Vision auf Schienen
Vertreter aus dem Veltlin, der Val Müstair und dem Vinschgau tagten in Prad, um gemeinsam eine „Vision für die Zukunft“ zu entwickeln.

Eisenbahnverbindung Mals-Santa Maria-Bormio angedacht

Publiziert in 42 / 2014 - Erschienen am 26. November 2014
Täler rund ums Joch wollen näher zusammenrücken. Hochkarätiges Treffen in Prad. Viel Interesse seitens der Politik. Prad - Früher fuhren Vinschger übers Stilfserjoch, um im Veltlin Vieh zu kaufen oder verkaufen. Veltliner kamen in den Vinschgau, um sich mit Korn oder Kartoffeln einzudecken. Diese und andere Beziehungen sind mittlerweile so gut wie gestorben. Das Stilfserjoch ist für den Veltlin, den Vinschgau und das Val Müstair zu einer Art Mauer oder Grenze geworden, welche die drei Täler trennt, vor allem im Winter. Die Idee einer Verbindung ist alt. Vor gar nicht langer Zeit schreckte noch das Gespenst eines Ortlerdurchstichs auf. Von einem Straßentunnel oder einem Durchstich Bormio-Trafoi war am Samstag im Bürgersaal des Ratshauses in Prad nichts zu hören, wohl aber von der Idee einer Eisenbahnverbindung. Es waren die Rotary Clubs Bormio, Meran und Unterengadin, die unter dem Motto „3 Sprachen Alpenländerbahn“ zur Tagung „Eine Vision für die Zukunft“ eingeladen hatten. Schon allein die Tatsache, dass Vertreter der Region Lombardei, des Landes Südtirol sowie Bürgermeister bzw. Vertreter aus dem Val Müstair, dem Veltlin und dem Vinschgau angereist waren, lässt darauf schließen, dass der Wille eines Zusammenrückens gegeben ist. Der Eisenbahn-Ingenieur Matteo Sandrizzi aus Bormio stellte die Idee einer Eisenbahnverbindung vor, mit der der Vinschgau und das Val Müstair mit Bormio und weiterführend mit dem italienischen und schweizerischen Bahnnetz verbunden werden könnten. Der Vorschlag: Weiterführung der Strecke von Mals nach Taufers im Müstertal, wobei ein Teilstück hinter Laatsch untertunnelt werden müsste (ca. 4 km), freier Streckenverlauf bis Santa Maria, Durchtunnelung bis Bormio (15,8 km) und Anbindung in Richtung Livigno und Zuoz (Rhätische Bahn). „Rund 50 der insgesamt 70 km langen Verbindung würden unterirdisch verlaufen“, so der Ingenieur. Breite Zustimmung Die Idee der Eisenbahnverbindung stieß auf breite Zustimmung. Beim gastgebenden Bürgermeister Hubert Pinggera ebenso wie bei Bezirkspräsident Andreas Tappeiner, den weiteren anwesenden Vinschger Bürgermeistern Hartwig Tschenett, Georg Altstätter und Erich Wallnöfer sowie bei Vertretern aus dem Veltlin und dem Val Müstair. „Es kann nur positiv sein, wenn wir uns austauschen, miteinander reden und nach Möglichkeiten suchen, um die drei Gebiete wirtschaftlich, sozial und touristisch weiter zu entwickeln“, brachte Pinggera das Anliegen auf den Punkt. Auch Giuseppe Occhi, der Bürgermeister von Bormio, meinte, dass der Pass auf dem Stilfser Joch nicht eine „Mauer“ sein sollte, sondern ein Übergang, der die Täler verbindet. „Non un passo, ma un passaggio“ Ugo Parolo, der Untersekretär der Region Lombardei, überbrachte die Grüße des lombardischen Regierungspräsidenten Roberto Maroni und versicherte, dass die Lombardei großes Interesse für eine Eisenbahnverbindung habe. Für die Aufwertung des Oberveltlin-Gebietes sei ein Entwicklungskonzept in Ausarbeitung. Das Geld, das die Provinzen Südtirol und Trentino laut Mailänder Abkommen jährlich zur Unterstützung der Grenzgemeinden bereitstellen müssen (insgesamt 80 Mio. Euro) sollte für große strategische Projekte eingesetzt werden. Um über mögliche grenzüberschreitende gemeinsame Projekte aus diesem Fonds zu diskutieren, waren die Bürgermeister Hartwig Tschenett und Georg Altstätter übrigens kürzlich zusammen mit dem Kammerabgeordneten Albrecht Plangger nach Bormio gefahren. Klar ist für Parolo, „dass es für Vorhaben dieser Größenordnung auch private Geldgeber braucht.