Die neue Windpark-Studie liegt vor
Blick von Mals; Fotomontage aus Umweltverträglichkeitsstudie

„Gegenwind“ im Oberland

Publiziert in 39 / 2010 - Erschienen am 4. November 2010
Graun/Mals – Seit kurzem liegt ein erster Entwurf für die Erweiterung des Windparks auf der Malser Heide vor. Vor zwei Jahren von der „Miteigentumsgemeinschaft Windkraft Marein“ in Auftrag gegeben, untersucht die Studie die umweltrelevanten Aspekte, die mit dem Ausbau der bisherigen Windkraftanlagen zu einem Windpark mit insgesamt sieben Wind­rädern verbunden sind. Die Gesamtkosten des Parks werden mit fast 27 Millionen Euro beziffert. Georg Wunderer, Präsident der Energie Werk Prad Genossenschaft und beauftragter Koordinator der Mit­eigentumsgemeinschaft „Windkraft ­Marein“, verweist auf die großen Chancen, die der Windpark eröffnet: Mit der Produktion von 29 Millionen Kilowattstunden Strom im Jahr wäre es in Zukunft möglich, zusammen mit den lokalen Kleinkraftwerken (Wasserkraftwerke und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen) den gesamten Strombedarf im Gebiet zwischen Graun und Laas zu decken. Eine derart energieautarke Region sei auch touristisch ein einzigartiger Anziehungspunkt. Auf weniger „freundlichen Gegenwind“ stößt das Projekt in der jetzigen Form hingegen in der Gemeinde Graun, speziell in St. Valentin auf der Haide:­ „Ich bin beileibe kein Gegner erneuerbarer Energiequellen, aber das, was man auf der Malser Haide gemäß der bisherigen Studie hochziehen will, könnte nicht nur das einmalige Landschaftsbild beeinträchtigen, sondern auch zu Ein­bußen im Tourismus führen“, argumentiert Bürgermeister Heinrich Noggler. „Noch ist allerdings nichts entschieden, vorerst gibt es nur eine Studie, Änderungen sind möglich und über die Köpfe der Bürger hinweg wird sicher nichts beschlossen“, unterstreicht­ der Malser Bürgermeister Ulrich Veith. von Sepp Laner Das erste Windrad auf der Malser Haide wurde im Oktober 2003 als Pilotanlage der Firma Leitner in Betrieb genommen. Das zweite folgte Anfang 2006. Betrieben werden beide Windkraftanlagen von der „Miteigentumsgemeinschaft Windkraft Marein“. Im Jahr 2009 erzeugten die zwei Windräder insgesamt 4.460.236 kWh. Das ist eine beträchtliche Menge Strom. Das Rojenbach-Kraftwerk zum Beispiel liefert jährlich 10 Mio. kWh Strom. Mit dem Bau des Windparks soll die Windstromproduktion auf jährlich rund 29 Mio. kWh ansteigen. Abzüglich aller Kosten und Spesen dürfte der Windpark pro Jahr eine runde Million Euro an Nettogewinn abwerfen. Eine ansehnliche Summe, die der „Miteigentumsgemeinschaft Windkraft Marein“ und damit allen beteiligten Gemeinden sowie Genossenschaften im Oberen Vinschgau zufließen würde. Mit 27 Prozent hält die Energiegesellschaft Mals (E - AG), die wiederum zu 100 Prozent der Gemeinde Mals gehört, die meisten­ Anteile der Miteigentumsgemeinschaft. Die zweitmeisten Anteile entfallen auf die Gemeinde Graun mit 25 Prozent (aufgeteilt auf EGO - Energiegenossenschaft Oberland-Rojenbach mit 15 und die Gemeinde mit 10 Prozent). Die Gemeinde Schluderns hält 12 Prozent (davon 6 Prozent die Gemeinde und 6 Prozent die SEG - Energiegenossenschaft Schluderns). Weiters halten die Gemeinde Glurns 10 Prozent, das VEK (Vinschgauer Elektrizitätskonsortium) 10 Prozent, das E-Werk Stilfs 8 Prozent und das E-Werk-Prad ebenfalls 8 Prozent. Die beteiligten Genossenschaften beheimaten derzeit insgesamt rund 3.500 Mitglieder, womit der größere Teil der Familien und Betriebe im Oberen Vinschgau am Windpark bereits beteiligt wären. In Mals ist die Gemeindeverwaltung gerade dabei, die Voraussetzungen zu schaffen, dass auch dort die Familien und Betriebe