Energie von daheim
E-Werk Prad feiert Jubiläum
Im „Mühlbachkraftwerk 2“.
Hanspeter Fuchs (rechts) und Rudi Rienzner (links) überraschten Georg Wunderer mit einem Geschenk.
Links Richard Theiner und Sepp Noggler, vorne rechts Albrecht Plangger.
BM Karl Bernhart
Evi Obkircher
Klaus Wallnöfer
Martin Platzer

Für die Menschen vor Ort

Das „Modell Prad“ gilt als Musterbeispiel einer eigenständigen, klimaneutralen und kostengünstigen Strom- und Fernwärmeversorgung. Auch Breitbanddienst wird angeboten.

Publiziert in 33 / 2017 - Erschienen am 3. Oktober 2017

Prad am Stjilfserjoch - Es war im fernen Jahr 1926, als 47 Prader Bürger im Gasthaus „Alte Post“ ihren Beitritt zum „Elektrizitätswerk Prad“ erklärten. Trotz schwieriger wirtschaftlicher und politischer Verhältnisse, besonders in der Zeit vor und nach dem Zweiten Weltkrieg, hat sich die Genossenschaft zu einem sehr erfolgreichen Betrieb entwickelt, insbesondere während der vergangenen Jahrzehnte. Dass nicht nur Gemeinden aus dem Vinschgau, aus anderen Landesteilen und auch darüber hinaus mit etwas „Neid“ auf Prad blicken, hat gute Gründe. Eindrucksvoll dargelegt wurden diese bei der Jubiläumsfeier „90 Jahre EWP Genossenschaft“, zu der sich am 24. September Mitglieder, Freunde und Ehrengäste in der Flugdachhalle am „Mühlbachkraftwerk 2“ eingefunden hatten. Untrennbar verbunden ist die Erfolgsgeschichte der „Energie Werk Prad Genossenschaft“ mit dem Vordenker und Vorreiter Georg Wunderer, der die Genossenschaft seit 1980 als Obmann führt. Wie Georg Wunderer einleitend ausführte, sind derzeit rund 80% der Familien und Betriebe in der Gemeinde Prad Mitglieder der Genossenschaft. Schon seit 1980 habe die Genossenschaft beim Aufbau der Produktions- und Versorgungsanlagen stets die Nutzung erneuerbarer Energie und den Einsatz effizienter technischer Systeme als grundlegendes Ziel im Auge behalten. Für den ­Klima- und Umweltschutz leiste das E-Werk Prad (EWP) schon seinen vielen Jahren seinen Beitrag. Zurzeit erzeugt das E-Werk mit 4 ­Wasserkraftwerken, 3 KWK-Anlagen (Kraft-Wärme-Kopplung) in den zwei Fernheizzentralen und einer Fotovoltaik-Anlage ca. 19 Mio. kWh Strom im Jahr. Zudem werden ca. 18 Mio. kWh Fernwärme erzeugt, und zwar mit 3 Hackschnitzelöfen, 2 Wärmepumpen und den KWK-Anlagen. Außerdem betreibt die Genossenschaft ein Breitbandnetz, an dem zurzeit 531 Familien und Betriebe angeschlossen sind.

Wasserkraft, KWK-Anlagen und Sonnenenergie

Evi Obkircher vom Kontrollausschuss wartete mit Eckdaten zur Stromversorgung auf. Der jährliche Stromverbrauch ist von 7,6 Mio. kWh im Jahr 2000 auf nunmehr fast 16 Mio. kWh angestiegen. Die Stromproduktion belief sich im Vorjahr auf 18,724 Mio. kWh. Die Wasserkraftwerke lieferten 88,46% der erzeugten Strommenge, die KWK-Module 10,92% und die Fotovoltaik-Anlage, die sich auf dem Dach des EWP-Bauhofs befindet, 0,62%. Apropos Sonnenenergie: 2016 speisten 155 Fotovoltaik-­Anlagen in der Gemeinde Prad knapp 7,9 Mio. kWh Strom in das EWP-Netz. Von 2005 bis 2012 kam auch Strom aus Windkraft dazu. Nach dem Abbau der Windräder ist damit seit 2013 leider Schluss. Gemessen am Stromkonsum haben 2016 die 1.361 EWP-Mitglieder mit insgesamt 2.023 Stromanschlüssen 10,1 Mio. kWh Strom verbraucht. Das entspricht 64% des Konsums. Auf die Nicht-Mitglieder entfielen 36%.

Erhebliche Preisunterschiede

Auch auf erhebliche Unter­schiede bei den Strompreisen (ohne Mehrwertsteuer) zwischen Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern wies Obkircher hin. So lag der Preis für die Stromnutzung im Haushalt im Vorjahr bei 13,65 Cent pro kWh für Mitglieder und bei 20,24 Cent für Nicht-Mitglieder. Dieser markante Unterschied ist vor allem darauf zurück­zuführen, dass die Systemkosten bei den Mitgliedern nur 0,29 Cent betragen, bei Nicht-Mitgliedern hingegen 6,02. Nicht minder eklatant ist der Unterschied in der Kategorie „andere Nutzung“. Mitglieder zahlten 10,31 Cent, Nicht-Mitglieder 18,8. Sehr zu Gute kommt die Mitgliedschaft auch der Gemeinde. Sie zahlte für die öffentliche Beleuchtung nur 8,57 Cent. Die Ersparnis für die EWP-Mitglieder im Bereich des Strombezugs im Jahr 2016 bezifferte Obkircher mit rund 672.000 Euro.

