Es ist bereits fünf nach zwölf
Publiziert in 21 / 2007 - Erschienen am 6. Juni 2007
Fragen, wie man den Vinschgau am besten vermarktet oder wie man eigentlich werben sollte, beschäftigt die Tourismustreibenden derzeit so stark wie selten zuvor. Grund dafür ist sicherlich die ständig wachsende Konkurrenz, nicht nur innerhalb Südtirols. Der „Vinschger“ hat sich deshalb bei einigen Gastbetrieben umgehört, was man in Sachen Tourismus besser machen könnte oder was bisher nicht den erwünschten Erfolg gebracht hat.
Von Rudi Mazagg
Was hat der Vinschgau, was andere Urlaubsdestinationen nicht haben? Was bewegt einen Gast in den Vinschgau zu reisen und wie bekannt ist der Vinschgau überhaupt?
Den Gast interessiert heutzutage nicht mehr nur die Unterkunft an sich, sondern vor allem in welcher Umgebung sich die Gaststätte befindet, ganz egal, ob er sich für eine Pension, eine Ferienwohnung oder ein Hotel interessiert. Dem Touristen geht es immer noch zum Großteil ums Wandern. Wir im Vinschgau haben diese von der Natur gegebenen Möglichkeiten, dem Gast genau all das zu bieten, was er möchte. Wir haben 300 Sonnentage im Jahr, wunderschöne Radwege, zahlreiche Wanderwege vom Gletscher bis zur Rebe und nicht zuletzt gibt es für die Mountainbiker im Vinschgau wirklich allerhand zu erleben.
Wieso ist es dann in letzter Zeit in so manchen Vinschger Tourismusorten vor allem um den Sommertourismus nicht mehr so gut bestellt? Von den immer wieder veröffentlichten Zahlen über Nächtigungszuwächse und dergleichen, können sich vor allem die kleineren Betriebe, bei denen sich die Betten immer schwerer füllen lassen, leider nichts kaufen. Solche Statistiken beschreiben oft eben nicht den Ist-Zustand der meisten Touristiker!
Karin Wunderer von den Ferienanlagen „Camping Sägemühle und Camping Kiefernhain“ spricht sich für mehr Angebote zum Frühsommer/Pfingsten aus, um eine bessere Auslastung im mittleren und oberen Vinschgau zu erreichen. „Es bräuchte mehr Flexibilität bei den Öffnungszeiten der Aufstiegsanlagen in unserem Feriengebiet und zudem wäre ein flächendeckendes Angebot an Jausenstationen notwendig“, sagt Wunderer. Lobenswert seien die Veranstaltungen des Tourismusverbandes rund um die Blüte, die bei den Gästen gut ankommen. „Immer mehr Ferienbuchungen beziehen sind auf Themen bezogene Angebote wie für Familien sowie auf Angebote zu Biketouren und zu Wanderwochen“, so die Touristikerin. Positiv zu bewerten sei auch die Spezialisierung der Bikeführer und der Kulturführer.
Die Landschaft haben wir in die Wiege gelegt bekommen. Es liegt an uns, dieses wunderbare Gebiet bekannt zu machen und so lukrativ und gästefreundlich wie möglich zu gestalten und das nicht nur in der Hauptsaison. Dieses Vorhaben wird aber nicht dadurch gelingen, wenn jeder Vinschger Urlaubsort seine eigene Tourismussuppe kocht. Die berühmt berüchtigte Vinschger Kirchturmpolitik wird man sich in den nächsten Jahren wohl nicht mehr leisten können. In Zukunft gilt es das gesamte Gebiet vom Reschen bis nach Kastelbell/Tschars (leider nicht bis Partschins) zu vermarkten und über die Grenzen hinauszutragen.
Andreas Steiner vom Hotel „Lamm“ in Taufers bezeichnet die Zusammenarbeit der Tourismusvereine untereinander als „eher schlecht“. „Es findet hauptsächlich ein Konkurrenzkampf zwischen den einzelnen Vinschger Tourismusorten statt, sodass leider kein flächendeckendes Konzept zu Stande kommen kann“, bemängelt der Tauferer Hotelier.
Es muss eben ein Gesamtkonzept her! Ein Projekt über den gesamten Vinschgau, ein einheitlicher Werbeauftritt mit nur mehr einem Vinschger Imagekatalog, indem der Name der gesamten Talschaft im Mittelpunkt steht. Es ist aus diesem Grunde unabdingbar, dass solche wichtigen und zentralen Aufgaben der Tourismusverband Vinschgau zur Gänze übernimmt.
In diesem Zusammenhang muss es laut Karin Wunderer für die Zukunft einen stärkeren Tourismusverband Vinschgau geben, der nach außen Vermarktung, Produktsteuerung und Mitarbeiterführung der einzelnen Tourismusvereine organisiert. Den Tourismusvereinen sind aufgrund der leider spärlich zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel natürlich die Hände gebunden. Ihre Hauptaufgabe neben der Gästebetreuung sollte es daher sein, die Kleinstbetriebe, wie Privatzimmervermietungen oder Ferienwohnungen, in ihren touristischen Bemühungen zu unterstützen und zu versorgen.
