptmann zu werden. Das haben andere auch. Übrigens hat Theiner als SVP-Obmann in dieser Sache mehr zu sagen als ich als Landeshauptmann. Sind Sie sicher, dass Sie 2013 die politische Bühne verlassen? Luis Durnwalder: Es ist schon meine Absicht, 2013 nicht mehr anzutreten und die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich nicht mehr der Wahl stelle, ist groß. Man weiß aber nie, was alles passieren kann. Es sind kürzlich bereits politische Gruppierungen an mich herangetreten und haben mich gebeten, 2013 ja nicht nein zu sagen. Wenn ich gewünscht und gebraucht werde, bin ich da, soviel kann ich sagen. Ihr Töchterchen Greta wird wohl oft und lange auf Sie warten müssen? Luis Durnwalder: Wenn sie irgendwie hört oder sieht, dass ich komme, ruft sie schnell: Tatta, Tatta! Interview: Sepp Laner
Vinschger Sonderausgabe

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.