Einzelhandel gerät immer mehr unter Druck

Publiziert in 46 / 2012 - Erschienen am 19. Dezember 2012
Wie steht es mit der Nahversorgung in den Dörfern im Vinschgau? Welche Orte sind besonders gefährdet? Was ist zu tun, um ­Schlimmers zu verhindern? Tschengls - Um Antworten auf diese und weitere Fragen zu erhalten, hat der Handels- und Dienstleistungsverband hds mit Unterstützung der Landesregierung eine umfassende Studie in Auftrag gegeben. Neben dem Pustertal hat das Unternehmen „CIMA Beratung + Management“ aus Oberösterreich auch den Vinschgau bis ins Detail „durchforstet“. Von April bis Dezember haben CIMA-Mitarbeiter Daten gesammelt, Erhebungen und Begehungen in 32 der insgesamt 49 Dörfer bzw. Fraktionen durchgeführt, mit Nahersorgern ge­sprochen, Foto-Dokumentationen angelegt und auch Daten zum Tourismus und zu öffentlichen Infrastrukturen zusammengetragen. Herausgekommen ist ein 146 Seiten starker „Nahversorgungsradar“, der kürzlich auf der Tschenglsburg im Beisein des Landesrates Thomas Widmann, des hds-Präsidenten Walter Amort sowie vieler hds-Vertreter und Bürgermeister vorgestellt wurde. Wie ist die derzeitige Situation? Wie CIMA-Geschäftsführer Stefan Lettner ausführte, ist die Gesamtsituation der Nahversorgung im Vinschgau derzeit noch als vergleichsweise gut einzustufen. Allegemeine Trends aber sowie auch Gespräche mit den Kaufleuten belegen, dass der kleinstrukturierte Einzenhandel, wie er speziell im Vinschgau stark ausgeprägt ist, zunehmend unter Druck gerät. Die Gründe dafür sind vielschichtig: verändertes Konsumverhalten, hohe Mobilität, Bürokratie und Abgaben, Generationenprobleme bei der Übernahme von Geschäften und weitere Schwierigkeiten. „Es ist 5 vor 12“, so Lettner. Während es in 44 Fraktionen zumindest einen Gastronomiebetrieb gibt, verfügen nur 32 Fraktionen über einen Einzelhandelsbetrieb. Bei den 17 Fraktionen, in denen keine Erhebungen durchgeführt wurden, handelt es sich um einwohnerschwache Ortschaften, in denen es nie ein Geschäft gab bzw. jetzt nicht mehr gibt, wie etwa in Planeil. Vier Orte „mittelfristig gefährdet“ Als „mittelfristig gefährdet“ wird die Nachversorgung in vier Orten eingestuft: Galsaun, ­Vetzan, Morter und Tschengls. Auch für Stilfs Dorf und Lichtenberg seien die künftigen Perspektiven nicht gerade rosig. Orte mit „akuter Gefährung“ gibt es zwar keine, allerdings weisen derzeit auch keine Fraktionen ausreichend Potential für neue Nahversorger auf. Als Fraktionen mit Chancen dafür sind Langtaufers und ­Katharinaberg anzusehen. Mehrfach unterstrichen wird im „Versorgungsradar“ die bedeutende Rolle des Fremdenverkehrs für den Einzelhandel. Im Vergleich zum Pustertal hinkt die Tourismusintensität im Vinschgau allerdings deutlich nach. Was die Handelszentralität anbelangt, wird Schlanders als „regionales Mittelzentrum“ eingestuft. Mals, Latsch und Prad sind als „regionale Unterzentren“ anzusehen. In Reschen, Glurns, Sulden, Unser Frau und St. Valentin ist der Handel stark touristisch geprägt. Dass die meisten Dörfer einen kompakten Dorfkern haben, ist laut Lettner ein Vorteil. Zu bemängeln aber sei, „dass nur wenige Dörfer einen richtigen Dorfplatz haben.