Aufbruchstimmung im ArcheoParc
Der Archäotechniker Jörg Nadler aus Schleswig Holstein und Mitarbeiter Ernst Gamper unter interessierten Besuchern.

„Es ist befreiend, kein Museum zu sein“

Publiziert in 5 / 2014 - Erschienen am 12. Februar 2014
25 Jahre nach dem Weltfund am Tisenjoch will man im ArcheoParc aktuelle Erkenntnisse der Ötziforschung in einem neuen und erweiterten Rahmen präsentieren. Schnals - 2016 werden 25 Jahre verstrichen sein, seit man am Tisenjoch am 19. September 1991 den ältesten und inzwischen berühmtesten Südtiroler entdeckt hat. Nach dem Fundort in den Ötztaler Alpen wurde er Ötzi genannt und damit zum Österreicher gemacht. Dem damaligen Schnalser Bürgermeister Hubert Variola ist es zu verdanken, dass der Grenzverlauf nachgemessen wurde und aus dem Ötzi zwar nicht ein Schnalser, aber immerhin ein Südtiroler, genauer ein Bozner wurde. Für Richard Spechtenhauser, damals Vizebürgermeister, und Karl Laterner, damals Obmann des Kulturvereins, war von Anfang an klar, im Schatten der archäologischen Sensation muss auch etwas für das Schnalstal abfallen. Was das „Etwas“ sein könnte, war im Fundjahr noch nicht klar. Als dann 2001 in der Flur „Hessgong“ im Schnalser Hauptort Unser Frau der eigenwillige Bau unter der Bezeichnung „ArcheoParc“ vollendet war, fiel zwangsläufig der Ausdruck „Museum“. Seit 2007 hat sich der Begriff auch im Namen des Trägers durchgesetzt; der „Museumsverein“ war gegründet. Den Vorsitz übernahm Alexander Rainer, der sich als junger Gemeinderat in einer Zeit der Krise für den ArcheoParc mit der Aussage aus dem Fenster gelehnt hatte: „Es kann nicht sein, dass aus der Anlage und aus dem Weltfund für Schnals nicht mehr herauszuholen ist.“ Bürgermeister Variola nahm ihn beim Wort und Rainer machte sich auf die Suche nach einem Kopf für den ArcheoParc. In Salzburg fündig geworden Unter den 18 Bewerbern sei eine gewisse Johanna Niederkofler, gebürtige Brixnerin, mutterseits aus Laas, vaterseits aus dem Pustertal, unter anderem durch die Frage aufgefallen: „Wie finanziert sich das Haus?“, erzählte Obmann Rainer. Ihrem Lebenslauf war zu entnehmen: Studium der Kunstgeschichte und klassischen Archäologie in Salzburg und Bologna, damals gerade Museumspädagogin in der Residenzgalerie in Salzburg und Teamleiterin bei der Katholischen Jugend ebendort. Rainer schaffte es, dass Niederkofler der Bischofsstadt und ihrem Arbeitsplatz den Rücken kehrte und die Herausforderung ArcheoParc annahm. Damit hatte die Einrichtung in Schnals nach der Ethnologin Silvia Renhart, der Historikerin Johanna ­Platzgummer und dem Künstler Hannes Egger eine neue Leiterin, eine Museumsleiterin. „Ein Museum studiert, bewahrt und zeigt meist Originale“, präzisierte Niederkofler. „Wir arbeiten dabei vielfach mit Repliken und Rekonstruktionen, genauer mit Modellen. Das hat erstens den Vorteil, dass man der oft teuren Verantwortung für materielles Kulturgut enthoben ist, und zweitens, dass man nicht so sehr gegen die nach wie vor verbreitete Wahrnehmung, ein Museum sei nicht sonderlich attraktiv, ankämpfen muss. Man kann auch sagen, wir sind ein archäologischer Park mit Besucherzentrum. Es ist befreiend, kein Museum zu sein. Aber egal, wie man uns nennt, Hauptsache, wie leisten unseren Beitrag für das Tal und für die Region.