729 Fernwärme-Kunden

Vergleicht man die Ausgaben für die Fernwärme mit den gängigen Kosten einer Ölfeuerung, sparen die Fernwärme-Kunden des E-Werks laut dem Veraltungsratsmitglied Klaus Wallnöfer jährlich rund 520.000 Euro ein. Zusätzlich dazu wird ein nicht unbedeutender Beitrag für den Klima- und Umweltschutz geleistet. Diesen Beitrag veranschaulichte ­Wallnöfer mit mehreren Vergleichen. So werde dank der Nutzung von erneuerbaren Energiequellen zum Beispiel jene Menge an Ausstoß vermieden, zu der es kommt, wenn man 500 Mal mit einem Auto um den Erdäquator fährt. Die Länge des Fernwärmenetzes beläuft sich derzeit auf rund 28 ­Kilometer. Es gib 556 Übergabestationen mit 729 Abnehmern. Von 2001 bis jetzt wurden über 14 Mio. Euro in die Fernwärmeversorgung investiert, wobei das Land 30% der Kosten übernahm. Die Wärmeproduktion beläuft sich zurzeit auf 18,5 Mio. kWh. 75,46% davon werden mit eigenen Hackgutöfen erzeugt, 7,71 % mit Hackgutöfen Dritter, 13,35% mit KWK-Modulen, 2,75% mit Wärmepumpen, 0,65% mit einem Spitzenkessel und 0,08% mit Solarthermie eines Dritten. Ein Blick auf die genutzten Energiequellen zeigt, dass mittlerweile für die Wärme-Erzeugung fast ausschließlich Hackgut, Bioöl und Biogas genutzt werden. Strom und Diesel werden insgesamt nur 5% eingesetzt. Auch beim Wärmepreis gibt es einen nicht unerheblichen Unterschied zwischen Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern. Mitglieder zahlten im Vorjahr 8,66 Cent pro kWh, Nicht-Mitglieder 10,95 (immer ohne Mehrwertsteuer).

Vorreiter in punkto Breitband

Zusätzlich zu den Bereichen Strom und Fernwärme bietet das E-Werk Prad bereits seit 2012 seinen Mitgliedern und Kunden den Breitbanddienst als dritte Dienstleitung an. Schon beim Aufbau des Fernwärmenetzes hatte das E-Werk die Bedeutung des schnellen Internets erkannt und bei der Errichtung der Leitungen stets Lehrrohre für künftige Datenleitungen mitverlegt. Das bestehende Glasfasernetz mit 531 Breitband-Anschlüssen hat das E-Werk Ende 2016 mit rund 600.000 Euro verwirklicht. „Hätte es die Gemeinde neu errichten müssen, wären Kosten in Höhe von 3,5 Millionen Euro ange­fallen“, sagte der Techniker Martin ­Platzer. Im Anschluss an die Ausdehnung des Verteilernetzes auf Lichtenberg „wird die Gemeinde so gut wie flächendeckend versorgt sein.“ Auch über zukünftige Vorhaben im Zusammenhang mit den Breitband-Diensten in Prad informierte Platzer. Er kündigte an, dass unter anderem daran gedacht werde, eine Vinschger Breitband-Dachgesellschaft zu gründen, „und zwar in der Art wie es beim Strom das VEK ist.“

„Einzigartiges Erfolgsmodell“

Landesrat Richard Theiner, Bürgermeister Karl Bernhart, der Kammerabgeordnete Albrecht Plangger, der Regionalassessor Sepp Noggler sowie Hanspeter Fuchs und Rudi Rienzner vom Südtiroler Energieverband bezeichneten das E-Werk Prad als ein einzigartiges Erfolgsmodell. Sie stimmten auch darin überein, dass das E-Werk Prad in vielen Bereichen eine Vorreiterrolle eingenommen hat. Maßgeblich dazu beigetragen habe Obmann Georg Wunderer. „Vom E-Werk Prad sind erfreuliche Initiativen und Impulse für den Vinschgau und das ganze Land ausgegangen“, ­sagte Theiner. Untrennbar verbunden sei diese Entwicklung mit Georg Wunderer. Dieser habe es verstanden, im Sinne des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit sehr früh auf erneuerbare Energiequellen zu setzen und dabei immer auch die lokale Wertschöpfung zu fördern. Theiner sprach dem Obmann und dem gesamten EWP-Team ein großes Kompliment aus. Ähnlich äußerten sich auch Plangger und Noggler. Als ehemalige Gemeindeverwalter hätten sie viel von Georg Wunderer und dem ehe­maligen Obmann des E-Werks Stilfs, Otto Moser, gelernt. „Hier in Prad wurden die Talente umgesetzt und wir durften etwas lernen“, so Plangger wörtlich. „Der Südtiroler Energieverband nennt das ‚Modell Prad’ bei seinen Vorträgen und Präsentationen im In- und Ausland gerne als Beispiel für eine historische Entwicklung, die unser Land auszeichnet“, sagte Rienzner. Prad habe seine eigene Energiegeschichte geschrieben, „und zwar lange bevor die - dezentral ausgerichtete - ‚Energiewende’ in anderen Ländern Europas ausgerufen wurde.“

Möglichst 100% erneuerbare Energiequellen

Das Ziel der Genossenschaft ist es, den Bedarf der Mitglieder und Kunden an Strom und Wärme möglichst zu 100% mit erneuerbaren Energiequellen wie Wasserkraft, Sonnenenergie, Biomasse und Biogas zu decken. Zugleich möchte das E-Werk laut Georg Wunderer weiterhin die lokale Wertschöpfung unter­stützen und einen Beitrag für die sozioökonomischen Verhältnisse in der Gemeinde Prad leisten: „Die Sicherstellung einer lokal eigenständigen, sauberen und klimaneutralen Energieversorgung auf der Grundlage weitgehend lokal verfügbarere Energieressourcen war und bleibt Vision sowie Leitlinie der genossenschaftlichen Verwaltung.“

Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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