unmittelbar am Energieversorgungssystem teilnehmen und mitmachen können. Den Akteuren des Windparks geht es laut Wunderer ganz gar nicht um eine rein ­monetäre Rechnung oder gar um Spekulation. Vielmehr verweisen sie auf die zahlreichen Vorteile nachhaltiger und genossenschaftlicher Stromproduktion für die Familien, für den Tourismus sowie die übrigen gewerblichen Betriebe in der Region. Den wichtigsten Vorteil des Windparks ortet Georg Wunderer darin, dass hier nicht irgendwelche ortsfremde Unter­nehmen mit der Windkraft Geld verdienen würden, sondern dass der Windpark dank der genossenschaftlichen Struktur und der Einbindung mehrerer Gemeinden und E-Werke in der Form des Miteigentums direkt der Bevölkerung und den Betrieben von Prad bis zum Reschen zugute käme. Wunderer wörtlich: „Wenn es nicht wir sind, die diese saubere Energie zum Vorteil unserer Bevölkerung nutzen, kommen mit Sicherheit andere, die aber nur spekulieren und ein Geschäft machen wollen. Erst kürzlich haben drei Unternehmen, die nicht aus dem Vinschgau stammen, in Sachen Windkraftnutzung bei mir vorgesprochen.“ Wie durchsickerte, soll ein Unternehmen bereits Grundstücke auf der Malser Haide gekauft haben. Die Errichtung eines Windparks macht laut Wunderer vor allem deshalb Sinn, weil eine lokale Wertschöpfung generiert wird, weil neue, wertvolle Arbeitsplätze geschaffen werden und weil mit der Windenergie ein bedeutender Teil des lokalen Strombedarfs - insbesondere im Winter, wo die Wasserkraft schwach und der Wind jedoch stark ist - abgedeckt werden kann. „Damit würden sich die beiden Energiequellen Wind und kleine Wasserkraft im Jahresverlauf ausgezeichnet ergänzen“, betont Wunderer. „Die Vinschger beklagen sich häufig, dass man ihnen seit jeher die Energieressourcen geraubt hat. Aber nur klagen ist zu wenig. Man muss etwas dagegen tun und die Energieversorgung selbst in die Hand nehmen.“ Mit der neuen Windpark-Studie hat die „Miteigentumsgenossenschaft Windkraft Marein“ einen Schritt in diese Richtung getan. Dabei wurde untersucht, wie sich der Windpark auf die Fauna – beispielsweise auf Vögel und Wild – auswirkt und wie es um eventuelle Strahlungsbelastungen und mögliche akustische Auswirkungen steht. Die Studie kommt hier zum Ergebnis, dass der geplante Windpark kaum ökologische Probleme nach sich ziehen würde. Weiters wird das Erscheinungsbild des Windparks in der Studie ausführlich behandelt und dargestellt. Genau am Optischen scheiden sich nun allerdings die Geister am meisten. „Was uns als Gemeinde Graun stört, ist ganz sicher nicht der Umstand, dass man versucht, erneuerbare Energiequellen zu nutzen, sondern einzig und allein der Standort und die damit zu befürchtenden Nachteile, speziell für die Fraktion St. Valentin auf der Haide“, sagt Bürgermeister Heinrich Noggler. Als er heuer im Sommer bei einer Sitzung der „Miteigentumsgemeinschaft Windkraft Marein“ erstmals die Ausbau-Studie zu sehen bekam, war er nicht wenig überrascht. Ein Windpark mit derart großen Anlagen würde das Landschaftsbild nachhaltig verändern. Vor allem der herrliche Ausblick vom Haidersee in Richtung Ortler würde gestört. Noggler wörtlich: „Ich schätze den Prader Energieexperten Georg Wunderer sehr und wertschätze auch seinen Einsatz für die Nutzung sauberer, lokaler und erneuerbarer Energieressourcen, aber beim Windpark-Projekt steht sehr viel auf dem Spiel.