“ Das Angebot im ArcheoParc steht unter dem Motto „Ötzis Lebensraum entdecken“. Mit demselben Satz wirbt auch das Archäologiemuseum in Bozen. Im Unterschied zu Bozen, ist Ötzis Lebensraum im ArcheoParc tatsächlich erlebbar. Jene Besucher von insgesamt 24.586 zwischen Ostern und Allerheiligen 2013, die sich an den Besucherwerkstätten beteiligten, erlebten den ArcheoParc als „Aktivmuseum“ - wenn schon der Begriff Museum herhalten muss. Sie wurden gewissermaßen „jungsteinzeitlich aktiv“. Die Steinzeit in sechs Sprachen Einsteigen durfte die neue Leiterin Johanna Niederkofler damals mit der „Langen Nacht der Museen“. Zum ersten Mal ins kalte Wasser geworfen fühlte sie sich, als sie das Filmteam von „National Geographic“ begleiten musste. Das war der Startschuss, intensivst in die Jungsteinzeit und damit in die Ötzi-Zeit einzutauchen. „Nichts ist so interdisziplinär wie die Forschung rund um den Ötzi“, blickte sie zurück. Und nichts sei spannender, als durch Aneignung der jeweiligen Fachsprache neue Facetten in der Kulturvermittlung zu entdecken. „Dies führte 2009/2010 zu einer internationalen Lernpartnerschaft. Die Kontakte daraus ins Veneto, nach Spanien, Großbritannien, die Niederlande und Schweden nutzen wir nach wie vor gern“, erklärte Niederkofler. Als konkretes Endergebnis sei unter anderem eine Art Glossar in sechs Sprachen entstanden, eine Wort- und Phrasenliste für Mitarbeiter in archäologischen Freilichtmuseen. „Sie ist für meine Mitarbeiter und mich ein wichtiges Handwerkszeug, das wir intern laufend ausbauen“, so Niederkofler. Vorläufig steht nur eine Zeitleiste Seit Jahren gelingt dem Museumsverein mit der Leiterin in Ganz- und einem Techniker in Halbtagstelle, mit sechs bis acht saisonalen Mitarbeitern und 10 - 15 freien Mitarbeitern und Praktikanten Wissen und Erlebnis zu vermitteln und durch Ausstellungen und Symposien internationale Forschungsergebnisse und eigene Erfahrungen unter die Menschen zu bringen. Schon 2011 wurde im ArcheoParc eine Expertenrunde eingerichtet. In einer Denkwerkstatt wurden Ziele formuliert: Nach 12 Jahren soll in den Schauräumen den neuesten Forschungsergebnissen Rechnung getragen und mehr als bisher auf die größte Nutzergruppe, die Familien, eingegangen werden. Im erweiterten Außenbereich soll „die Jungsteinzeit in den Alpen ausprobiert, gerochen, gesehen und gefühlt werden“. Seit Monaten werden Ideen diskutiert, nicht nur unter den Erwachsenen. Im Mai 2013 kamen die jüngsten Besucher zum Zuge. Schnalser Grundschulkinder hatten ihre Vorstellungen in Modelle umgesetzt und im ArcheoParc der Öffentlichkeit vorgestellt. Derzeit werden Kosten kalkuliert und Einnahmequellen geklärt. Demnächst werden die Rahmenbedingungen definiert, damit im Jänner 2014 ein Projekt-Koordinator beauftragt werden kann. Eine Wunschzeitleiste wurde im Frühjahr dem Gemeinderat präsentiert. Vom Vorstand bereits genehmigt worden ist: Ab 2014 wird der ArcheoParc an sieben Tagen in der Woche geöffnet sein. Günther Schöpf Infos ArcheoParc Schnals Museumsverein Obmann: Alexander Rainer, Unser Frau. Ausschuss: Evi Weithaler (Katharinaberg, stellv. Obfrau), Benjamin Santer (Karthaus), Andreas Götsch (Unser Frau), Bürgermeister Karl Josef Rainer, Angelika Fleckinger (Direktorin Archäologiemuseum Bozen, kooptiert), ­Johanna Niederkofler (Schriftführerin und Museumsleiterin, kooptiert). Die Ergebnisse der Geschäftstätigkeit 2013 werden in der Vollversammlung am Montag, 24. Februar, 20 Uhr, mitgeteilt. Verkaufte Tickets 2013: 24.586 Besucherführungen: 267 Davon mit Schulklassen: 169 Von 231 im Sommer 2013 befragten Besuchern wurden durch: Hausprospekt: 22 % Durch Empfehlung: 19 % Durch Urlausberater: 17 % auf den ArcheoParc aufmerksam Häufigster Beweggrund für den Besuch: Familienfreundlichkeit 28 % Größte Zufriedenheit: 83 % mit Rekonstruktionen Herkunft der Umfrageteilnehmer: 60 % deutschsprachiges Ausland, 38 % Inland, 2 % international Aufenthalt mehr als 2 Stunden: 65 % Anreise über 50 km: 28 % Wiederholungsbesucher: 21 %
Günther Schöpf
Günther Schöpf
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