Eine Gemeinde zwischen zwei Systemen
Publiziert in 13 / 2015 - Erschienen am 9. April 2015
Die Gemeinde Taufers im Münstertal hat früher vom Verkehr gelebt und musste sich mit seinen Bächen herumschlagen. Heute lebt sie von seinen Bächen und muss sich mit dem Verkehr herumschlagen.
Taufers i. M. - Das Straßendorf Taufers mit der Fraktion Rifair wurde 1990 ein „beliebter Ferienort“ genannt, hatte damals 887 Einwohner und ist heute eine der wenigen Südtiroler Kleingemeinden, die mit derzeit 967 Bewohnern die Bevölkerungszahl halten oder leicht erhöhen konnte. Taufers im Münstertal hat es mit zwei Wirtschaftskreisläufen zu tun. Die Grenzgemeinde tickt sowohl südtirolerisch-italienisch, als auch eidgenössisch, genauer bündnerisch. Mit kurzer Unterbrechung tickt sie seit 30 Jahren auch nach Bürgermeister Hermann Fliri. Der gelernte Tischler hat fast ebenso viele Jahre als Grenzpendler wie als Gemeindepolitiker hinter sich und daher gelernt, sich auf Entscheidungen in Chur wie auch in Bozen einzurichten.
der Vinschger: Sind Sie eigentlich im Jahr 2000 vom Stand in den Bürgermeistersessel gerutscht? Wann sind Sie denn in die Gemeindepolitik eingestiegen?
Hermann Fliri: Ganz und gar nicht. Von 1985 bis 1995 war ich unter Bürgermeister Heinrich Peer Vize. Von 1995 bis 2000 hab ich ausgesetzt, weil ich die Meisterprüfung gemacht und Haus gebaut habe. Ich bin dabei ziemlich schikaniert worden. Für einen Bau musste ich 24 Mal auf die Gemeinde, dass es weitergeht. Damals hat man mich verschiedentlich angesprochen und mich überredet zu kandidieren.
Wie konnte es kommen, dass bei der 2. Wahl 2005 Ihre Stimmenzahl derart gestiegen ist?
Das kann schon die Zeit gewesen sein, in der die Menschen das Gefühl hatten, so, jetzt läuft‘s. Jetzt hat man aufgebaut. Damals hatte man es wirklich leichter, es waren noch Geldmittel im Umlauf.
Dann ist die Popularität allerdings stehen geblieben. 2010 sind nur mehr 12 Stimmen dazu gekommen.
Mir ist nicht bekannt, dass es an einem bestimmten Thema lag oder dass es ein Problem gegeben hat.
Welches Projekt oder welche Aktion war besonders erfolgreich? Worauf ist der Bürgermeister besonders stolz?
Ich kann mit ganz kleinen Sachen „a wilde Zufriedenheit“ spüren. Wenn ich heute von Rifair herauf fahre, ist da ein ganz kleines Bauwerk, das ich immer wieder betrachten muss, wie super es gelungen ist.
Ein Haus, ein Gebäude?
Nein, da ist nur ein Radunterstand, ein Parkplatz, ein Bründl, eine Treppe, die nach oben führt, ein Radlständer. Das ist so gut gelungen. Mit dem hab ich die größte Freude. Ein Projektl, das 100.000 Euro gekostet hat, mit dem ich aber die größte Freude habe.
Und was ist in die Hosen gegangen, was bedauert der Bürgermeister?
Ja, was… Bezüglich E-Werke ist brutal viel geschrieben, diskutiert und kritisiert worden…
Zum Rambach kommen wir noch oder meinen Sie die Geschichte mit der eingefrorenen Leitung am Valgarola-Werk?
Ich muss sagen, es sind Fehler gemacht worden. Es ist ein großer Fehler gewesen, dass wir das überhaupt so gemacht haben. Aber es ist auch genau so richtig gewesen. Als wir gestartet sind, waren wir als Gemeinde nicht einmal wirtschaftlich. Wir haben einen Bilanzausgleich vom Land gebraucht, um uns über Wasser zu halten.
Sie reden von dem einen Werk?