“ „Bevölkerung mit einbeziehen“ Landesrat Richard Theiner sagte, dass das Land sehr an einer Anbindung an das Rhätische Bahnnetz interessiert sei. Alle drei Täler rund um das ­Stilfserjoch seien periphere Gebiete. Von einer Verbindung würden alle profitieren. Auch Theiner sprach sich dafür aus, „öffentliche Geldmittel nicht einfach an Erstansuchende auszuzahlen, sondern in strategische Projekte zu investieren.“ Es gelte jetzt, den am Samstag präsentierten Vorschlag der Zugverbindung zu den bisherigen Vorschlägen dazu zu nehmen und zu vertiefen. Auch die Bevölkerung aller drei Täler sei mit einzubinden. „Wir stehen vor einer historischen Chance und haben einen langen Weg vor uns, der heute hier in Prad beginnt“, sagte Alessandro Pedrini, Mitglied der Landesregierung von Sondrio. Die Vize-Gemeindepräsidentin des Val Müstair, Gabriella Binkert Becchetti, freute sich, dass das Val Müstair bei diesem nachhaltigen Vorschlag miteingebunden ist, was bei einer Verbindung Mals-Scoul nicht der Fall wäre. Binkert regte die Einsetzung einer Arbeitsgruppe an sowie die Ausarbeitung einer Studie über ein Interreg-Projekt. Dass es zunächst notwendig ist, Erhebungen vorzunehmen und konkrete Studien zu erstellen, meinte auch Luigi Spagnolli, der nicht als Bürgermeister von Bozen, sondern als Freund der Vinschger und Bormianer nach Prad gekommen war. „Die Leute müssen mit dem Zug kommen, um den Zug zu nehmen“, sagte Spagnolli. Es brauche ein ununterbrochenes Bahnnetz. Spagnolli bezog sich damit auch die Schließung der Lücke Tirano-Bormio. Auch kleine Schritte sind wichtig Zusätzlich zur Vision einer Eisenbahnverbindung sind laut dem Gemeinderatsmitglied, Tourismusexperten und Mitinitiator Tagung Stephan Gander auch kleine Schritte notwendig und wichtig, um die gute Nachbarschaft zwischen den drei Gebieten zu stärken. Konkret nannte Gander grenzüberschreitende Mountainbike-Routen und Schüleraustauschprojekte. Eine Öffnung des starken lombardischen Wirtschaftsraumes in Form einer Eisenbahnverbindung wäre für die gesamte Entwicklung des Vinschgaus, und nicht nur, von enormer Bedeutung, ganz besonders für die Bereiche Tourismus und Handwerk. Klar für eine Verbindung sprach sich auch der Vizebürgermeister von Livigno, Narciso Zini, aus, der übrigens auch anregte, die Stilfserjochstraße in das UNESCO-Weltkulturerbe aufzunehmen. Bisher war der Vinschger „etwas kalt“ Pino Brianzoni vom Rotary Club Bormio Contea freute sich, dass sich nun auch die Vertreter des Vinschgaus verstärkt mit der Idee eines „Trenino per lo Stelvio“ anfreunden. Bisher sei der Vinschgau diesbezüglich „etwas kalt“ gewesen. Der Rotary Club organisiert bereits seit 2001 Zusammenkünfte dieser Art. Zum Treffen im Vorjahr waren Vinschger Vertreter nach Bormio gefahren. Aufmerksam mitverfolgt wurde die heurige Tagung in Prad auch von Vertretern der Umweltschutzgruppe Vinschgau mit der Vorsitzenden Eva Prantl an der Spitze. Sepp
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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