Muss auch der Rambach zu einem „Geldbach“ werden?
Projekt-Skizze zum E-Werk Rambach

E-Werk Rambach: Zwischen „noch vertretbar“ und klarem Nein

Publiziert in 9 / 2008 - Erschienen am 12. März 2008
Glurns – Der Rambach gehört zu den letzten Wildbächen in Südtirol. Die Frage, ob auch dieser Bach, der bei Tschierv am Ofenpass entspringt, durch das Val Müstair und durch Taufers im Münstertal fließt und bei Glurns in die Etsch mündet, für die Stromgewinnung angezapft werden soll oder nicht, stand am Freitag im Mittelpunkt einer sehr gut besuchten, von Evi Keifl moderierten Podiumsdiskussion im Rathaus in Glurns. Eingeladen hatte die Umweltschutzgruppe Vinschgau. Zusätzlich zur Kernfrage „Muss der letzte Wildbach in die Rohre?“ weitete sich die Diskussion auch auf die landesweite Energie- und Strompolitik aus. Dabei wurde teils harte Kritik laut, auf die eigentlich der Landesrat für Energie und Umwelt hätte reagieren müssen, doch Michl Laimer war der große Abwesende. Laut Peter Gasser, dem Vor­sitzenden der Umweltschutzgruppe, habe man zunächst den Landeshauptmann Luis Durnwalder ersucht, ans Podium zu kommen, doch dieser habe auf den zuständigen Landesrat verwiesen. „Wir wollten Michl Laimer zwar unbedingt dabei haben, doch wir sind mit ihm nicht weitergekommen“, sagte Gasser. von Sepp Laner Fotos: Günther Schöpf Der Malser Bürgermeister Josef Noggler stellte das Projekt E-Werk Rambach vor. Schon vor rund 20 Jahren habe der damalige Abwasserverband Obervinschgau die Idee gehabt, ein E-Werk zu bauen, um die Energiespesen der Abwasserentsorgung auffangen zu können. Jetzt liege ein abgeändertes Projekt vor. Das Gutachten des Nationalparks sei ebenso erteilt wie alle anderen Genehmigungen. Auch der Umweltverträglichkeitsprüfung wurde das Projekt unterzogen. Das Bauwerk für die Wasserfassung soll in der Örtlichkeit Puntweil in der Nähe der Grenze zur Schweiz entstehen. Hand in Hand damit würde die Fassung für das Beregnungswasser sowie eine Fischrampe errichtet. Für die Stromproduktion würden 2.600 Sekundenliter in einer 8,5 ­Kilometer langen Druckleitung, die großteils entlang eines bestehenden Weges führe würde, bis zum geplanten Krafthaus in Glurns abgeleitet. Dank der beträchtlichen Fallhöhe (und 300 Meter) könnten jährlich bis zu 29.000 Megawattstunden produziert werden. Die Gesamtkosten bezifferte Noggler mit rund 20 Millionen Euro, den Jahresertrag mit rund 3,5 Mio. Euro, sodass die Investition in rund 8 Jahren abgeschrieben werden könnte. Auch Umweltmaßnahmen sehe das Projekt vor, so etwa Bachaufweitungen bei Laatsch. Insgesamt würden rund 33 Prozent des Wassers abgeleitet, „sodass die Restwassermenge weit über der Vorgabe des Landes liegt.“ Was jetzt noch fehlt, ist laut Noggler einzig und allein die Konzession. Es gebe zwei Konkurrenzprojekte. Zum einen das von ihm vorgestellte Projekt, an dem die Landesenergiegesellschaft SEL AG mit 50 Prozent und die Gemeinden Taufers, Mals, Schluderns und Glurns ebenfalls zu unterschiedlichen Teilen mit 50 Prozent beteiligt sind, und zum anderen ein Projekt von Hellmuth Frasnelli (Eisackwerk GmbH), das jedoch eine viel größere Ableitungsmenge vorsieht. Zur Konzessions-Erteilung seitens des Landes stellte Noggler ernüchternd fest: „Ohne eine Beteilung der SEL gibt es keine Konzession.