Nein, von allen drei kleinen Werken. Es war richtig und doch falsch. Wir sind damals mit einer alten Wasserleitung gestartet. Wir haben uns gesagt, die nutzen wir jetzt. Zwei Jahre haben wir sie so betrieben. Dann ist sie gebrochen, aber wir hatten etwas Geld, dass wir die erste Leitung austauschen konnten. Dann hat’s geheißen, wir könnten noch ein Werk machen, in Rifair. Dann hat man das auch noch gemacht. Man hat im Grunde drei E-Werklen gemacht, obwohl man eines hätte machen können. Wenn man alles bei Licht betrachtet, muss man sagen, es war ein Fehler und doch haben wir alles richtig gemacht, weil damals der Gemeinde die Mittel einfach nicht zur Verfügung standen. Und nur durch die E-Werklen stehen wir heute relativ gut da. Das getrau ich mir zu sagen. Und wir haben ja kein Loch zu stopfen wie Gemeinden mit defizitären Anlagen.
Waren nicht der Turnhallenbau oder das Projekt Grundschule so etwas wie Löcher für Taufers?
Es hat sich alles in die Länge gezogen, weil wir in das neue Finanzierungssystem hineingefallen sind. Zuvor war uns eine Deckung von 90 Prozent zugesagt worden, dann hat Gemeindenpräsident Schuler alles umgeworfen. Jetzt bekommen wir nur mehr 50 Prozent.
Dann war das Loch ja schon da.
Wir hatten aber schon Photovoltaik-Anlagen errichtet und das kleine E-Werk gebaut, um das zurück zu zahlen.
Dann gibt es eigentlich nichts, das ganz in die Hosen gegangen ist?
Im Moment wüsste ich nicht, was. Bezüglich Abfrieren. Das war 2007. Wir hatten 20.000 Euro Spesen, um alles wieder in Gang zu setzen und dann war die Frage: Ja, wer ist schuld? Wir haben von der Gemeinde aus einen Brief geschrieben und haben erwartet, dass man mit uns redet oder mit einer Versicherung kommt. Das ist nicht der Fall gewesen, der Inhaber der Wartungsfimra ist mit dem Rechtsanwalt aufgetreten. Im Prozess hat die Firma dann gewonnen, weil nicht genau im Vertrag festgelegt war, dass sie im Falle von wenig Wasser manuell alles abzustellen habe. Wir als Gemeinde mussten es zum Prozess kommen lassen, weil ja der Betrieb mit dem Rechtsanwalt aufgetreten ist.
Jetzt zum Oberthema: Wie steht’s um das Rambach-Projekt?
Die Projekte durchlaufen ein total neues Verfahren. Richard Theiner hat uns geraten, das neue Verfahren abzuwarten, weil es uns Vorteile bringt.
Welche Vorteile?
In der Grundverfügbarkeit.
Glurns ist doch damals mit einem Projekt vorgeprescht. Wie ist es damit weitergegangen?
Das stimmt, es ist alles noch aufrecht. Derzeit hat man noch in kein Projekt Einsicht nehmen können, weil der Lokalaugenschein nicht gemacht worden ist. Niemand weiß genau, wie viele Projekte unten liegen. Ich muss aber sagen, derzeit geht in dem Amt überhaupt nichts weiter. Wir haben um Konzessionserhöhung angesucht. Es wäre nur eine Formsache. Aber seit 2011 liegt das Gesuch nun schon drnieden (unten). Wir bräuchten nur den Schieber zu öffnen und wir hätten zwischen 40.000 und 60.000 Euro mehr Einnahmen. Wenn das Wirtschaften ist?! Das hält man auf die Dauer nicht mehr aus. Wir würden das Geld ja nicht im Wald eingraben.
Weg von der Energie und zu einem richtigen Grenzfall. Sie haben ja 25 Jahre Erfahrung als Pendler hinter sich. Lachen sich die Pendler gerade ins Fäustchen, weil sie plötzlich 30% mehr verdienen?
Es sind 20 %. Nur, die Arbeit geht drinnen (in der Schweiz) teiflisch zrugg (höllisch zurück). Schon wegen der Zweitwohnungen.
Was meinen Sie damit?
Dass sie drinnen per Volksabstimmungen die Zweitwohnungen abgeschafft haben.
Dann lässt die Bauwirtschaft nach?