“ Noggler befürchtet, dass der Tour­ismus im Falle des Baus des Windparks in der vorliegenden Form leiden könnte, speziell die Tourismusbetriebe von St. Valentin auf der Haide. Tatsache ist, dass die derzeitigen Türme der Windkraftanlagen circa 60 Meter hoch sind und die Türme der angedachten 6 neuen Windräder 100 Meter hoch wären. „Wir haben es bislang mit einer Studie zu tun und mit nicht mehr und nicht weniger“, betont der Malser Bürgermeister Ulrich Veith. Eine Entscheidung dieser Tragweite werde ganz sicher nicht ohne die Einbindung der Bürger getroffen: „Wenngleich mir durchaus bewusst ist, dass ein Windpark einen einschneidenden Eingriff in das Landschaftsbild darstellt, sehe ich in der Nutzung der Windkraft als saubere Energie eine große Chance.“ Entschieden jedenfalls sei bisher noch nichts. Ängste, wonach über die Köpfe der Bevölkerung hinweg einfach neue Windräder hingeknallt würden, seien völlig unbegründet: „Sobald das Ganze wirklich spruchreif und intern abgesprochen ist, werden wir vor die Bürger treten, sie informieren und zum Diskutieren und Mitentscheiden einladen.“ Während die Stimmung in Mals durchaus positiv sei, gebe es in der Gemeinde Graun, speziell in St. Valentin, Bedenken, vor allem was die Sicht der Windräder und den Ausblick betrifft. In der Tat gibt es im Gemeindeausschuss von Graun und auch im Gemeinderat erhebliche Bedenken gegen den Bau eines Windparks in der in der Studie aufgezeigten Form. Bürgermeister Heinrich Noggler fordert eine lückenlose Informa­tion und Einbindung der Bürger. Für den 4. November ist ein 1. Arbeits­treffen zusammen mit Vertretern der Gemeinden Graun und Mals, der Miteigentumsgemeinschaft und mit Technikern angesetzt. In Hinblick darauf sagt Georg Wunderer, dass Änderungen an der derzeitigen Studie durchaus möglich sind. „An der Höhe, aber auch was die Standorte und die farbliche Gestaltung der Windräder betrifft, kann man arbeiten und Änderungen vornehmen.“ Er glaubt, dass ein für alle tragbarer optischer Kompromiss erreichbar sei. Bei dem geplanten Windpark wolle man sich jedenfalls auf eine abgegrenzte Zone beschränken, darüber hinaus seien keine weiteren Windräder vorgesehen, sodass ein Wildwuchs ausgeschlossen sei. Außer Frage steht für Georg Wunderer auch, dass die Nutzung der Windkraft angesichts der klimatischen Veränderungen und der Verfügbarkeit traditioneller Energien ein Gebot der Stunde ist: „Rund 50 Prozent der Gletscher im Alpenraum sind bereits geschmolzen. Wie wird es mit dem Wasserhaushalt in 50 Jahren ausschauen?“ Wenn die Entwicklung so weitergehe wie bisher, „steuern wir einer Katastrophe zu und dann möchte ich jene hören, die jetzt wegen subjektiver Sichtprobleme vom Erhalt des Landschaftsbildes reden.“ Auch würde man über den Windpark spätestens dann froh sein, wenn Benzin und Diesel nur mehr begrenzt und lediglich zu Höchstpreisen zur Verfügung stehen werden und man die lokale Windenergie als Tankstelle für die Elektromobilität einsetzen könnte. Wunderers Vision lautet, im Oberen Vinschgau eine Stromverbundschiene bei unmittelbarer Vernetzung der kleinen lokalen Produktionsanlagen (Wasserkraft, Windstrom, Biomasse usw.) mit Lastregelungssystemen (Smart Grid) zu schaffen, den Strom zwischen Laas und Graun über eine Genossenschaft zu verteilen und den Obervinschgau in eine energieautarke Region zu verwandeln. Bei optimaler ­Nutzung lokaler und erneuerbarer Energiequellen könnten pro Jahr ca. 129 Mio. kWh erzeugt werden. Der derzeitige Stromkonsum zwischen Graun und Laas beläuft sich auf knapp 100 Mio. kWh. Auch der touristischen Vermarktung des Gebiets als eine Vorzeige-Energieregion würde dann nichts mehr im Wege stehen. „Eine nachhaltige Entwicklung eröffnet Perspektiven und gibt uns allen eine Zukunft“, so Georg Wunderer. „Ob diese Vision Wirklichkeit wird, liegt jetzt bei den Obervinschgern selbst.“
Josef Laner
Josef Laner

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