“ Um überhaupt zu einer solchen zu kommen, seien die vier Gemeinden sozusagen gezwungen, die SEL mit ins Boot zu nehmen und sie die Hälfte des Gewinns einstreichen zu lassen. „Wir als Gemeinde Mals haben bis jetzt Null-Komma-Null Wasserkonzession,“ so Noggler. Das E-Werk Rambach sei umweltmäßig vertretbar und es sei recht und billig, dass die betroffenen Gemeinden endlich zu Einnahmen auf der Stromproduktion kommen. Dass die Gemeinden zusätzliche Einnahmen brauchen, ist laut ­Cristina Kury, Landtagsabgeordnete der Grünen, verständlich und nachvollziehbar. Um aber zu neuen Finanzmitteln zu kommen, seien andere Wege zu gehen. Kury stellt sich vor, dass zumindest ein Teil der Einnahmen aus der Wasserkraftnutzung in Südtirol jenen Gemeinden als Ausgleichs­zahlungen zukommen sollte, die ihre Flüsse bewusst nicht nutzen, sondern unter Schutz stellen. In Südtirol sei seit einigen Jahren ein Wildwuchs von E-Werken zu beobachten. Dieser Wildwuchs sei umgehend zu stoppen. Es gebe aufgrund des Klimawandels immer weniger Niederschläge und daher auch weniger Wasser in den Bächen. Der Verbrauch der elektrischen Energie sei in Südtirol von 2000 bis 2006 um 19 Prozent gestiegen. Das sei ein europaweiter Spitzenwert. Der Rambach darf laut Kury als bisher unberührtes Ökosystem nicht angetastet werden, „und jene Gemeinden, durch die der Bach fließt, sollen Geld von jenen bekommen, die von der Wasserkraft profitieren. So wird es auch in Schweiz gehandhabt.“ Auch mit Angriffen gegen das Land und die SEL AG sparte Kury nicht. Die Geld-Gelüste des Landes seien groß: Warum müssen SEL, Edison und oder Enel so viel von unserer Wasserkraft profitieren? Die Politik habe alle getan, „damit die Edison ‚teiflisch’ mitverdient und wir können die Zinsen für ein Darlehen für die SEL zurückzahlen.“ Klaus Stocker, der Präsident der SEL AG, stellte grundsätzlich fest, dass die SEL im Auftrag des Landes bestrebt sei, mit den Gemeinden zusammen zu arbeiten. Er habe kein Verständnis dafür, dass die SEL immer wieder „verteufelt“ werde, „denn die SEL gehört dem Land und das Land sind wir alle. Wenn nicht wir versuchen, uns die großen Kraftwerke zu holen, machen es halt andere, und hungrige Interessenten gibt es in ganz Europa“. Zum E-Werk Rambach meinte er, „dass die SEL keine Absicht hat, dieses Projekt im Alleingang weiter zu treiben. Die betroffenen Gemeinden müssen entscheiden, ob sie das E-Werk mit uns gemeinsam bauen wollen. Die SEL hat sich zwar eingeklinkt, doch die Entscheidung treffen die vier betroffenen Gemeinden und wir als SEL werden diese Entscheidung respektieren.“ Dem Land und der SEL gehe es grundsätzlich um die Heimholung der Energie, um die Energieunabhängigkeit und Sicherheit der Versorgung. Nicht an gehe es, „wenn man immer nach sauberer Energie ruft, dann aber zu jeder Maßnahme nein sagt.“ Über die erfolgreiche Revitalisierung des Rambachs im Val Müstair (dort heißt der Bach Rom = Ast), berichtete Pio Pitsch vom Amt für Jagd und Fischerei Graubünden. Auf einer Strecke von rund 2 Kilometern wurde im Val Müstair der dort einst kanalisierte Rom aufgeweitet und als natürlicher Flusslebensraum gestaltet. Dank der Wasserkraftnutzung mehrerer Seitenbäche konnte erreicht werden, den Hauptbach im Zuge eines Schutz- und Nutzungsplanes, der bis 2071 gilt, vor einer Wasserkraftnutzung zu schützen. Der Rom sei der einzige Hauptfluss in der Schweiz, der nicht für die Stromgewinnung genutzt wird, „und das ist das Hauptargument für das Projekt Biosfera Val Müstair“, so Po Pitsch. Er wolle sein Referat nicht als Einmischung verstanden wissen, „doch wenn der Rambach ab Taufers für die Stromerzeugung genutzt wird, „schmälert das unsere bisherigen Bemühungen im Val Müstair empfindlich.“ Pio Pitsch rief dazu auf, über das E-Werk Rambach noch reiflich nachzudenken. Georg Wun­derer, Präsident der Genossenschaft Energie-Werk-Prad, holte weit aus und beleuchtete das E-Werk Rambach und die Wasserkraftnutzung insgesamt unter dem Blickwinkel der weltweiten Energiefrage. In der Energieversorgung brauche es weltweit eine radikale Wende. Auch Südtirol müsse seien Beitrag leisten, um den CO2-Ausstoß zu verringern. Vordergründig seien die Energieeinsparung und die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energieträger. Die Wasserkraft sei mit ihrem sehr hohen Wirkungsgrad (87 Prozent) eine der saubersten Formen der Energiegewinnung. Sehr zu bedauern sei aber, „dass versucht wird, mit der Wasserkraft nur Geld zu scheffeln und die Gewinne im eigenen Interesse abzuschöpfen, anstatt zumindest einen Teil der Erträge in die Entwicklung und Erforschung erneuerbarer Energieträger zu stecken.