“ Er habe im Vinschgau auch festgestellt, dass es einerseits Top-Betriebe in schlechter Lage gibt, andererseits aber auch schlecht geführte Betriebe in guter Lage. „Um eine weitere Ausdünnung der Nahversorgung zu verhindern, braucht es gezielte Fördermaßnahmen,“ sagte Lettner. Wenn die Nahversorgung stirbt, bricht auch die Lebensqualität in einem Dorf ein. Auch die soziale Kompo­nente, mit der eine lebendige Dorf- und Handelstruktur unweigerlich verbunden ist, geht verloren. Zusätzlich zu Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren, die von der Politik festzulegen und zu fördern sind, seien auch innerbetriebliche Bemühungen unerlässlich: Freundlichkeit und Kompetenz des Personals, Sortimentstruktur, Ladengestaltung und weitere Maßnahmen. hds-Bezirkspräsident Dietmar Spechtenhauser freute sich, „dass wir jetzt eine fundierte Studie vor uns haben, welche die Nahversorgung vielschichtig beleuchtet, und das sogar auf Fraktionsebene.“ Die Studie soll als Instrument für die Bemühungen des hds, der Handelstreibenden und auch der Politik dienen, „damit die Betriebe in den Dörfern und die Dörfer selbst lebensfähig bleiben.“ Ohne Geschäfte können sich Dörfer nicht entwickeln und die Leute wandern ab. „Größere Verkaufsstrukturen - eine davon wurde neulich in Algund eröffnet - graben dem kleinstrukturierten Einzelhandel das Wasser ab und gefährden die Existenz vieler kleiner Betriebe.“ Widmann: „Das ist keine Studie für die Schublade“ LR Thomas Widmann kündigte Förderungen seitens der Landesregierung an: „Die Nahversorgung ist ein volkswirtschaftliches und sozialpolitisches Anliegen, das wir in der Landesregierung ernst nehmen.“ Er verwies auch auf das Projekt „Lebendige Orte“, das nunmehr 22 Gemeinden umfasst. „Wenn es in einem Dorf kein Geschäft und kein Gasthaus mehr gibt, wird es zu einem Schlafdorf,“ so Widmann. Laut hds-Präsident Walter Amort sei vor allem auch einer Abwanderung der Jugend vorzubeugen. In diesem Sinn komme dem Ausbau des Glasfasernetzes große Bedeutung zu. Nein zu weiteren „Ausnahmen“ Beherrschende Themen bei der Diskussion waren die Sonntags-Öffnungszeiten und die „Aus­nahmen“, aufgrund derer es angeblich möglich war, das Herilu in Latsch sowie die neue größere Struktur in Algund zu öffnen. Widmann versprach, dass es in Zukunft keine weiteren „Ausnahmen“ dieser Art geben werde. Kritik an neuen Ausschreibungsvorgaben Bezirkspräsident Andreas Tappeiner kritisierte die neuen staatlichen Ausschreibungsvorgaben für die öffentlichen Verwaltungen bezüglich der Beschaffung von Bedarfsartikeln und Lebensmitteln, wie es sie etwa für Kindergärten und Schulen braucht. Es sollte möglich sein, in den Ausschreibungen auch Kriterien der Qualität miteinzubauen. Tappeiner ärgerte sich auch über die diesbezügliche übermäßige Bürokratie. Die Verwaltungen seien zwar gewillt, möglichst lokale Produkte zu kaufen, „aber wenn man immer mit einem Bein im Kittchen steht, wird es schwierig.“ Auch der Schlanderser Gemeindereferent Kurt Leggeri gab zu bedenken, dass die neuen Vorgaben die Entwicklung der Nahversorgung hemmen und de facto die Billiganbieter bevorteilen. Dem Landesrat war dieses Thema offensichtlich nicht bekannt. Im Rahmen der Gemeinderatssitzung in Schlanders sprach Leggeri von einem Blödsinn sondergleichen: „Einerseits sollen die Gemeinden als Vorbilder fungieren , um die Nahversorgung und kleinen Kreisläufe zu stärken, und andererseits werden ihnen Prügel vor die Füße geworfen, wenn sie lokale Qualitätsprodukte kaufen wollen.“ Aufgeworfen hatte das Thema Hansjörg Gluderer. Laut Vizebürgermeisterin ­Monika Holzner Wunderer werde die Gemeinde alles daran setzen, auch weiterhin lokale Produkte zu kaufen, „es geht schließlich auch um Aspekte wie Qualität und Frische der Produkte.“ Sepp Laner
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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