Gewaltig. Speziell im Oberengadin.
Hier sieht man, wie ihr den Wirtschaftspuls der Schweiz mitbekommt.
Automatisch geht alles zurück, nicht nur die Bauwirtschaft. Insgesamt pendeln 400 Personen aus dem Obervinschgau. Von uns werden es so 120 bis 130 sein.
Das ist viel bei 350 Familien. Übrigens hat die Bevölkerung bei euch ja seit 2000 zugenommen, kann man nachlesen.
Man kann sagen, gleich geblieben. Nur leicht zugenommen. Dies hängt sicher mit dem Pendlerwesen zusammen. Die Menschen lassen sich hier in Taufers nieder, weil’s ja nicht unfein ist und man trotzdem nahe an der Arbeitsstelle ist.
Spürt man das denn nicht, wenn die Leute wieder was verdienen, vor allem im Hausbau?
Ja wir haben das letzte Mal wieder drei Neubauten und zwei Sanierungen genehmigt. Ich muss sagen wir sind recht zufrieden mit dem, was sich in letzter Zeit getan hat und wie es ausschaut, geht es auch so weiter. Bei uns ist das größte Problem die Durchfahrtsstraße.
War nicht schon geplant, „Tempo 30“ einzuführen?
Schon in den ersten Tagen als Bürgermeister bin ich zum Landeshauptmann gegangen, um ihm unser größtes Anliegen, die Regelung des Durchgangsverkehrs, nahe zu legen und um mitzuteilen, dass wir eine Umfahrung andenken. Man stand sogar schon kurz vor den Teilungsplänen und den Enteignungen, als die Mittel ausgingen. In der Zwischenzeit wurde die Studie eines Fachmannes verlangt. Experte Hermann Knoflacher musste die Frage beantworten: Was passiert mit dem Dorf, wenn die Umfahrungsstraße kommt? Die Menschen waren nach der Vorstellung begeistert. Jedoch alles 1:1 umzusetzen, ist ein anderes Paar Schuhe. Herausgekommen ist: Ihr braucht keine Umfahrungsstraße. Ihr bewirkt mehr, wenn ihr die bestehende Straße umstrukturiert, als wenn ihr den Verkehr auslagert. Wir haben mit Technikern langwierige Risikoanalysen durchführen müssen und schließlich hat die Landesregierung 1,6 Millionen Euro für die Umgestaltung der Straße beschlossen. Dann ist der neue Landtag gekommen, alles neue Leute, die nichts mehr von alldem wissen wollten. Wir waren nicht mal im Straßenbauprogramm drin, weil unsere Unterlagen verloren oder verlegt worden sind. Da sind wir aber aufmarschiert! Inzwischen ist wieder alles berücksichtigt und genehmigt. Für heuer werden es 750.000 Euro sein. Im Herbst soll begonnen werden. Knoflacher hat Tempo 30 empfohlen, optisch starke Veränderungen der Straße, gleiche Ebene für Fußgänger und Fahrbahn. Die Autofahrer – wie haben 3.300 Autos durchschnittlich pro Tag – sollen das Gefühl haben, in einer Art Fußgängerzone zu fahren.
Etwas ganz anderes. Wie ist die Arbeit im Gemeinderat mit vier Parteien vor sich gegangen?
Den Vertreter der Süd-Tiroler Freiheit hätte man auch zu uns nehmen können. Die Freiheitlichen hatten zu Beginn oft gute Ideen, haben sich aber auf Gemeindeebene nie richtig einbinden lassen. Von der Bürgerliste kommt immer das, was von anderen eingetrichtert wurde, und immer das Gleiche.
Ist es nicht auffallend, dass viele keine Lust mehr haben?
Da kann man nichts machen. Aber unsere Männerliste (SVP) wäre viel umfangreicher, wenn sich mehr Frauen gemeldet hätten.
Was möchten Sie denn als Gemeinderat noch erreichen?
Es wäre mir ein Anliegen, einiges zu begleiten. Die Umgestaltung der Straße ist mir ein großes Anliegen. Auch das Konzept der öffentlichen Bauten, also jener Bauten, die die Gemeinde braucht, muss weitergehen. Es gibt ja auch den Rambach.
Interview Günther Schöpf
Josef Laner