Ein Ausflug in eine faszinierende Welt
Publiziert in 28 / 2015 - Erschienen am 29. Juli 2015
Bergkristall, Turmalin, Granat. Sie faszinieren Groß und Klein, die kristallisierten Mineralien unserer Berge. Erst Mineraliensammler
bringen die Schätze zu Tage.
Goldrain - Es ist kühl und dunkel im Keller von Hansjörg Oberdörfer. „Das sind ideale Bedingungen“, sagt er und knipst das Licht in einer der Vitrinen an. Gleichzeitig huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Hinter Glas glitzern und funkeln Kristalle in verschiedenen Farben und Formen.
Nach Fundjahren aufgereiht, spiegeln die Kristalle sein Steinsucherleben wider. Hansjörg erzählt und erzählt und die Leidenschaft des Mineraliensammlers wird spür- und sichtbar.
Sieben Mineraliensammlervereine mit über 700 eingeschriebenen Mitgliedern gibt es in Südtirol. Im Vinschgau sind es 54, unter ihnen nur vier Frauen. Höchsten 10% der Sammler gehen regelmäßig, das heißt mehr als fünf Mal im Jahr in die Berge oder ins Bergwerk, um nach alpinen Kostbarkeiten zu suchen. Einmal im Jahr treffen sich die Sammler zur Mineralien-Info im Ahrntal, wo sie ihre Funde der Öffentlichkeit präsentieren.
Bereits seit seiner Jugendzeit faszinieren Hansjörg, der als Obstbauer seinen Unterhalt verdient, die kristallisierten Mineralien. Mit Pickel, Hammer und Meißel im Rucksack ging es auf der Vespa ins Martelltal. Nach einem zweistündigen Fußmarsch grub und hämmerte er stundenlang an seiner ersten Fundstelle. Oftmals vergeblich, ab und an aber wurde sein körperlicher Einsatz auch mit einem Kristall belohnt. Als Autodidakt erarbeitete er sich die ersten Erfolge mühsam. Von der Erfahrung älterer Mineraliensucher konnte er kaum profitieren. Zu oft will jeder Sammler „seine“ Fundorte für sich behalten. Wer weiß, ob sich später nicht noch was finden lässt…
Kristallisierte Mineralien, wie Quarz, Glimmer, Dolomit oder Calcit, sind die verborgenen Schätze unserer Berge, die sich in Millionen von Jahren im Inneren der Erdkruste unter speziellen chemischen Prozessen gebildet haben. Kristalle finden sich unter anderen in alpinen Klüften, also mineralisierten Hohlräumen. Diese spürt der erfahrene Sammler anhand von Hinweisen, wie dem Verlauf eines Felsrisses, auf. Dann geht er mit Werkzeug, oft auch recht archaisch daran, die Kluft zu öffnen, um dann sehr vorsichtig die darin kristallisierten Mineralien zu bergen. Der Vinschgau ist mineralogisch relativ schwach bestückt im Vergleich zu anderen Gebieten wie dem Pfitscher-, dem Ahrntal oder der Seiser Alm.
Geht der Mineraliensammler Hansjörg Oberdörfer im Sommer auf die Suche nach Rauchquarzen, steht er um 3 Uhr früh auf und fährt ins Pfitschertal, steigt dann zwei bis drei Stunden auf und sucht den ganzen Tag nach Anzeichen im Fels. „Wenn man schon was Schönes findet, braucht es Geduld, um die Kristalle unverletzt das erste Mal nach ca. 20 Mio. Jahren ans Tageslicht zu bringen“. Findet er nichts, kehrt er spätabends wieder heim.
„Nach der Bergung müssen die Funde sorgsam in Zeitungspapier verpackt werden, um auf dem Weg ins Tal keinen Schaden zu nehmen. Das heißt zwischen 10 bis 40 kg Steine auf dem Rücken hinunterschleppen. Dann werden sie geputzt, sortiert und in einem Tagebuch vermerkt. „Die schönsten Mineralien behalte ich für mich und stelle sie für Ausstellungen zu Verfügung. Seltene oder Mineralien, die ich nicht kenne, leite ich an Geologen weiter. Einige Steine nehme ich gern mit zu den Tauschabenden, zur Mineralienbörse oder schenke sie Kindern als Anregung“.
Viel Mühe, viel Zeit. Zwei Stunden Fußmarsch mit einem ca. 5 bis 10 kg schweren Rucksack, was treibt einen Mineraliensammler an? „Das-in-die-Berge-gehen und das Abenteuer sind es. Im Winter gehen wir in Bergwerke, sobald der Schnee schmilzt, geht es immer höher, ja bis auf über 3.000 m
Höhe. Und dann ist es das unbeschreibliche Glücksgefühl beim Finden schöner Kristalle, das alle Mühen vergessen lässt. Es bleibt und ist wieder präsent, wenn ich den Fund betrachte. Und bei der nächsten Tour hofft man, vielleicht einen noch schöneren Stein zu finden“, sinniert der fitte Mitvierziger.
Das Mineraliensammeln in Südtirol ist durch das Naturschutzgesetz des Landes geregelt. „Jeder Mineraliensammler muss in einem Verein eingeschrieben sein, nur so erhält er eine Sammelgenehmigung“, sagt Oberdörfer. Im Nationalpark ist eine zusätzlich Sondergenehmigung erforderlich. Für den Abbau sind nur manuelle Mittel erlaubt und jeder Einsatz von Bohrmaschinen usw. untersagt. Zudem ist die Fundstelle wieder in ihren ursprünglichen Zustand zu bringen.
Der größte Feind des Sammlers ist der Steinschlag. Durchschnittlich kommen in den Alpen zwei bis drei Mineraliensammler ums Leben. Die Erosion, das Schmelzen des Permafrosts und die daraus folgenden Steinschläge bergen große Gefahren, bringen aber auch die Schätze aus dem Berginneren ans Licht. Wie beispielsweise beim Bergsturz am Thurwieser zwischen Trafoi und Bormio, wo ca. 3 Mio. m³ Material ins Tal stürzten. Im Abbruchmaterial wurden bereits kristallisierte Mineralien gefunden.
Was würde mit den Mineralien passieren, wenn sie nicht von Mineraliensammlern geborgen und in Sammlungen oder Museen gerettet würden? Sie würden im Laufe der Zeit von der natürlichen Erosion, ohne Ausnahme, wieder zerstört werden. Damit leistet der Mineraliensammler auch für die Menschheit einen wichtigen Beitrag, nämlich tief in den Bergen versteckte Schätze für die Wissenschaft und unser Auge zugänglich zu machen.
Andrea Kuntner
Infos: Club der Mineralienfreunde Meran/Sektion Vinschgau; Sektionsleiter Alexander Trauner, Tel. 0473 61 64 37, trauner@rolmail.net; jeden ersten Freitag im Monat findet ab 20 Uhr ein Tauschabend im alten Schulgebäude in Schluderns statt. Jeder Interessierte ist willkommen! Die Sektion Vinschgau hat im Vintschger Museum eine Mineralienausstellung organisiert, die von Ostern bis Oktober 2015 zu den Öffnungszeiten des Museums besucht werden kann.

Andrea Kuntner