Wie es gehen könnte, zeigt uns derzeit etwa die „Seiser Alm Marketing“, wo sich zu Beginn dieses Jahres die Tourismusvereine aus Kastelruth, Seis, Seiser Alm und Völs zu einem Verband zusammengeschlossen haben. In dieser gemeinsamen Führungsstruktur sind ebenfalls die Gemeinden Völs und Kastelruth, sowie die Liftunternehmen der Seiser Alm als Mitglieder vertreten. Auch die Landesfinanzierung erfolgt beispielsweise direkt an diesen neuen Verband, der die Gelder dann an die jeweiligen Tourismusvereine verteilt. So kann man die Kräfte natürlich viel besser bündeln und effizienter arbeiten.
„Auf der einen Seite gilt der Vinschgau als unterentwickelt, auf der anderen Seite haben wir tolle Vorraussetzungen, um daraus eine Topdestination zu schaffen“, ist Martin Pirhofer überzeugt. Nächstes Jahr ist der Vinschgau aber kein Leader-Gebiet mehr. Ohne EU-Fördergelder, wird die Vermarktung bestimmt nicht mehr in diesem Umfang möglich sein, wie bisher. „Gewisse Sachen werden weitergehen, gewisse nicht“, so Helmut Pinggera, seinerseits Koordinator der EU-Fördergelder.
Groß angelegte Projekte, wie etwa das mit 170.000 Euro dotierte „Nordic Fitness Alpin“, das von der Firma TourismusmanagementKG betreut wird, haben im Vinschgau mit Sicherheit nicht den erwünschten Erfolg gebracht. Dieses zweijährige Interreg III Projekt, das im Ahrntal, Sarnthal, Pfelders, Pfitsch, Mals, Schlinig, Martell und Latsch durchgeführt wurde, kostet die teilnehmenden Betrieben je nach Bettenanzahl zwischen 500 und 2.500 Euro im Jahr mit dem Ziel ein attraktives, trendgerechtes Angebot zu erstellen und anzubieten. Der Zweck dieses Projektes wäre es gewesen, mehr Buchungen für die teilnehmenden Beherbergungsbetriebe zu gewinnen. Das Ergebnis nach knapp eineinhalb Jahren ist beispielsweise im Hotel „Jagdhof“ in Latsch eher bescheiden ausgefallen. „Lediglich vier konkrete Anfragen sind bis zum heutigen Tage bei mir eingegangen“, so der zuständige Hotelier Martin Pirhofer. Er ist aus diesem Grund überzeugt, dass das Ziel dieses Projektes verfehlt wurde. „Werbung wurde in so genannten Fachmagazinen gemacht, unter anderem wurden auch 100.000 Werbemails an potentielle Adressen in die Schweiz verschickt, lediglich 38 Zugriffe sind bisher zu vermerken“, gibt Pirhofer Auskunft. Sehr bescheiden also, was unterm Strich herausgekommen ist.
Helmut Pinggera ist aber dennoch überzeugt, dass dieses Projekt auf Landesebene bisher zufrieden stellend abgelaufen ist, auch wenn es im Vinschgau vielleicht nicht den erhofften Erfolg gebracht hat. Was sich laut Pinggera einem Jahr vor Ende der „Nordic Fitness Alpin“, als nicht gerade ideal herausgestellt hat, ist der Name an sich. „Dennoch wurde diese Bezeichnung bei der Entstehung des Konzeptes unter anderem auch von der SMG gut geheißen“, so Pinggera.
Auch für die „Dreiländer Rad- und BikeArena“ war so einiges geplant. Dieses grenzüberschreitende Konzept von Graubünden übers Obere Gericht bis hin in den Vinschgau sollte angeblich die größte Bikearena Europas werden. Was ist daraus geworden? Wie viel Geld wurde bisher eigentlich investiert, wie viel ist davon noch übrig geblieben und bleibt dieses Großprojekt überhaupt noch bestehen?
Für dieses zweijährige Konzept wurden laut Helmut Pinggera umgerechnet 200.000 Euro ausgeschüttet! „Das Projekt ist nun umgesetzt worden, erst nach sechs bis sieben Jahren wird man sehen, ob es Früchte trägt“, gibt sich Helmut Pinggera zurückhaltend. „Die „Dreiländer Rad- und BikeArena“ wird nun dem Tourismusverband und den teilnehmenden Betrieben in die Hand gegeben, um dieses Projekt weiterzuentwickeln“, gibt Pinggera über das Weiterbestehen dieses Förderprojektes Auskunft.
Für Andreas Steiner hat dieses Projekt auch nicht den gewünschten Erfolg gebracht. „Meinen Gästen ist die Dreiländer Rad- und BikeArena völlig unbekannt, ich habe diesbezüglich noch nicht eine Anfrage verbuchen können. Es wurden zwar flotte Prospekte gedruckt, aber meiner Ansicht nach zu wenig in den Bereich Marketing investiert“, bemängelt Steiner.
Man wird deshalb in Zukunft sehr genau verfolgen müssen, wie sich die Zeit nach dem „EU-Geld“ entwickelt und was schlussendlich wirklich aus diesen Projekten geworden ist. Kritisieren ist erfahrungsgemäß immer leichter als handeln, trotzdem kann man sich mit der momentanen Situation sicherlich nicht ganz zufrieden geben. Ein vor allem strukturelles Umdenken wird aber stattfinden müssen, wenn wir uns touristisch wirklich weiterentwickeln wollen. Das ist aber nur dann realisierbar, wenn endlich alle an einem Strang ziehen. Es ist nämlich bereits fünf nach zwölf.

Rudi Mazagg