“ Diese Fehlentwicklung sei in Südtirol klar zu beobachten. Das „Diktat der Politik“ entspreche nicht den Wünschen und Anliegen der Bürger. Das Vorrecht sei den Gemeinden einzuräumen. Nur so sei eine dezentrale, eigenständige und möglichst umweltfreundliche Energiepolitik möglich. Den Bau des E-Werks Rambach stufte Wunderer als vertretbar ein. Laut Peter Gasser hingegen soll der Rambach bleiben wie er ist: „50 Jahre lang hat der Vinschgau unter der Ausbeutung der Wasserkraft geblutet und gelitten. In Bozen wurden wir von unseren eigenen Leuten mit einem Butterbrot ‚abgeschmiert’. Jetzt ist genug. Wird der Rambach auch noch genutzt, vertun wir uns eine große Chance.“ Mit dem Bau des E-Werks würde das Ökosystem unwiderruflich geschädigt, „und auch wenn das Werk gebaut würde, hat uns Bozen schon jetzt wieder die Hälfet ‚gefladert’.“ Es habe keinen Sinn, den Bach bis zur Grenze zu schützen und ihn sofort nach der Grenze auszubeuten. Gasser ist überzeugt, dass eine Unterschutzstellung nicht nur ein ökologischer, sondern auch wirtschaftlicher Vorteil sein könnte, etwa für den Tourismus. Was es braucht, sei ein Energiegesamtkonzept für die Region und zwar nach dem Muster des Vinschger Verkehrskonzeptes. Dass die Chance der Unterschutzstellung genutzt werden sollte, wurde auch in der Diskussion immer wieder gefordert. Ebenso sollte ein Energiekonzept erarbeitet werden. Bezweifelt wurde, ob die Restwassermengen tatsächlich eingehalten werden. Die Energiepolitik des Landes müsse mehr in Richtung Einsparung und Nutzung lokaler Ressourcen gehen. Viele Diskussionsteilnehmer vertraten die Ansicht, dass der Rambach nicht angezapft werden soll. Die Unterschutzstellung sei als eine große Chance zu werten und auch als Ausgangspunkt für Renaturierungsmaßnahmen entlang der Etsch im Abschnitt von Glurns bis Laas. Angemerkt wurde aber auch, dass der „Rom“ in der Schweiz nur deshalb revitalisiert werden musste, „weil man schon früher Raubbau betrieben und den Bach kanalisiert hatte.“ Die Bürgermeister von Taufers, Glurns und Schluderns, die alle anwesend waren, brachten sich nicht in die Diskussion ein. Mit Spannung wurde die Wortmeldung des Grauner Bürgermeisters ­Albrecht Plangger erwartet. Er stellte sich auf die Seite der vier Gemeinden und sprach sich für den Bau des E-Werks aus. Das Projekt sei schon weit gediehen: „Wird das Werk jetzt nicht gebaut, wird das Spiel von bestimmten Leuten in Bozen mitgespielt, die nur darauf warten, bis sie sagen können: ‚Jetzt haben wir den Vinschgern wieder einmal den Wasserhahn zugedreht.’ Wenn die SEL oder die Edison auf ein paar Prozent Beteiligung am Reschen verzichten würden, bräuchten wir dieses Werk nicht.“ Am Reschen sei den Vinschgern nichts gegeben worden, „bekommen haben wir nur das, was wir uns erstritten haben.“ Plangger rät daher zum Bau des Werks, „sonst spielt ihr das Spiel der anderen mit. Ihr werdet sehen, wie sich Edison und SEL in Kürze in Langtaufers breitmachen werden und für die Langtauferer und Grauner wird es keinen Platz mehr geben.“ Und wenn die SEL einmal im Tal sitzt, „werden andere Gemeinden mit 7 Prozent dabei sein, und wir mit Null.“ Noggler schloss sich der Posi­tion von Plangger an. Ähnliches wie in Langtaufers sei laut Noggler auch bei der Marteller Konzession (Kraftwerk Laas) zu befürchten.
Josef Laner
Josef Laner

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