Energie: Vinschger bleiben ­ausgesperrt
Stromschlag für den Vinschgau, der vom Kraftwerk in Laas ausgesperrt bleibt.

Ein Strom-Schlag für die Vinschger

Publiziert in 1 / 2010 - Erschienen am 13. Januar 2010
„Ein denkbar schlechter Start ins neue Jahr“. Die Feststellung des Energiefachmannes und –pioniers Georg Wunderer aus Prad klang besorgt und enttäuscht. „Der Vinschgau ist über 50 Jahre lang ausgesaugt worden und es wäre traurig, wenn er nichts zurück bekommt“, meinte Wunderer wenige Tage nach der Entscheidung der Landesregierung. Die hatte am 30. Dezember 2009 der Gesellschaft Hydros die Konzession zur Führung des Kraftwerkes Martell / Laas für 30 Jahre zugesprochen. Es war der „Strom-Schlag“ schlechthin ins Gesicht des Vinschger Elektrizitätskonsortiums (VEK), das im Sinne der drei Ufergemeinden Laas, Martell und Latsch um die Übertragung angesucht hatte. Im VEK will man kämpfen, damit die Produktion von 240 Millionen ­Kilowattstunden jährlich und die entsprechenden Ein­nahmen in Höhe von 12 Millionen Euro nicht wortwörtlich den Bach hinunter und aus dem Tal ­hinaus fließen. von Günther Schöpf Niemand im Tal hatte sich Illusionen gemacht, am wenigsten VEK Präsident und Landtagsabgeordneter Sepp Noggler, dass die Landesregierung und die landeseigene Gesellschaft SEL AG ein derart großes Stück aus dem Milliarden-Kuchen „Energie“ so ohne weiteres aus der Hand geben würden. Bereits am 26. August 2009 hatte auch der Laaser Bürgermeister Andreas Tappeiner bei einer Gemeinderatssitzung auf dem Dorfplatz in aller Öffentlichkeit Ähnliches geahnt und angekündigt: „Wir werden uns zu wehren wissen“. Gemeint hatte er damit die Konzession zur Stromerzeugung im Kraftwerk der Mischgesellschaft Hydros (60% SEL- und 40% Edison) in Laas. Wehren wollte er sich gemeinsam mit den Bürgermeistern Peter Gamper aus Martell und Karl Weiss aus Latsch. Sie vertraten und vertreten jene drei Ufergemeinden, denen ein Einzugsgebiet von 128 Quadratkilometern in den frühen 50er Jahren zur Stromproduktion „enteignet“ worden war. Die Akte der Willkür haben bekanntlich nicht nur in der Landschaft Wunden und Narben hinterlassen, sondern Familien entwurzelt und zur Auswanderung gezwungen. Heute noch sichtbar sind Kunstbauten und Hochleitungen in und durch Wohngebiete, heute noch lebendig sind die Erinnerungen an versiegende Trinkwasser-Quellen, an Grundwasser in den Kellern und an Hochwasser­katastrophen in Martell, Latsch und Laas. Die Vinschger tun sich deswegen schwer mit der Argumentation des Landeshauptmannes, dass man im Vinschgau nicht mehr profitieren dürfe als zum Beispiel in Vintl (Mittagsjournal, 5. Jänner). Eine ausführliche Fotodokumentation der direkten und indirekten Folgen der bisherigen Energiewirtschaft im Vinschgau wurde dem Ansuchen um die Konzession beigefügt. Unter der Fahne des „Vinschgauer Elektrizitätskonsortiums (VEK)“ haben die drei Gemeinden am 3. Februar 2006 – drei Tage vor Ablauf des Gesuchtermins, der im November 1999 auf fünf Jahre vor Ablauf der Konzession festgelegt worden war – um die „Übertragung der Konzession zur Wasserableitung zur Erzeugung elektrischer Energie aus Plima und Laaserbach…“ angesucht. In der Hoffnung, sich über Verhandlungen zu einigen, bestand die Gefahr hingehalten zu werden und den Termin zu versäumen. „Gottseidank waren wir damals schon so misstrauisch, neben den Verhandlungen auch noch die Dokumentation für das Ansuchen vorzubereiten. Wenn der Termin verstrichen wäre, müssten wir heute mit dem Hut in der Hand zum Landesrat betteln gehen“, drückte es Bürgermeister Karl Weiss sehr bildlich und für das Verhältnis Gemeinden – SEL AG beziehungsweise Vinschger Gemeinden – Energie-Landesrat typisch aus. Ein Fall für den Wassermagistrat Bereits am ersten Werktag des neuen Jahres, am Samstag, 2. Jänner, hatte Präsident Noggler die Bürgermeister ­Andreas Tappeiner, Peter Gamper, Karl Weiss, Albrecht Plangger und den Vinschger Landesrat Richard Theiner ins Rathaus von Laas geladen, sich – unter Ausschluss der Öffentlichkeit – informieren lassen und über die weitere Vorgangsweise beraten. Als oberster Vertreter der regierenden Südtiroler Volkspartei und als Mandatar des Vinschgaus saß Parteiobmann Theiner zwischen den „Interessen“. Er versuchte auf der Linie zu bleiben, die er am 3. Dezember 2009 „dem Vinschger“ gegenüber geäußert hatte: „Die Partei kann sich nicht mit Konzessionen befassen, wohl aber mit einer grundsätzlichen Ausrichtung, darunter über die Funktion der Landesenergiegesellschaft SEL und wer darin vertreten sein soll.“ Für die Vertreter des VEK ist eine zwiespältige Haltung des Landes einmal mehr klar zu Tage getreten. Man predige Wasser in Rom und trinke Wein in Bozen, meinten sinngemäß die Vinschger Energieexperten. In Rom gehe es um die eigenständige und für die Bevölkerung Südtirols günstigste Energieversorgung, in Bozen gäbe man sich streng zentralistisch, übernehme mit Millionen Steuergeldern Mehrheitsanteile an den Gesellschaften Edison und Enel und schließe gleichzeitig entgegen dem Subsidiaritätsprinzip die Gemeinden von der Eigenverantwortung und entsprechend von den Einnahmen aus. Einmal abgesehen von der Interessensverquickung zwischen Land und Landesenergiegesellschaft SEL, für die sich die römische Wettbewerbsbehörde ja auch schon interessiert, sieht VEK-Präsident Sepp Noggler bei der Konzessionsvergabe eine fragwürdige Bewertung der beiden wichtigsten Zuteilungs-Kriterien: 1. Steigerung der Produktion durch verbesserte Nutzung der vorhandenen Ressourcen und 2. die „Verbesserung des Schutzes der Umwelt und der Landschaft des entsprechenden Einzugsgebietes“. Wie soll es weiter gehen? „Wir haben nachgewiesen, dass wir mit der gleichen Wassermenge eine jährlich Produktionssteigerung um 1,65 Prozent erzielen.“ Der Mitbewerber habe nur 0,25 Prozent angegeben, erklärte Noggler. Wenn als wichtigeres Kriterium der Umweltplan herangezogen und dort der Vorschlag des VEK mit dem der mitbietenden Hydros verglichen werde, dann sei auch in diesem Punkt nicht mit denselben Karten gespielt worden, gab der VEK-Präsident zu bedenken. „Wir haben vorgeschlagen, innerhalb von 20 Jahren 10 Prozent des festgestellten Geschäftsumsatzes von ca. 12 Millionen Euro, also 24 Millionen Euro, für Umweltmaßnahmen einzusetzen. „Die mitbietende Hydros hat in 30 Jahren 5,1 Millionen fix vorgesehen und 20 bis 22 Millionen als mögliche Investitionen angekündigt“, berichtete Noggler. „Die beiden Summen wurden zusammengezählt, wodurch wir überboten worden sind. Diese Investitionen können alles Mögliche umfassen“, so Noggler, „und könnten durch Lawinen- oder Wildbachverbauungen oder auch Straßenbauten sehr schnell aufgebraucht sein.“ Noggler beschwor sinngemäß das Bild des trojanischen Pferdes: ohne einen Finger zu rühren mische die Edison zu 40 Prozent an der ganzen Sache mit. Die Verantwortlichen an der Spitze des Elektrizitätskonsortiums wollen jedenfalls demnächst die Gemeinderäte informieren, deren Rückendeckung holen und über das weitere Vorgehen beraten. Wie es zur Zeit aussieht, wird der Fall vor dem Wassermagistrat von Venedig landen. Zuvor wird Energie-Landesrat Michl Laimer die Gemeinden am Mittwoch, 20. Jänner zum „Strom-Tisch“ laden. Günstige Energie für alle Nach einer persönlichen Einschätzung gefragt, vertrat Landesrat und Parteiobmann Richard Theiner den schon erwähnten Standpunkt, günstige Energie müsse allen zugute kommen und nicht nur einigen Gemeinden. Außerdem sei das mit dem Wasser predigen und Wein trinken in bestimmter Form auch auf jene Gemeinden anzuwenden, die in Bozen um vorteilhafte Bedingungen für ihre Bürger kämpfen und bis heute noch nicht billigeren Strom aus den gemeindeeigenen Werken an diese weiter gegeben haben. Auf eine ähnliche Aussage von Landesrat Michl Laimer hin hat sich bekanntlich der Grauner Bürgermeister Albrecht Plangger in der Tageszeitung Dolomiten vom 5. Jänner zu Wort gemeldet und wie sein Energie-Partner Georg Wunderer in Prad einen „denkbar schlechten Jahresbeginn“ festgestellt.
Günther Schöpf
Günther Schöpf

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